Matchglück: Für Vicky läuft's – Boock: „Die Rache bewahren wir uns fürs Rückspiel!“

AFC verliert nach Platzverweis zu Zehnt mit 0:2 an der Hoheluft

11. August 2018, 00:27 Uhr

Den Torschützen in die Mitte genommen: Die Teamkollegen jubeln mit Vickys Dennis Bergmann (Nummer zehn). Foto: Genat

Fußball ist kein Wunschkonzert. Und trotzdem hatte Jean-Pierre Richter da so eine kleine Hoffnung. „Ich hab' den Jungs gesagt, dass es mich für sie freuen würde, wenn nach dem Spiel in der Überschrift bei den FussiFreunden steht: Vicky kommt ins Rollen“, verriet der Coach des SC Victoria im Anschluss an die Begegnung mit Altona 93. Nun, ins Rollen kam Vicky nicht unbedingt, aber für die Gastgeber lief's im ältesten noch gespielten Stadtderby Deutschlands. Am Ende der 141. Auflage dieser Paarung hatte der SCV mit 2:0 die Nase vorn – und in den 90 Minuten zuvor eine gehörige Portion Matchglück gehabt.

Der Pechvogel des Abends hingegen hatte die Kapuze seines grauen Pullovers über den Kopf gezogen und guckte schon etwas missmutig aus der Wäsche. Vincent Boock hatte an der Partie alles andere als großen Spaß – und erlebte nur 39 Minuten auf dem Platz. Dann kam es zu einem Zweikampf im Mittelfeld, an dem Boock beteiligt war. Und urplötzlich hatte Schiedsrichter Florian Pötter (FC Voran Ohe) die Rote Karte in der Hand und zeigte sie dem Altonaer. Was passiert war? Nun, das wusste zunächst keiner so recht. Boock jedoch musste den Weg in die Kabine antreten – und brachte, so wie es zur Pause schon Altonas Torwarttrainer Fabrizio Tuttolomondo und AFC-Manager Andreas Klobedanz versucht hatten, später zumindest etwas Licht ins Dunkel.

Grubba: „Ich wurde noch nie von zwei Gegnern im Fünfmeterraum so angegangen“

Intervention zwecklos: Die AFC-Spieler und Coach Berkan Algan diskutieren mit Schiri-Assistent Mike Franke über die Szene vor dem 1:0. Foto: Gettschat

Den „carton rouge“ hatte der Ex-Teutone, der vor der Saison von der „Kreuze“ an die Griegstraße gewechselt war, offenbar wohl gesehen, weil er, nachdem er gehalten wurde, sich beim Losreißen zu sehr mit den Armen gewehrt hatte und unten auch noch ein aktiver Tritt in Richtung des Gegners erfolgt sein soll. „Ich habe den Kontakt nur vom Gegner beim Foul gemerkt. Dann hab ich mich losgerissen. Ich weiß nicht, wie ich nachtreten soll, wenn er hinter mir steht. Das ist aus meiner Sicht eine sehr unglückliche Szene. Aber alle Menschen machen Fehler, das kann auch dem Schiri passieren. Es ist natürlich bitter, dass sowas in einem Spiel passiert, in dem es um so viel geht. In meinen Augen ist die Karte auch nicht berechtigt“, erklärte Boock nach dem Abpfiff und wertete sein Ausscheiden als Knackpunkt für das AFC-Spiel: „Vicky ist im Zentrum stark. Wenn dir im Zentrum dann einer fehlt und du das System ändern musst, fällt das schon schwer ins Gewicht.“

Das gilt auch für die zweite umstrittene Szene des Spiels vor den 684 Zuschauern an der Hoheluf, die aus AFC-Sicht schwer ins Gewicht fielt: Es lief die 44 Minute des Spiels, als der Ball in den Strafraum der Altonaer flog und zunächst abgewehrt wurde. Doch das Leder blieb „heiß“, landete im Rückraum bei Dennis Bergmann und der versenkte die Kugel im Netz. Vicky jubelte. Altona protestierte. Denn: Beim ersten Abwehrversuch war Keeper Tobias Grubba attackiert worden und blieb verletzt liegen. Schiri Pötter ließ weiterlaufen, obwohl sein Assistent Mike Franke zunächst die Fahne gehoben hatte. Doch Sekunden später hatte Franke die Fahne auch schon wieder gesenkt. Eine zumindest unglückliche Entscheidung, vermutlich sogar eine Fehlentscheidung, den Treffer anzuerkennen. Doch der Unmut der Gäste nutzte nichts: Es ging mit einer 1:0-Führung für den SC Victoria in die Pause.

Richter: „Die Rote Karte für Boock war sicher ein Schlüsselfaktor“

Vorzeitiger Abgang: Altonas Vincent Boock (Mitte) sah noch vor der Pause die Rote Karte. Foto: Genat

„Da braucht man gar nicht viel sagen, viel klarer geht’s nicht. Ich wurde noch nie von zwei Gegnern im Fünfmeterraum so angegangen. Ein Knie bekomme ich in die Rippen, das andere geht gegen mein Knie. Das hab ich so noch nie erlebt. Dass er das nicht abpfeift ist – genau so wie die Rote Karte – ein Witz. Sowas respektloses wie das Schiri-Trio mit uns geredet hat, hab ich noch nicht erlebt und ich spiele schon ein paar Tage Fußball...“, sagte Grubba nach Spielschluss und ergänzte: „Wir haben es trotzdem ordentlich zu Ende gespielt. Man sieht sich im Rückspiel.“ Damit stieß Grubba genau ins Horn von Vincent Boock, der konstatierte: „Ich hoffe, der Schiri sieht sich das Spiel auf Video an und lernt aus seinen Fehlern. Vom Papier her hatten beide Mannschaften die gleiche Lage und einen ähnlichen Auftakt. Vicky hatte bisher zwei Niederlagen erlebt, wir eine. Jetzt sind wir punktgleich. Die Rache bewahren wir uns für das Rückspiel auf.“

Mit der Einschätzung, der AFC habe es auch nach dem Platzverweis und dem Rückstand nicht schlecht gemacht, lagen die Altonaer nicht falsch. Nachdem sich beide Mannschaften bis zum 1:0 für den SCV mehr oder minder neutralisierten und große Chancen kaum auf der Agenda standen, hinterließ der AFC auch zu Zehnt einen ordentlichen Eindruck und ließ nur noch einen weiteren Gegentreffer zu – den zweiten Einschlag von Dennis Bergmann: Nach einer wunderbaren Hereingabe von rechts stand Vickys Nummer zehn am zweiten Pfosten genau richtig, bekam die Kugel, nahm Maß und schweißte das Spielgerät zum 2:0 in die Maschen ein (70.). Danach gab es dann keinen Treffer mehr – auch weil André Monteiro Brancos überlegter Schlenzer in der Box nach 79 Minuten am oberen rechten Eck vorbei flog.

Algan: „Ich muss jetzt erstmal alles verdauen – das ist schon eine sehr heftige Kategorie“

Im Zweikampf: AFC-Kapitön Marco Schultz (re.) gegen Vickys Luca Ernst. Foto: Gettschat

„Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden, schließlich haben wir den ersten Sieg zuhause eingefahren und zu Null gespielt. Wir hatten uns nach den Rückschlägen der letzten Wochen viel vorgenommen und sind motiviert ins Spiel gegangen“; gab SCV-Coach Jean-Pierre Richter nach dem Match zu Protokoll, „leider hatten wir zunächst keinen Zugriff und konnten den Gegner nicht gezielt anlaufen. Altona hatte zunächst mehr vom Spiel.“ Insgesamt aber, so Richter weiter, habe man „gesehen, dass wir über 80 Minuten strukturiert, geordnet und geschlossen aufgetreten sind. Die Rote Karte für Vincent Boock war sicher ein Schlüsselfaktor. Mit einem Mann und dem 1:0 mehr hatten wir mehr Selbstvertrauen. In der zweiten Hälfte haben wir sehr dosiert gespielt und sind nicht zu viel ins Risiko gegangen.“

Um das Seelenleben von Richters Gegenüber war es nicht ganz so gut bestellt. „Ich sage nichts zu den beiden Szenen. Der Schiedsrichter hat immer Recht und wir Unrecht. Anscheinend hat er was gesehen, was ich nicht gesehen hab. Ich muss mich zusammenreißen. Schon gegen Niendorf gab es komische Entscheidungen“, erklärte Berkan Algan mit Blick auf die strittigen Momente. „Es kann nicht sein, dass ein Spieler in der Szene die Rote Karte sieht. Wenn ein Spieler sich losreißt, geht automatisch das Bein mit. Aber es war kein Tritt. Der Gegenspieler hält Vincent nach dem Pfiff fest, Vincent geht ja nicht hin und tritt ihn. Das ist Quatsch“; so der AFC-Coach. „Ich muss den Hut vor meiner Mannschaft ziehen. Sie hat wirklich gut gespielt und nach der Pause nur einen Konter zugelassen. Ich muss jetzt erstmal alles verdauen. Das ist schon eine sehr heftige Kategorie. Ich habe mich trotz allem zusammengerissen und gratuliere Vicky zum Sieg, Die haben alles richtig gemacht und wir alles falsch“, sagte Algan abschließend.

Jan Knötzsch 

Hier gibt's den LIVE-Ticker des Spiels zum Nachlesen!

Mehr zum Thema