Condors Pokal-Wahnsinn – Kitschiger als ein Hollywood-Streifen!

Farmsener ringen neun Victorianer nach Verlängerung nieder

06. April 2015, 18:43 Uhr

Raffael Kamalow drehte in der Verlängerung per Doppelpack auf und damit auch das Spiel. Foto: noveski.com!

„Ich weiß gar nicht, wo man anfangen soll“, musste Victorias Übungsleiter Lutz Göttling unmittelbar nach dem Pokal-Wahnsinn beim SC Condor erst einmal seine Gedanken sortieren, um nach Worten zu suchen. Was in den 120 Minuten zuvor am Berner Heerweg vonstattenging, versetzte wahrscheinlich jeden der 560 zahlenden Zuschauer in pure Ekstase. Der Vorjahresfinalist vom SC Condor führte gegen den Pokal-Favoriten bereits mit 2:0, bis Vicky-Schlussmann Tobias Grubba in allerletzter Sekunde zum nicht mehr für möglich gehaltenen 2:2 einköpfte und sein Team in die Verlängerung rettete. Doch das sollte erst der Anfang eines irrwitzigen Spektakels sein!

Doch der Reihe nach: Vicky mit viel Ballbesitz, aber ohne die zündenden Ideen und oftmals zu behäbig gegen einen kompakten Gegner, der hinten mit einer Fünferkette begann. Stattdessen bediente Kristoffer Laban auf Höhe der Mittellinie Alexander Krohn, der von halblinks den langen Diagonalball schlug. Grubba eilte aus seinem Kasten, kam jedoch einen Tick zu spät. Carlos Flores ging dazwischen, spitzelte die Kugel am Torsteher vorbei und schob ein – 1:0 (11.)! Beinahe hätte Laban vor der Pause die Führung verdoppelt, als erneut Krohn die lange Variante wählte. Von halbrechts strich sein Schuss allerdings knapp am langen Eck vorbei (37.).

Flores verpasst 2:0 – Mellmann macht’s besser

Nach Labans Querpass überwindet Kevin Mellmann (r.) Tobias Grubba zum 2:0. Foto: noveski.com!

Der zweite Durchgang begann mit einem bärenstarken Sololauf von Vincent Boock, der drei Condoraner auf rechts stehen ließ und in den Sechzehner eindrang. Freistehend musste er sich nur der Riesenparade von Kleinschmidt geschlagen geben, der dessen Schuss mit den Fingerkuppen ums lange Eck herum lenkte (54.)! Condor ergaben sich nun vermehrt Räume zum kontern, die bisweilen aber haarsträubend ausgespielt wurden. Laban suchte zu früh den Abschluss (56.). Keine 60 Sekunden darauf hätte der glänzend aufspielende Carlos Flores die Vorentscheidung herbei führen können, wenn nicht sogar müssen: von halblinks lief er völlig blank auf Grubba zu, schob aber um Haaresbreite am rechten Pfosten vorbei (57.)! Deutlich besser machten es die „Raubvögel“ wenig später, als ein herausragend vorgetragener Angriff über Laban, der auf halbrechts zwei Mann aussteigen ließ und mit seiner mustergültigen Hereingabe den freistehenden Kevin Mellmann fand, zum 2:0 führte. Der Torschütze hatte keinerlei Mühe mehr und drückte aus kurzer Distanz ein (62.)!

Tobias Grubba rettet sein Team per Kopf in die Verlängerung. Ausnahmezustand! Foto: noveski.com!

Das Gefühl einer vermeintlichen Vorentscheidung schwankte keine zwei Zeigerumdrehungen darauf in Hoffnung auf die Wende bei den Gästen um. Benjamin Bambur vom rechten Strafraumeck trocken ins linke untere Eck – nur noch 2:1 (64.)! In der Schlussphase warf die Göttling-Eleven alles nach vorne. Condor verpasste es schlichtweg, für den endgültigen Knockout der Pokalfinal-Hausherren zu sorgen. Die Chancen dazu waren in Hülle und Fülle vorhanden. Stattdessen hielt der überragende Sascha Kleinschmidt das 2:1 fest, indem er Cetinkayas Schuss aus elf Metern nach Kopfballablage von Ebbers aus dem linken Toreck fischte und an die Latte lenkte – was für eine Tat vom „Fußballer des Jahres“ (82.)! Zwei Minuten waren noch auf der Uhr, als der mit aufgerückte Alexandros Tanidis freistehend kläglich versemmelte. In der dritten Minute der Nachspielzeit angekommen, machte sich Vicky-Keeper Grubba auf den Weg nach vorne. Der Grund: ein Freistoß. Cetinkaya brachte das Leder präzise herein, Ebbers köpfte ans Quergebälk. Grubba bewies den richtigen Riecher und schädelte den Abpraller in den rechten Knick – 2:2 (90. +3)! Der pure Wahnsinn!

Schiedsrichter Rosin nimmt wesentlichen Einfluss aufs Spiel

Condor am Boden – Vicky psychologisch nun klar im Vorteil für die anstehende Verlängerung. Doch nun schlugen die Minuten des Unparteiischen Kevin Rosin. Max Anders, der in der Innenverteidigung einen vorzüglichen Job verrichtete, touchierte wohl Rinik Carolus am linken Strafraumeck. Ob’s ein Foulspiel war, schwer zu sagen. Aber dem Victorianer aufgrund einer vermeintlichen Schwalbe den gelb-roten Karton zu zeigen – eine klare Fehlentscheidung (97.)! Die Proteste der Mannen von der Hoheluft riesengroß. Marcus Rabenhorst vergriff sich diverse Male im Ton. Auch Coach Lutz Göttling konnte seinen Unmut verständlicherweise nicht mehr zurückhalten und wurde daraufhin hinter die Bande beordert. Dennoch: in Unterzahl drehte der Regionalliga-Absteiger das Spektakel gänzlich auf den Kopf. Ebbers punktgenau auf Thiessen, der wuchtig aus sieben Metern unter die Latte – 2:3 (101.)! Die Farmsener gaben sich nicht geschlagen, bewiesen eine schier unfassbare Moral – und sorgten mit Abpfiff der ersten Hälfte der Extrazeit wieder für Spannung. Nachdem Mandel es noch nicht schaffte, den Ball aus drei Metern über die Linie zu befördern, übernahm Raffael Kamalow den Job und traf im Nachsetzen – 3:3 (105.)!

Kleinschmidt überragend – Kamalow dreht Spiel

Sascha Kleinschmidt erwischte einen Sahnetag und parierte dreimal in herausragender Manier - darunter den Elfer von Iscan. Foto: noveski.com!

Es ging gnadenlos weiter. Verschnaufpause? Fehlanzeige! Kieckbusch und Mandel rauschen an Dauderts Hereingabe vorbei (107.), ehe Rosin seinen nächsten großen Auftritt hatte: Thiessen sank im Laufduell mit Till Daudert auf Höhe der rechten Strafraumgrenze zu Boden. Von einem Kontakt kann weit und breit keine Rede sein, doch Rosin zeigte auf den Punkt (109.)! Es roch nach einer aberwitzigen Konzessionsentscheidung aufgrund des zuvor verhängten Platzverweises gegen Carolus. Selbst Göttling meinte hinterher. „Da hätte man Gelb wegen einer Schwalbe geben können.“ Dementsprechend war es nur ausgleichende Gerechtigkeit, dass Kleinschmidt den fälligen Elfer von Gökhan Iscan sensationell entschärfte und den Schützen auch beim zweiten Versuch so irritierte, dass dieser das Spielgerät weit über den Kasten drosch! Weiter ging’s im Vollgas-Modus. Diesmal wieder mit dem SCC. Mellmanns Freistoß-Flanke schien zu lang, Laban fast von der Grundlinie per Kopf an die Unterkante der Latte. Kamalow schaltete am schnellsten und nickte die Pille zum 4:3 in die Maschen – der Jubel kannte keine Grenzen mehr (113.)!

Beim SCV machte sich nun der Frust breit. Torben Wacker mit einem ganz rüden Tritt gegen den im Volltempo durchstartenden Laban – Rot (117.)! Beim Verlassen des Platzes trat der „Übeltäter“ auch noch einen Mülleimer durch die Gegend. Die Emotionen kochten über! Dass Condor bis in die letzten Sekunden hinein gegen neun Vicky-Akteure zittern musste, lag vor allem an der katastrophalen Abschlussschwäche im Gegenangriff. Daudert hatte in der Mitte vier Optionen, fand mit seinem Querpass jedoch den einzig zurückgeeilten Victorianer. Dann parierte Grubba gegen Laban stark – der Ball küsste noch das obere Torgestänge. Schließlich sollte aber nichts mehr anbrennen. Der SC Condor warf den selbsternannten Pokal-Favoriten SC Victoria mit 4:3 nach Verlängerung aus dem Rennen und durfte sich anschließend völlig zu Recht von den knapp 600 Schaulustigen gebührend feiern und bejubeln lassen!

„Ein sehr, sehr fader Beigeschmack“

Der Jubel kannte keine Grenzen mehr - und das zu Recht! Der SC Condor schaltet den SC Victoria aus und nimmt wieder Kurs aufs Finale. Foto: noveski.com!

„Ich bin extrem stolz auf die Mannschaft!“, platzte es aus Woike heraus. „Wir haben keine einfachen Tage und Wochen hinter uns. Vor allem nach dem Süderelbe-Spiel war ich extrem durcheinander. Deshalb zollt es mir umso mehr Respekt ab, wie sich die Jungs gegen Dassendorf und dann heute hier präsentiert haben. Allerdings ist das auch ein Gradmesser und zeigt, wozu die Mannschaft eigentlich imstande ist. Das Spiel war große Werbung für den Amateurfußball!“ Trotz der bitteren Niederlage und des Ausscheidens zeigte sich Göttling als unheimlich fairer Verlierer, gratulierte dem SC Condor zum Weiterkommen und wünschte den Farmsenern für den weiteren Verlauf viel Erfolg. Trotzdem konstatierte er: „Für mich hat die Niederlage einen sehr, sehr faden Beigeschmack. Uns wurde zu Beginn ein Elfmeter nicht gegeben als Max Anders den Ball nach Ebbers‘ Kopfball an den Arm bekam. Ich glaube, dass wir dann aus unserer Lethargie zu Anfang erwacht wären. Die Gelb-Rote Karte gegen Rinik Carolus war ein absoluter Witz und der für uns gepfiffene Elfmeter eine glatte Sechs mit vier Sternchen! Ich habe kein Verständnis dafür, wenn Leute, die ein Spiel leiten sollen, wahllos in eine Partie eingreifen. Das war heute der Fall.“ Für Woike stellte der Triumph eine gewisse „Befriedigung“ dar, wie er sagte. „Mir fällt es momentan noch schwer, Worte für dieses Spiel zu finden.“ Dem kann man sich nur anschließen. Hut ab, SC Condor! Und ein „Danke" an beide Mannschaften für diesen Fußballvormittag am Ostermontag.

Das gilt auch für unseren „Knipser“ Joe Noveski, der uns eine pickepackevolle Galerieshow zum denkwürdigen Pokalfight zukommen lässt. Besten Dank an noveski.com!

Der LIVE-Ticker zum Spiel mit allen Höhepunkten zum Nachlesen: