LOTTO-Pokal

Mensch, Meier: Eilbeker „Knotenlöser“ sorgt für Niendorfer Desaster!

03. Oktober 2023, 17:20 Uhr

Ohne jeglichen Gegnerdruck kann Doppeltorschütze Nino Salinas Briones (Mi.) den Ball annehmen. Foto: Kormanjos

Er kickte in der Jugend für den Niendorfer TSV und schaffte einst auch am Sachsenweg den Durchbruch im Herrenbereich: Für Jan-Phillip Meier war das Pokal-Aufeinandertreffen mit seinem Ex-Club ein ganz besonderes Spiel. Seit 2019 geht der Angreifer nun schon für den SC Eilbek auf Torejagd – und durfte sich in der Vierten Runde auf ein Wiedersehen mit dem NTSV freuen. Und für den 29-Jährigen sollte tatsächlich ganz große Freude aufkommen. Denn der krasse „Underdog“ aus der Bezirksliga, der mit Dominik Ulrich (ehemals BU) und Hamilton Avila Garcia (ehemals FC Türkiye und FC Süderelbe) zwei ganz wichtige Leistungsträger ersetzen musste, kegelte den Oberligisten hochkant raus – auch dank Meier (alle Highlights im LIVE-Ticker)!

Die Begrüßung vor dem Spiel zwischen Eilbek-Coach Kerem Yildirim (li.) und NTSV-Trainer Ali Farhadi fiel sehr herzlich aus. Foto: Kormanjos

„Man weiß ja nie“, begründete Kerem Yildirim seine Entscheidung, am Ende der letzten Trainingseinheit noch einmal Elfmeter zu üben. „Da habe ich schon gezeigt, dass ich auf jeden Fall dran glaube. Und die Jungs haben bewiesen, dass sie es können“, strahlte der Cheftrainer des SC Eilbek übers ganze Gesicht. Zweimal behielten seine Mannen vom Punkt tatsächlich die Oberhand – allerdings nicht im Elfmeterschießen, sondern während der regulären 90 Minuten. Denn die reichten dem Nord-Bezirksligisten aus, um den Niendorfer TSV in absolute Schockstarre zu versetzen!

Knotenlöser löst Zwei-Klassen-Unterschied

Doch danach sah es in der ersten halben Stunde nicht aus. Überhaupt nicht! „Man hat gesehen, dass wir am Anfang sehr, sehr viel Respekt hatten. Die Jungs haben mit angezogener Handbremse gespielt, sind nicht richtig in die Zweikämpfe gegangen und waren auch nicht hellwach“, konstatierte Yildirim. Schon nach einer Viertelstunde vollendete Ante-Akira Kutschke einen Angriff über Lennard Speck und Ammat Janha zur bereits überfälligen Niendorfer Führung. Zuvor und auch in der Folge vereitelte der bärenstarke Patrick Krysiak im Eilbeker Gehäuse weitere Einschläge. „Dann hatten wir diese eine Aktion, die wir gleich genutzt haben. Das war der Knotenlöser. Danach waren wir wie befreit und die Jungs haben gemerkt, dass sie sich gar nicht verstecken müssen. Ein Zwei-Klassen-Unterschied war definitiv nicht mehr zu sehen. Die Jungs hatten Bock, haben mitgespielt und das Spiel noch in der ersten Halbzeit gedreht“, so Yildirim.

Genauer gesagt: Gleich zweimal düpierte der bereits angesprochene Jan-Phillip Meier den eklatanten Niendorfer Defensiv-Hühnerhaufen. Erst veredelte der Stürmer ein traumhaftes Zuspiel von Tim Bandahl im zweiten Anlauf und krönte den allerersten Offensivdrang der Hausherren (30.)! Dann war er nach einer wahnsinnigen Energieleistung von Sören Jantzer, der nach einem Hackenpass (!) von Nino Salinas Briones mit seinem Solo die komplette Hintermannschaft des NTSV narrte, zur Stelle – Spiel gedreht (44.)!

"Haben zu viele schlechte Fußballer in den Reihen"

An der Firchtestraße gelang den in Grün gekleideten Eilbekern die faustdicke Überraschung gegen den Oberligisten aus Niendorf. Foto: Kormanjos

Beim Gang in die Kabinen schimpfte Niendorf-Ersatztorwart Rene Melzer in Richtung Chefcoach Ali Farhadi: „Als ob ich A-Jugend-Spieler in der Verteidigung habe!“ Letzterer wiederum ließ in der Pause ein kurzes, aber nicht minder gewaltiges Donnerwetter folgen – und reagierte mit einem Vierfach-Wechsel. Das Problem: „Tatsächlich wurde es dann richtig schlecht. Gefühlt waren wir gar nicht in diesem Spiel.“ Bezeichnend: Das Vorhaben, die Wende herbeizuführen, erhielt nach nicht mal zehn (!) Sekunden den nächsten Dämpfer. Anstoß, Pass in die Spitze – und schon kam Melzer, der kaum einen Ball hielt, gegen Meier zu spät. Strafstoß! Diesen verwandelte Salinas Briones ganz sicher in die Mitte des Tores – 3:1 (47.)!

Doch damit nicht genug. Der in der Halbzeit für Speck, der noch mit der auffälligste Niendorfer war, eingewechselte Falk Gross schenkte dem SCE mit einem kapitalen Bock das vierte Tor. Wieder war Salinas Briones auf und davon, schlug gegen Fynn Huneke noch einen Haken und schoss aus 16 Metern links unten ein. 4:1 – unglaublich (65.)! Ein Niendorfer Aufbäumen? Fehlanzeige! „Am Ende haben wir einfach zu viele schlechte Fußballer in den Reihen, die so etwas nicht hinkriegen. Das ist einfach so. Du brauchst Qualität, damit du solche Spiele noch drehst – und die haben wir einfach nicht. Wir sind zu schlecht für sowas. Das ist Fakt. Wir können gute Spiele machen, wenn auch der Gegner was hergibt. Aber das ist der Unterschied zu anderen Mannschaften und der Grund, warum wir irgendwo im Mittelfeld rumgurken und in der Vierten Runde aus dem Pokal rausfliegen“, schimpfte Farhadi. „Und das ärgert mich, weil wir gut trainieren. Auch heute hatte ich nicht im Ansatz das Gefühl, dass das passieren wird. Wir spielen hier 30 Minuten lang auf ein Tor. Aber wenn man die Bälle vorne nicht reinmacht, durch zwei solche Konter in Rückstand gerät und dann auch noch so aus der Halbzeit rauskommt – das ist einfach schlimm und grausam. Wir müssen mal gucken, wie wir damit jetzt umgehen werden.“

"Diese Höhe hätte ich auf jeden Fall nicht erwartet"

Tim Bandahl (li.) sorgte mit seinen Standards und Zuckerpässen aus der Zentrale immer wieder für Gefahr. Foto: Kormanjos

Zwar staubte Marijo Saric nach einer Stafette über Linus Meyer und Leon Neumann noch zum 2:4 ab (81.). Großer Glaube an die Aufholjagd kam aber nicht mehr auf. Ganz im Gegenteil. In der Schlussminute steckte Bandahl für Kerem-Ali Caliskan, der zu schnell für Noah Katanga war, durch. Der Niendorfer kam zu spät, streckte den flinken Eilbeker als letzter Mann nieder und verursachte einen Elfer, den Enes-Yigit Tuzcu unter riesengroßem Jubel ganz souverän in die Maschen beförderte (90.)! Der Rest war Ekstase an der Fichtestraße!

„Respekt an meine Jungs. Ich bin so stolz auf die Truppe, dass sie so eine geile Leistung abgeliefert hat“, bejubelte Yildirim die herausragende Performance seiner Schützlinge. „Wenn man sieht, was wir abgeliefert haben, mit der Disziplin auf dem Platz, wie wir die Ketten verschoben und alles dicht gemacht haben, dann war das ein absolut verdienter Sieg. Niendorf hatte nur sehr wenig Ideen. Das hat mich überrascht. Auch wenn ich meiner Mannschaft wirklich sehr viel zutraue: Aber diese Höhe hätte ich auf jeden Fall nicht erwartet“, gestand der Eilbeker Erfolgsmacher.

"Das ist so brutal, arrogant und pomadig gewesen"

Niendorf-Coach Ali Farhasi gibt Linus Meyer (Mi.) und Marijo Saric in der Halbzeit Anweisungen. Foto: Kormanjos

Pure Freude auf der einen, riesengroßer Frust auf der anderen Seite. Nach dieser eklatanten Darbietung holte Ali Farhadi regelrecht zum Rundumschlag aus:“ Das ist so brutal, so arrogant und pomadig, wie wir hier aufgetreten sind. Bei allem Respekt vor Eilbek. Die kommen in der ersten Halbzeit zweimal in unseren Strafraum. Beide Male klingelt es. Das war einfach nur grausam, schlecht und schlimm, sich das mit anzusehen. Ich habe versucht, es in der Halbzeit nochmal anzusprechen. Aber scheinbar war heute jeder für sich selbst unterwegs und nicht wir als Mannschaft. Der Sieg von Eilbek geht absolut in Ordnung – das muss man ganz klar so sagen.“

"Schäme mich gerade, dass ich Trainer dieser Truppe bin!"

Nach gut 70 Minuten bekam der Eilbeker Doppeltorschütze und Elfmeter-Rausholer Jan-Phillip Meier (li.) unter Beifall seinen verdienten Abgang gegen den Ex-Club. Foto: Kormanjos

Einmal in Rage, legte Farhadi verbal nach: „Genau darum geht es im Fußball. Am Ende musst du einfach auch zusehen, dass du nicht in eine Arroganz und Selbstverliebtheit versinkst. Und das war der Fall. Du kannst nicht am Samstag so ein Bombenspiel in Altona hinlegen, dann kommst du hierher und hast eine Pflichtaufgabe zu erfüllen – und das kriegst du dann nicht hin. Schlussendlich haben wir richtig einen in die Fresse bekommen. Ich weiß selbst noch nicht, wie ich das einordnen soll. Denn ich bin momentan wirklich richtig schockiert und schäme mich gerade, dass ich der Trainer von dieser Truppe bin. Denn am Ende bin ich verantwortlich für diesen Scheiß. Anscheinend habe ich heute auch die falschen Entscheidungen getroffen.“

Autor: Dennis Kormanjos