Oberliga

Wedel „werkelt“ weiter am Wunder: „„Ich habe immer gesagt, dass ich daran glaube“

Ivanko-Elf besiegt Osdorf 3:0 und Wiehle lobt: „Es ist bemerkenswert, was sie seit dem Trainerwechsel geschafft haben“

03. Mai 2019, 23:38 Uhr

Auswärtsjubel am Blomkamp: Für die Spieler des Wedeler TSV rückt der Ligaverbleib näher. Foto: KBS-Picture.de

Da stand er also nun. Die Hände vor der Brust verschränkt, in eine dicke schwarze Trainingsjacke gehüllt und mit dem Rücken an die Werbebande neben seiner Trainerbank gelehnt. Soeben hatte Schiedsrichter Paul Dühring (SV Nettelnburg-Allermöhe) daas Oberliga-Spiel des TuS Osdorf gegen den Wedeler TSV (Hier gibt’s die Partie zum Nachlesen im Live-Ticker) abgepfiffen. Und jetzt regte sich Piet Wiehle, der Coach der Gastgeber keinen Millimeter, sondern starrte konsterniert nach vorn auf den grünen Kunstrasen und in den dunklen Nachthimmel über Osdorf. Einige Augenblicke verharrte Wiehle so – innerlich wohl nach Erklärungen für die 0:3-Niederlage seiner Mannschaft suchend. Dann raffte sich der TuS-Trainer auf und verschwand in Richtung Kabine.

„Wir hatten uns eine Menge vorgenommen – gerade, weil wir in den letzten drei Spielen nicht so erfolgreich waren und auch die Leistungen – abgesehen von der zweiten Hälfte gegen Curslack, die gut war – nicht so gut waren“, verriet Wiehle später und stellte dann nach einem kurzen Moment fest: „Ehrlich gesagt habe ich uns auch nicht schlecht gesehen. Es hat einfach nur der letzte Pass, die letzte Ballannahme oder die letzte Konsequenz gefehlt. In der ersten Hälfte waren wir nach vorne nicht so gut, hatten wenig Bewegung. Bis zum Sechzehner haben wir es gut gemacht.“ Aber eben nur bis zum Strafraum und nicht in der Box. Da war der Gast dann schon effektiver. „Die kommen ein Mal nach vorne, machen das Ding rein und du läufst einem 0:1 hinterher“, befand Wiehle mit Blick auf den Führungstreffer der Wedeler nach 15 Minuten durch Enzo Simon, der später verletzt vom Platz musste. „In der Halbzeit haben wir ein bisschen umgestellt. Ich fand, dass wir dann viel Ballbesitz hatten, gut kombiniert und gespielt haben. Aber uns hat das Quäntchen Glück gefehlt, das Ding auch mal über die Linie zu bekommen“, ärgerte sich Osdorfs Coach.

Wiehle: „Uns hat das Quäntchen Glück gefehlt, das Ding auch mal über die Linie zu bekommen“

Unter Druck gesetzt: Osdorfs Torben Krause (Mi.) sieht sich in diese Szene gleich zwei Wedeler Widersachern gegenüber. Foto: KBS-Picture.de

Und genau dieser letzte kleine Moment, der den Hausherren fehlte, war nach dem Seitenwechsel abermals auf Seiten der Gäste. Erst traf Daniel Diaz Alvarez nach 59 Minuten zum 2:0 für Wedel, dann erhöhte Kapitän Marlo Steinecke in der Schlussminute gar noch auf 3:0, was einen kollektiven Jubel der Elf von Coach Andelko Ivanko auslöste – inklusive der Ersatzspieler, die von der Bank in Richtung Torschütze und Teamkollegen sprinteten. „Die machen mit dem zweiten Schuss das zweite Tor und mit dem dritten dann den dritten Treffer“, fasste Pie Wiehle es nüchtern zusammen und trauerte zwei Gelegenheiten seiner Equipe durch Torben Krause (76.) und Antonio Ude (84.) nach: „Wenn der Freistoß oder der Schuss von Ude reingegangen wären, hätte es nochmal spannend werden können.“ Wurde es aber eben nicht. Dennoch: „Ich kann der Mannschaft nicht viel vorwerfen, weil wir uns über 90 Minuten super bemüht haben, ein vernünftiges Ergebnis zu erzielen. Ich kann also gar nicht enttäuscht sein. Die Leistung war okay, das Ergebnis ist allerdings scheiße“, stellte Wiehle fest und verriet: „Im Winter hätte ich keinen Pfifferling darauf gegeben, dass Wedel sich aus dem Keller arbeitet. Es ist bemerkenswert, was sie seit dem Trainerwechsel geschafft haben. Das muss man auch mal anerkennen.“

Elf Punkte betrug der Rückstand der Wedeler auf das rettende Ufer, als Ivanko die Mannschaft von seinem Vorgänger Daniel Domingo übernahm. Nach dem Sieg in Osdorf und der zeitgleichen Niederlage des SC Condor beim SC Victoria hat Wedel nun mit 29 Zählern drei Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz, den der HEBC (spielt am Sonntag um 10.45 Uhr gegen den Meiendorfer SV, Anm. d. Red.) inne hat, und sogar vier auf Condor und werkelt weiter fleißig am Wunder. Oder hat dies vielleicht sogar schon realisiert? „Ich würde nicht voreilig solche Aussagen tätigen. Ich weiß aber: Das war ein riesiger Schritt. Wir haben das Spiel nicht nur in einer Art und Weise überstanden, sondern es souverän und ordentlich gemacht, obwohl es danach am Anfang nicht ausgesehen hat. Aber das ist kein Zufall. Das ist unsere Spielweise und die schmeckt den Gegner nicht“, bilanzierte Ivanko, dessen (Fußballer-)Herz, erwärmt vom „Dreier“ schwärmte: „Wir haben fantastische Fußballer wie Jaques Rodrigues de Oliveira, dessen Kabinettstückchen die Zuschauer genießen. Oder Marlo Steinecke, dessen Antritt nicht viele sehen. Wenn man mich fragen würde: „Ich weiß gar nicht, ob ich aus der Liga irgendwen holen würde – auch wenn es ein Top-Fußballer wäre. Der würde wahrscheinlich nur stören.“

Ivanko: „Es ist ein Genuss dabei zu sein und Zeit mit den Jungs zu verbringen“

Enzo Simon (re.) eröffnete im ersten Durchgang den Torreigen für die Gäste aus Wedel. Foto: KBS-Picture.de

Denn: „Es passt bei uns einfach. Wir haben etwas aufgebaut“, sagt der Coach der nicht nur die elf Punkte Rückstand mit seinen Schützlingen wettgemacht hat, sondern sie wieder zu elf Freunden geformt hat – oder sogar mehr. „Es ist ein Genuss, dabei zu sein und die Zeit mit den Jungs zu verbringen, die bald zu Ende geht. Es ist viel Arbeit, es sind viele schlaflose Nächte, viele Gedanken im Kopf. Manchmal fahre ich nach dem Training von Wedel nach Hamburg, merke dann, dass ich fast zuhause bin und weiß nicht, was ich die letzten 15 Kilometer getan hab, weil ich so in Gedanken bin“, lachte Ivanko nach dem Schlusspfiff vor den 180 Zuschauern am Blomkamp. „Es macht mich stolz, dass es in so einer kurzen Zeit so funktioniert“, befand der 52-Jährige, der vor seinem Abgang zum SV Rugenbergen zur neuen Saison vermutlich als „Retter“ in die Geschichtsbücher des Wedeler TSV eingehen wird, wenn sich der Fußballgott nicht auf der Zielgeraden noch gegen die Elbestädter verschwören und alles schief gehen sollte.

„Ich habe immer gesagt, dass ich daran glaube“, verriet Ivanko, dass er von Anfang an an ein Verfechter der These war, dass Wedel am Ende der Serie über dem ominösen Strich stehen wird. „Es wäre arrogant, wenn ich sagen würde, dass ich immer Glück gehabt hätte. Ich bin mit dem TuS Hamburg drei Mal aufgestiegen und mit Croatia ein Mal. Das war ein ähnlicher Teamgeist wie hier. Ich lebe das bis in die Knochen. Wenn man so etwas ehrlich macht, dann merken das die Jungs. Es ist schwer, dass im Moment in Worte zu fassen. Das war ein riesiger Schritt“, so der Übungsleiter des Teams, das weiterhin den ersten Nichtabstiegsplatz inne hat, aber eben auch noch zwei Aufgaben vor sich hat: „Die Aufgaben gegen Cordi und BU müssen auch gemacht werden. Und ich bin sicher: Das werden wir machen!“ Dann wäre das Wunder von Wedel endgültig perfekt.

Jan Knötzsch