Oberliga

ETSV gewinnt das Aufsteigerduell – Großkopf bemängelt die Chancenverwertung

04. September 2023, 16:25 Uhr

Vater und Sohn jubeln: ETSV-Coach Aki Cholevas (li.) gartuliert Matthias Cholevas (Mi.) zu seinem Torerfolg zum entscheidenden 3:1-Endstand. Foto: Klaas Dierks

An einem sonnigen Spätsommer-Sonntag empfangen die Alsterbrüder den Mit-Aufsteiger ETSV Hamburg zum „Nachbarschaftsduell“. Denn: Obwohl mit unterschiedlichen Intentionen gestartet, schauen beide Teams vor dem 6. Spieltag auf je sieben Punkte auf der Habenseite und finden sich entsprechend auf Rang acht beziehungsweise neun der Tabelle wieder. Von der versammelten Erfahrung und vom Anspruch her ist der ambitionierte Gast klarer Favorit, aber die Alsterbrüder haben in den letzten beiden Partien gegen Liga-Schwergewichte Dassendorf und Niendorf streckenweise durchaus mithalten können. Allerdings stand eine mangelnde Chancenverwertung etwas Zählbarem entgegen.

Nach nicht mal 240 Sekunden bringt Lesley Karschau (Mi.) die Eisenbahner bereits auf die Siegerstraße. Foto: Klaas Dierks

Die Alsterbrüder legen los wie die Feuerwehr und haben in den ersten beiden Minuten bereits zwei Möglichkeiten, in Führung zu gehen. Erst zielt Luca Drude zu hoch, dann trifft Konrad Janta nach schöner Balleroberung per Kopf durch Maximilian Waskow knapp daneben. Der ETSV lässt sich aber nicht aus der Ruhe bringen. In der vierten Minute wird Lesley Karschau auf dem rechten Flügel steil geschickt. Der nicht gerade langsame Drude verliert das Laufduell gegen den wieselflinken Mann, der nun allein auf Moritz Junge zuläuft und abgeklärt zum 0:1 vollendet. Das Ding sitzt!

Die Alsterbrüder brauchen ein wenig, um sich von dieser Demonstration zu erholen, kommen dann aber wieder besser ins Spiel. Waskow schnappt sich die Kugel nach Ballgewinn in der Hälfte des ETSV und zieht einfach mal drauf. Latte! Glück gehabt, ETSV! Der bleibt vor allem über rechts brandgefährlich. In der 16. Minute hat der Gast gleich drei Möglichkeiten, den Vorsprung auszubauen, weil die Alsterbrüder den Ball erst dann vernünftig klären können.

Kwame-Schock bei den Eisenbahnern

Dieser Schock saß tief: Gestützt von seinen Teamkameraden musste Kusi Kwame (Mi.) vom Platz getragen werden. Gute Besserung! Foto: Klaas Dierks

Um die 15. Minute herum setzt sich Kusi Kwame, der Kapitän des ETSV, vorsichtig hin, hält sich sein linkes Knie. „Was soll das?“, fragen sich manche. Aber den 34-Jährigen hat es schwer erwischt. Ohne Fremdeinwirkung scheint das Knie kaputt. Als Physio und Mannschaftskollegen versuchen, ihn aufzurichten, muss die Aktion abgebrochen werden. Zu schlimm der Schmerz. Per Krankenwagen wird der Spieler zur Diagnose und Versorgung liegend abtransportiert. So ein bitterer Moment. Der erste Verdacht lautet Kreuzbandriss. Von dieser Stelle die besten Genesungswünsche!

Das Spiel geht weiter. Drude bekommt den Torschützen nun besser unter Kontrolle; manchmal ist Karschau aber nur durch ein Foul zu bremsen. Als sich der Spieler daraufhin beim Schiedsrichter beschwert, der die Partie gut im Griff hat, antwortet der mit einem Lächeln: „Du bist einfach zu schnell, Mann!"

Der Ausgleichstreffer für die Alsterbrüder: Dem Schuss von Lennart Duve (nicht im Bild) kann der ansonsten bärenstarke ETSV-Keeper Elian Clasen (2. v. li.) nur hinterherschauen. Foto: Klaas Dierks

Wiederholt setzen die Alsterbrüder Nadelstiche, ohne jedoch den letzten Punch zum Torerfolg zu setzen. In der 32. Minute ist Gian Luca Verago durch, wird beim Abschluss bedrängt, kann den Ball aber flach an dem herausstürmenden Elian Clasen vorbei Richtung langes Eck befördern. Der eingelaufene Benjamin Lerida kommt eine Fußspitze zu spät und so geht der Ball haarscharf am langen Pfosten ins Toraus. Das ist sie gewesen, die zweite Großchance nach dem „Lattenknutscher“ von Waskow. Danach haben Lerida und Janta noch je eine gute Chance von rechts, beide setzen ihre Schüsse aber zu hoch an. Auch auf der Gegenseite wird es noch zweimal brenzlig, aber ohne, dass sich der Spielstand ändert. So geht es in die Pause.

Duve sorgt für Alsterbrüder-Jubel

Drin! Vincent Boock (re.) kontert den Ausgleich und schießt wuchtig zum 2:1 für die Eisenbahner ein. Moritz Junge fliegt vergeblich. Foto: Klaas Dierks

Aus der kommen die Alsterbrüder mit ungebrochenem Vorwärtsdrang, laufen hoch an, praktizieren Gegenpressing bei Ballverlust, aber wehe, wenn der ETSV sich dem entziehen kann. Dann wird‘s gefährlich. In der 48. Minute behauptet Kapitän Felix Niebuhr den Ball gegen zwei Gästespieler stark und hat das Auge für den öffnenden Pass auf links. Von dort ein starker Ball auf Lennart Duve, der halblinks am Strafraum lauert, den Ball mitnimmt, aufdreht und erfolgreich halbhoch Richtung langer Pfosten abschließt. Der sehenswerte Ausgleich reißt die cicra 200 Zuschauer, mehrheitlich pro Alsterbrüder, von den Sitzen. Geht doch!

Genugtuung bei Boock?

Nach dem Ausgleich sind die Alsterbrüder dem Führungstreffer näher als die Truppe vom Mittleren Landweg. Aber so sehenswert es ist, dass die Alsterbrüder immer wieder Chancen spielerisch herausarbeiten, mehr davon müssen rein! Und oft langt ein langer Ball, um es auf der Gegenseite für Alsterbrüder-Keeper Junge ungemütlich werden zu lassen. Der klärt mehrfach gut gegen den neuen „Capitano“ Fabio Parduhn. Und auch Vincent Boock bringt den Ball nicht im Kasten der Alsterbrüder unter. Noch nicht. In der 67. Minute ein schneller Gegenstoß über Vedat Düzgüner, der sich mit seinem ersten Tor für den ETSV in der Oberliga in deren Annalen eingeschrieben hat. Düzgüner ist über links auf und davon, spielt im richtigen Moment in die Mitte zum mitgelaufenen Boock, der aus vollem Lauf unhaltbar zum 1:2 einschießt.

Sicher eine Genugtuung für den erfahrenen Spieler. Sein Trainer hatte ihm (und anderen Spielern des Kaders) noch letzte Woche in der Pressekonferenz nach der verloren gegangenen Partie gegen Meister Sasel die nötige Reife abgesprochen, im oberen Drittel der Oberliga mitzumischen.

Elian Clasen (li.) mit einer Riesenparade gegen den eingewechselten Alsterbrüder-Stürmer Tim Algner, der den möglichen Ausgleich vergibt. Foto: Klaas Dierks

Auch nach dem Führungstreffer steckte die Heimmannschaft nicht auf. Tim Algner per Kopf, Clasen ohne Probleme. Algner aus sechs Metern halbrechter Position – Monstersafe von Clasen, der sein Bein blitzschnell ausfährt und den eigentlich verdienten Ausgleich stark verhindert. Auf der anderen Seite ist Trainersohn Matthias Cholevas für Parduhn im Spiel. Während beim FCA nun die Lahrtz-Brüder und Bastian Sticken dabei sind. Auch sie bekommen sehr gute Chancen, aber Lasse Lahrtz kann den Ball in aussichtsreicher Position nicht über die Linie drücken und Sticken setzt das Spielgerät mit vollem Risko und wuchtigem Bums aus etwa zwölf Metern knapp über die Latte.

"Das Tor mehr wollen!"

Die endgültige Entscheidung: Matthias Cholevas (re.) trifft platziert ins lange Eck zum 3:1-Endstand für seinen ETSV Hamburg. Foto: Klaas Dierks

Der mittlerweile dritte Träger der Kapitänsbinde auf Seiten des ETSV macht es besser. Wieder kontert der Gast und während drei Alsterbrüder nur mehr zuschauen können, macht Cholevas mit einem Schuss aus circa sieben Metern halbhoch rechts alles klar (88.). Und die Alsterbrüder stehen wieder – trotz hohem Engagement, guter spielerischer Momente, aber eben mangelnder Chancenverwertung – ohne Zählbares da.

Nach dem Schlusspfiff fordert denn auch ein sichtlich unzufriedener Jörn Großkopf von seiner Mannschaft: „Besser getretene Freistöße und mehr Gier bei den Abschlüssen.“ Die Maxime beim schweren Auswärtsspiel gegen Altona 93 lautet: „Das Tor mehr wollen!" Da scheint sich zwar eine Fan-Freundschaft zwischen dem Anhang des Aufsteigers und dem der Hamburger Traditionsmannschaft anzubahnen, aber die wird sicher im Spiel gegeneinander ruhen und Tore nicht hergeschenkt. Das wird auch der ETSV, jetzt mit Anschluss an die „Top Sechs“ zu Hause gegen Türkiye spüren. Denn die Treffen zurzeit – und gerade – selbst gegen die „Großen“.

Klaas Dierks