TuS-„Türme“ patzen – Rodrigues‘ Hacke verschärft „Effektivitätskrise“!

Vicky vor 548 Zuschauern und ohne Ebbers erfolgreich

19. September 2015, 00:36 Uhr

Kangmin Choi (l.) brachte den SCV in Führung und erzielte seinen ersten Treffer im neuen Dress. Foto: KBS-Picture.de

„Marcel ist ein verrückter Hund, der seine Mitspieler oft auch ein Stück weit zur Verzweiflung treibt. Aber er hat halt diesen speziellen Schuss an Genialität, welche es im Hamburger Amateurfußball kaum gibt“, adelte Lutz Göttling seinen Neuzugang und Siegtorschützen, Marcel Rodrigues, nach dem Triumph über den Meister. Es war keineswegs so, dass der Portugiese, der vor der Saison vom FC Süderelbe an die Hoheluft gewechselt ist, der überragende Mann auf dem Platz war. Aber er sorgte für den entscheidenden Moment – und wie! Mit der Hacke traf er die Gäste bis ins Mark, was Jan Schönteich auf der PK nach dem Spiel dazu veranlasste, aufgrund der Bilanz von nur einem Sieg aus den letzten vier Partien von einer „Effektivitätskrise" zu sprechen. „Vor einem Jahr hatten wir eine spielerische Krise, die sehe ich aktuell noch nicht.“

Choi (l.) kann sich aussuchen, wo er den Ball hinköpft. 1:0! Foto: KBS-Picture.de

Vor 548 Zuschauern an der Hoheluft entwickelte sich von der ersten Minute an ein wahrhaftiges Spitzenspiel zwischen dem Vize-Meister und dem aktuellen Titelträger. Es sollte auch nicht lange dauern, bis Jan Schönteich die ersten Sorgen-, wenn nicht gar Wutfalten auf der Stirn hatte, die ihm das Abwehrverhalten seiner Mannschaft bescherten. Zunächst lenkte Keeper Christian Gruhne einen Schuss von Vincent Boock, der gar nicht mal so gefährlich daher kam, zur Ecke (4.). Diese schlug der alles überragende Dennis Thiessen von links auf den zweiten Pfosten, wo Rinik Carolus ungehindert per Kopf noch einmal quer legen konnte und Kangmin Choi mutterseelenallein, ohne Gegenspieler weit und breit, wuchtig ins rechte Eck einschädeln konnte (5.)! Das erste Tor für den Südkoreaner in seinem zweiten Einsatz für Victoria – und so einfach hätte er sich das wohl selbst kaum vorgestellt. „Wir wollten das Spiel eigentlich durch Standards entscheiden – dass wir das nun genau in die gegengesetzte Richtung tun, war weder zu erwarten, noch geplant. Und Leben kann ich damit schon mal gar nicht“, äußerte Schönteich seinen Unmut.

Rodrigues macht’s per Hacke – „Slapstick pur!“

Ich war's! Kangmin Choi (4. v. l.) lässt sich von seinen Teamkollegen feiern. Foto: KBS-Picture.de

Vicky war zu Beginn das deutlich agilere Team, hatte in Person von Carolus, der David Eybächer in der Innenverteidigung vertrat, die Möglichkeit aufs 2:0 – doch Gruhne bereinigte das, was seine Vorderleute zuvor mit Schlafmützigkeit nach Thiessens Freistoß einleiteten (18.). Dassendorf wirkte fahrig, bis zur 19. Spielminute, als der Ball endlich mal durch die eigenen Reihen glitt. Über Sven Möller und Pascal Nägele kam der mit Abstand stärkste Dassendorfer Henrik Dettmann ans Spielgerät. Ganz abgeklärt schob er die Kugel aus halblinker Position zum Ausgleich ins lange Eck ein – 1:1! Fortan entwickelte sich ein offener Schlagabtausch. Wackers Kopfball nach Thiessen-Ecke wurde von Aust auf der Linie aus der Gefahrenzone geschädelt (21.) – während Adrian Voigt mit seinem Schuss aus 15 Metern an Tobias Grubba scheiterte. Im Nachsetzen blieb Amando Aust in der SCV-Defensive hängen (27.). Unmittelbar vor dem Pausentee dann das Schmankerl der Partie: Wieder einmal war es Dennis Thiessen, der nahezu jeden Angriff mit genialen Pässen einleitete, dessen Diagonalball Boock auf dem rechten Flügel stark verarbeitete. Der „Blondschopf“ marschierte die Linie herunter und bediente den mit dem Rücken zum Tor postierten Marcel Rodrigues. Unter Bedrängnis versuchte dieser einfach mal den Kunstschuss – und das mit Erfolg. Mit der rechten Hacke beförderte der Angreifer das Leder an Gegenspieler und dem völlig verdutzten Gruhne vorbei in die Maschen (44.)! „Wie die beiden Tore fallen, darüber werden wir intern sprechen müssen“, so Schönteich. „Vor allem auch die Art und Weise, wie wir da verteidigen. Das zweite Tor war ja praktisch Slapstick pur!“

Ballbesitz ohne Ertrag – Nikroo nimmt sich selbst raus

An Dennis Thiessen (l.) führte kein Angriff vorbei. Foto: KBS-Picture.de

Der zweite Abschnitt begann mit einer Victorianer Doppelchance für Kevin Zschimmer, der den ein ums andere Mal zu zögerlich agierenden Gruhne beinahe aus spitzem Winkel überwand (51.), und Rinik Carolus, dessen Schuss nach dem folgenden Eckstoß am langen Eck vorbei sauste (52.). In der Folge dominierten die „Wendelwegler“ das Spielgeschehen, hatten gefühlte 75 Prozent Ballbesitz, ohne daraus jedoch Kapital zu schlagen. Immer wieder zog Pascal Nägele nun über den linken Flügel an, der Adrian Voigt den Ball auf dem Silbertablett servierte. Der Agyemang-Ersatz ließ mit seinem Abschluss aber zu lange auf sich warten und wurde geblockt (59.), ehe er nach einem Möller-Eckball und Hamdan-Kopfball am zweiten Pfosten stehend knapp den Einschuss verpasste (62.). Bis auf einen Distanzversuch von Nägele, der am rechten Pfosten vorbei rauschte (72.), sollte es das auch schon von den Gästen gewesen zu sein. Aus der Vielzahl an Ballbesitz entfachte man deutlich zu wenig Torgefahr. Zwar konnte die Göttling-Elf kaum mehr für Entlastung sorgen, stand hinten aber vorzüglich. Spannung kam neun Minuten vor Schluss noch einmal auf, als der zur zweiten Hälfte eingewechselte Sepehr Nikroo seiner Mannschaft einen Bärendienst erwies und wegen eines Foulspiels zunächst Gelb sah, sich daraufhin beschwerte und gleich den zweiten Karton obendrauf bekam – Gelb-Rot (81.)!

TuS fehlt die Durchschlagskraft – „Nicht der Eric, den wir kennen“

Henrik Dettmann konnte zwischenzeitlich egalisieren und wird von Sven Möller in die Höhe gestreckt. Foto: KBS-Picture.de

Aber auch in Unterzahl brannte nichts mehr an. Stattdessen hatte Boock die dicke Chance, den Deckel endgültig drauf zu machen, als Thiessen ihn auf die Reise schickte. Gruhne war bereits geschlagen, doch Joe Warmbier kratzte den Chip von Boock von der Linie (89.). In der Nachspielzeit verletzte sich bei den Gästen auch noch Adrian Voigt in einem Duell an der Mittellinie, blieb minutenlang am Boden liegen und konnte nur gestützt von Teamarzt Jörg Fick den Platz verlassen. Hoffentlich keine allzu schlimmer Verletzung beim Neuzugang aus Ohe. Von dieser Stelle: Die besten Genesungswünsche! Speziell in der Offensive ist Dassendorf aktuell vom Pech gebeutelt: Kris Kurczynski nahm sich für das Topspiel mit seiner überflüssigen Roten Karte in der Vorwoche beim ungefährdeten 2:0-Erfolg über Condor selbst raus. Eric Agyemang war die letzte Zeit nicht nur beruflich sehr eingespannt, sondern plagte sich auch mit muskulären Problemen herum, die ihn derzeit weit von seiner Topform entfernt zeigen. Nach seiner Einwechslung in der 63. Minute, als Innenverteidiger Adam Hamdan vom Platz ging und Dassendorf alles auf eine Karte setzte, konnte er in der Schlussphase keinerlei Impulse setzen. „Er ist nicht der Eric, der er schon mal war, aber er wird es hoffentlich bald wieder sein“, sagte Schönteich anschließend.

„Victoria kann auch ohne Ebbers gewinnen!“

Doch nicht nur die Gäste mussten in der Offensive umbauen. Bei Vicky fiel ausgerechnet Top-Stürmer Marius Ebbers kurz vor Spielbeginn aus! „Er hat leichte muskuläre Schwierigkeiten und wird uns auch in der kommenden Woche nicht zur Verfügung stehen“, verriet Göttling. Allerdings nicht aufgrund der Verletzungsgeschichte. „Marius wird, wenn es die Gesundheit denn zulässt, an der Kleinfeld-Europameisterschaft teilnehmen.“ Einen kleinen Seitenhieb hatte Göttling aber noch parat. „Der SC Victoria gewinnt ein Spiel ohne Ebbers“, in Anlehnung an die Meinung einiger Beobachter, die Vicky von der Person Marius Ebbers abhängig sehen. Während Schönteich scherzhaft noch davon sprach, dass die Verteidigungsarbeit bei den zwei Gegentoren „einer Spitzenmannschaft absolut würdig war“, bilanzierte Göttling: „Wir haben ein sehr engagiertes und gutes Spiel gemacht, dafür, dass wir sieben Spieler auf dem Platz hatten, die 23 Jahre und jünger waren. Der Sieg geht absolut in Ordnung, da wir die Mehrzahl an hochkarätigen Chancen hatten. Aber ich habe dennoch selten ein Spiel gesehen, in dem Dassendorf aus so vielen Standardsituationen so wenig macht. Das ist eigentlich völlig untypisch für diese Mannschaft.“ Abschließend gab sein Gegenüber zu, dass es „nicht das Ziel des Plans war, dass wir nach acht Spielen genauso viele Punkte Rückstand auf die Spitze haben, wenn alles normal läuft und BU sein Spiel am Sonntag gegen Pinneberg gewinnt. Im letzten Jahr mussten wir zwar einen Neun-Punkte-Defizit aufholen, aber da waren noch nicht die absoluten Spitzenteams ganz oben. In diesem Jahr sind es die Favoriten.“