Der Mann mit dem goldenen Schuss: Wachter beendet Osdorfs „007“-Serie

TuS feiert gegen Billstedt einen späten 2:1-Erfolg

04. November 2017, 00:22 Uhr

Jeremy Wachter (re., hier beim Jubel mit Coach Piet Wiehle) avancierte zum entscheidenden mann für den TuS Osdorf. Archivfoto: noveski.com/Bode

Die Zahlen vor dem Heimspiel gegen den SC V/W Billstedt sprachen eindeutig gegen den TuS Osdorf. Null Siege und null Unentschieden, dafür aber sieben Niederlagen standen für die „Blomkampler“ in dieser Oberliga-Saison auf dem heimischen Kunstrasen bisher zu Buche. „007“ also. Wie die numerische Kennung des britischen Film-Agenten James Bond. Die Mission der Mannen von Trainer Piet Wiehle aber war keineswegs geheim: Der erste „Dreier“ vor eigenem Publikum sollte her – und genau dieses Unterfangen glückte den Hausherren beim 2:1-Erfolg auch, während sich Aydin Taneli nach dem Match im falschen Streifen wähnte...

„Ich verstehe bei so einem Spiel die Welt nicht mehr“, entfuhr es Billstedts Coach einige Augenblicke vor dem Schlusspfiff in Richtung seines Assistenten Frederik Jess. Taneli schüttelte dabei energisch den Kopf und schaute bedröppelt drein. Eine Gefühlsregung, die man dem Übungsleiter der Gäste in diesem Moment nicht verdenken konnte. Da hatte seine Elf am Blomkamp lange geführt, nahm diesen Vorsprung mit in die Kabine und auch weit in die zweite Halbzeit mit hinein – und am Ende standen die Kicker vom Öjendorfer Weg dennoch mit leeren Händen da. Weil Jeremy Wachter etwas dagegen hatte, dass V/W in der Fremde punktete. Der Stürmer der Osdorfer sollte eigentlich von Beginn an spielen, wurde dann aber doch noch aus der Startaufstellung gestrichen. „Er hatte sich zuletzt am Knie verletzt und es war nicht so wirklich sicher, ob da was am Meniskus kaputt ist oder nicht. Also wollten wir lieber erst einmal auf Nummer sicher gehen“, erklärte TuS-Trainer Piet Wiehle nach der Begegnung.

Ahmadi sieht nach dem Schlusspfiff die Rote Karte

"Glückwunsch, Trainer": TuS-Manager Cemil Yavas (re.) freut sich mit Übungsleiter Piet Wiehle. Foto: KBS-Picture

Dieses „auf Nummer sicher gehen“ sah letztlich so aus, dass Wiehle seinen Angreifer in der 64. Minute für Felix Schlumbohm aufs Feld schickte. Da lag Osdorf noch mit 0:1 im Hintertreffen. Wachter stand erst ganze acht Zeigerumdrehungen auf dem Platz, als er dort miterlebte, wie Torben Krause auf der linken Seite den Ball mit einer Flanke auf die Reise schickte. V/W-Keeper Tim Wiegand und Abwehrmann Jan Collet waren sich in der Mitte nicht einig und Melvin Bonewald profitierte davon. Ziemlich verwaist versenkte er am ersten Pfosten das Leder zum Ausgleich im Netz. Vier Minuten vor dem Ende schlug dann die Stunde des Jerry Wachter: Rund 20 Meter vorm Kasten der Gäste kam der Osdorfer Angreifer an den Ball und keiner der Billstedter hinderte ihn entscheidend daran, das Ziel anzuvisieren. Der Schuss Wachters nahm zwar nicht viel Tempo auf, aber es reichte trotzdem dafür, dass das Spielgerät an Wiegand vorbei in die Maschen rollte. Der Rest war Jubel – zumindest auf Osdorfer Seite. Und Frust bei den Gästen: Sandjar Ahmadi bedankte sich nach dem Abpfiff bei Schiedsrichter Benjamin Stello (SC Egenbüttel) dafür, dass dieser das Spiel kaputt gepfiffen habe. Konsequenz: die Rote Karte!

„Das war dumm von ihm. Das muss er nicht machen“, konstatierte V/W-Coach Taneli im Anschluss an die Partie und erklärte: „Diese Niederlage tut nicht nur mir, sondern auch der Mannschaft richtig weh. Das hat man gerade in der Kabine gemerkt. Wir müssen das jetzt wegstecken und wieder aufstehen. Mehr, als unsere Lehren aus dieser Niederlage ziehen, können wir jetzt nicht mehr tun. Dass es hier schwierig wird, war uns allen vorher schon klar. Aber es ist schade, dass man mit einer 1:0-Führung und einem eigentlich guten Spiel unsererseits am Ende doch als Verlierer dasteht.“ Osdorf habe, so Taneli weiter, „mit vielen langen Bällen gespielt. Das wussten wir auch vorher schon. So spielt der TuS Osdorf nunmal. Fußballerisch waren sie kaum in der Lage, uns Paroli zu bieten. Aber sie haben mit Kampf und einer Portion Extrawillen das Spiel drehen können. Ich verstehe nicht, warum wir es einfach nicht hinkriegen, dass wir in allen Lagen kompakt und stabil stehen.“ Letztlich habe seine Mannschaft „es unclever gemacht. Wir hätten die Begegnung anders gestalten sollen, vielleicht mal über Freistöße Ruhe ins Geschehen bringen und das Spiel von unserem Tor wegkriegen müssen. Wir dürfen einfach nicht so nervös werden und den Ball nach vorne dreschen, so dass er schnell wieder zurückkommt. Da müssen wir einfach noch mehr Cleverness an den Tag legen“, resümierte Taneli.      

Taneli: „Ich verstehe nicht, warum wir nicht in allen Lagen kompakt und stabil stehen“

Nachdenkliche Miene: V/W-Trainer Aydin Taneli war nach dem Schlusspfiff mächtig enttäuscht. Archivfoto: noveski.com

Völlig schlecht aber, so viel steht fest, trat V/W am Blomkamp keineswegs auf. Zwar hatten die Hausherren in Person von Torben Krause (3., Wiegand klärte per Faustabwehr nach einem Freistoß), Prince Hüttner (15., am langen Pfosten vorbei) und erneut Torben Krause (22., per Freistoß drüber) zunächst mehr Chancen, dennoch aber ging Billstedt in Führung: Oliver Kunkel eroberte in der eigenen Hälfte vor der Ersatzbank den Ball im Zweikampf, spielte Evailton Fernandes an. Der hätte die Kugel leicht und locker wieder auf den Flügel zum durchgestarteten Kunkel passen können, entschied sich aber dafür, im Zentrum Volkan Al zu bedienen. Al wiederum trieb den Ball ein paar Meter weit, passte dann erneut auf Fernandes – und der umkurvte schließlich TuS-Torwart Claus Hencke und schob zum 1:0 für das Taneli-Team ein (25.). Osdorf antwortete mit einem Torben Krause-Freistoß (33.), Maximilian Meijer-Werners Schuss übers Tor (34.) sowie Hüttners Pass in den Strafraum, den Collet kläre konnte. Dann brachte Furkan Gökmen im Billstedter Strafraum Hüttner zu Fall. Schiri Stello entschied auf Strafstoß, doch Torben Krause scheiterte vom Punkt aus an Wiegand (38.).

Im zweiten Durchgang spielte bis auf einige wenige Ausnahmen eigentlich nur noch Osdorf nach vorne. Die Hausherren drückten nach und nach mehr und mehr auf den Ausgleich. Zunächst ohne Erfolg: Hüttners Schuss nach 52 Minuten landete in den Armen von Wiegand, Tim Jobmanns Kopfball knallte an die Latte (58.). Für den Gast vergab zunächst Fernandes aus spitzem Winkel (58.), dann ließ Hamid Zazai nach einem Doppelpass mit Al die große Gelegenheit zum 2:0 aus, als er nach 62 Minuten an Hencke scheiterte. Der TuS wiederum traf durch Bonewald den Pfosten (66.) und vergab durch Torben Krause (69.), ehe schließlich doch noch der Ausgleichs- und dann der späte Siegtreffer fielen. „Wichtig ist, dass wir drei Punkte geholt haben, alles andere interessiert mich einen Scheiß“, freute sich Osdorfs Übungsleiter Piet Wiehle im Anschluss an das Match, „es ist umso schöner, dass ausgerechnet Jerry, der eigentlich ja von Anfang an spielen sollte, das letztlich entscheidende Tor macht.“ Sein Team, so beschied Wiehle, habe „losgelegt wie die Feuerwehr. Aber der Ball wollte einfach nicht über die Linie, dann macht Billstedt aus der ersten Möglichkeit das 1:0 und uns hat eine kleine Schockwelle erfasst. Trotzdem habe ich bis zur Halbzeit mehr Chancen für uns gezählt.“

Wiehle: „Wir hätten das Spiel früher entscheiden können, aber letztlich ist es egal, wann das Tor fällt“

In der Pause, so Wiehle weiter, „habe ich den Jungs gesagt: Wenn wir dieses Spiel verlieren, dann nur, weil wir uns selbst schlagen. Dass uns am Ende die Zeit wegläuft und wir erst spät das 2:1 machen, darüber will ich mich nicht beschweren. Wir hätten das Spiel früher entscheiden können. Letztlich ist es aber egal, wann das Tor fällt. Wichtig ist, dass wir den ersten Heimsieg eingefahren haben.“ In der Zeit vor dem Ausgleich und dem Treffer zum 2:1 aber „haben wir statt selbst zu schießen, die Verantwortung zu oft weitergegeben mit Pässen in die Mitte. Wir haben im Abschluss immer die falschen Entscheidungen getroffen“, erklärte Wiehle und ergänzte in seiner Analyse der Partie: „In der zweiten Halbzeit war es dann ein Spiel auf ein Tor. Nur der Ball wollte erst einmal weiterhin nicht rein gehen. Nach dem 1:1 hatten wir dann alle Möglichkeiten auf unserer Seite, weil wir viel präsenter waren.“ Sprach's und begab sich in Richtung seines Teams. Zum Feiern, versteht sich. Nicht allerdings ohne den Hinweis, dass „das Bier nach diesem Sieg ganz besonders gut schmecken wird.“

Jan Knötzsch  

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