„Graue-Maus-Fußball“ war gestern – „hier ist ordentlich Qualität im Schuppen“!

Niendorf schießt Teutonia ab und träumt von mehr

08. Oktober 2017, 21:21 Uhr

Adam Benn (2. v. li.) springt dem Schützen zum 1:0, Tim Krüger, vor lauter Freude in die Arme. Foto: Damm

Fußball kann manchmal so einfach, aber eben auch so paradox sein. „Wir haben eine halbe Stunde lang nicht einen Ball aufs Tor bekommen und selbst zwei, drei glasklare Torchancen. Wenn wir die machen, sehen die Fragen ganz anders aus. Aber so wird vom schlechtesten Spiel gesprochen“, entgegnete Teutonia 05-Coach Sören Titze nicht ganz zu Unrecht auf die Frage, ob der Auftritt beim Niendorfer TSV der bis dato schwächste in dieser Saison war. „Klar, wenn du die Tore nicht machst, musst du dir diese Fragen gefallen lassen“, fügte er an – und hatte mit seiner Einschätzung absolut recht.

Das 1:0: Tim Krüger bezwingt Mirko Oest mit seinem strammen Schuss aus der Drehung. Foto: Damm

„Wir haben heute etwas gesehen, was eigentlich der beste Beweis dafür ist, dass in Niendorf nicht nur ‚Graue-Maus-Fußball‘ gespielt wird, sondern dass hier wirklich Qualität im Schuppen ist!“ Graue Maus war am Sachsenweg offenbar gestern, Top-Team ist heute. „Wir sind nicht von null auf 100 durchgestartet, sondern haben eine Entwicklung hinter und auch noch vor uns, in der wir knallhart gearbeitet und alles dafür getan haben, dass es irgendwann so aussieht, wie es nun aussieht“, stellte Trainer Ali Farhadi fest. Denn seine Niendorfer sind nach dem überraschend deutlichen 3:0-Erfolg über den FC Teutonia 05 in der absoluten Spitzengruppe der Oberliga dabei und können mit einem Spiel mehr in der Hinterhand sogar den zweiten Tabellenplatz einnehmen. „Wir hatten 20 Minuten, in denen Teutonia durchaus in Führung gehen kann. Dann läuft so ein Spiel vermutlich ganz anders“, erklärte Farhadi, dessen Elf in der ersten Halbheit fast schon mehr Glück als Verstand hatte. Ein Freistoß von Gerrit Pressel an den Pfosten und drei absolute Hochkaräter der Marke „Den muss er eigentlich machen“ von Aytac Erman hätten Teutonia auf die Siegerstraße bringen können, wenn nicht gar müssen. T05-Co-Trainer Matthias Reincke war sich zu jenem Zeitpunkt sicher: „Geduldig bleiben, gleich klingelt es!“ Stattdessen kamen die Hausherren in Minute 33 das allererste Mal vor das Gehäuse der 05er und schon musste Mirko Oest den Ball aus dem Netz holen.

"Das haben wir uns selbst zuzuschreiben"

Timo Ehlers (li.) kommt zu spät, als Ante-Akira Kutschke zum Schuss ausholt und das 2:0 besorgt. Foto: Damm

Einen Eckball von Nico Kukuk verteidigten die Gäste ganz schlecht. Die Kugel landete im Rückraum bei Tim Philipp Krüger, der aus 15 Metern Maß nahm und halbhoch ins rechte Eck einschweißte! Und nur wenige Zeigerumdrehungen danach: Einwurf Necati Agdan auf der linken Seite, Kevin Trenel nutzte das halbherzige und passive gegen den Ball arbeiten der Teutonen, bediente Ante-Akira Kutschke – und dieser zog erst gen Zentrum, dann aus 23 Metern einfach mal ab. Wieder hatte Oest das Nachsehen – denn der Schuss schlug im linken unteren Toreck ein (37.)! Zweiter Angriff, zweites Tor: welch eine Ausbeute der Farhadi-Schützlinge! „Die Gegentore ärgern mich ungemein“, beklagte Titze die schlechte Defensivarbeit. „Erst ein Eckball, den wir eigentlich schon geklärt hatten. Dann sind wir nach einem Einwurf nicht wach, obwohl wir mit drei Mann dran sind. Das haben wir uns selbst zuzuschreiben.“ Dabei: „Wenn’s gut läuft, kannst du auch 2:0 führen. Stattdessen gehen die mit zwei gar nicht herausgespielten Chancen mit 2:0 in die Halbzeit – das ist auch eine Qualität.“

Der Joker sticht: Mit Speck fängt man graue Mäuse

Der Assistent hat gesehen, wie Aytac Erman - mit seiner vierten Top-Chance - den Ball mit dem Arm ins Tor bugsiert. Kein Treffer! Foto: Damm

In der Schlussminute des ersten Durchgangs kam dann auch noch Pech hinzu, als der immer wieder sehr unglücklich agierende Aytac Erman einen Freistoß wohl mit der Hand über den herausstürzenden Marcel Kindler hinweg in die Maschen beförderte. Der Unparteiische gab den Treffer zunächst, doch nach wilden Protesten der Niendorfer und kurzer Beratung mit seinem Assistenten ging es mit einem Freistoß für den NTSV weiter. Ein kurioser erster Abschnitt, der den Spielverlauf eigentlich auf den Kopf stellte. Doch das sollte sich nach Wiederanpfiff ändern. Die „Kreuzkirchler“ gingen nun ein höheres Risiko, kamen aber kaum mehr zwingend vor das Niendorfer Tor. Vielmehr ergaben sich nun etliche Räume und allerbeste Konterchancen für die „Sachsenwegler“. Erst vergab Agdan eine dieser Situationen nach einem tollen Solo zuvor (69.), dann traf der starke Kevin Trenel nur den Pfosten, ehe der eingewechselte Malte Wilhelm den Nachschuss aus allerkürzester Distanz ebenfalls nicht im Kasten unterbringen konnte, sondern an Timo Ehlers‘ Rettungstat hängenblieb (71.). Wenige Augenblicke zuvor ließ der in die Partie gekommene Isaac Akyere die große Chance auf den Anschlusstreffer leichtfertig verstreichen, als er eine Hereingabe von Veli Sulejmani kläglich ins Niemandsland jagte (70.).

"Ein geiles Spiel - das hat richtig viel Spaß gemacht!"

Unbändiger Jubel bei Lennard Speck nach dessen Treffer zum 3:0. Foto: Damm

Knapp zehn Minuten vor Ultimo war es dann soweit – und wieder war ein Einwurf Ausgangspunkt. Dann legte Trenel von links uneigennützig quer und der gerade einmal 180 Sekunden auf dem Platz befindliche Lennard Speck vollendete zum 3:0 unter die Latte (79.)! Für die Gäste wurde es nun richtig bitter und hätte am Ende sogar noch deutlicher werden können, wenn Speck nach einem ruhenden Ball von Adam Benn, den erneut Trenel per Kopf gekonnt ablegte, das vierte Tor für die Hausherren markiert hätte (83.). „Wir haben über die ganze Saison immer mal wieder gute Phasen gehabt. Mal eine Halbzeit lang, mal 30 Minuten – aber dass wir ein Spiel hatten, wo ich der Meinung bin, dass ist insgesamt richtig gut, das habe ich noch nicht gesehen“, so Titze, der über die Darbietung in den ersten 45 Minuten gar nicht mal böse sein kann. Vielmehr aber über das, was nach der Pause nicht mehr da war. Ganz im Gegensatz dazu kann in Niendorf nun geträumt werden. „Ein geiles Spiel – das hat richtig viel Spaß gemacht!“, jubelte Farhadi – und hatte dann noch eine kleine Spitze parat: „Wir haben jetzt zwei Auswärtsspiele gegen Türkiye und Dassendorf, die mit Sicherheit schwieriger werden als gegen einen Aufsteiger wie heute.“ Hört, hört. Am Sachsenweg wächst das Selbstvertrauen von Sieg zu Sieg. Der heutige war bereits der siebte in den letzten acht Partien. So langsam kann angefangen werden, zu träumen – auch wenn Farhadi das den Offiziellen überlassen wollte…

Autor: Dennis Kormanjos