Ein Club mit Krise, ein Schiri mit Angst und ein Verein ohne Trainer

Abpfiff – Die FussiFreunde-Kolumne

05. Dezember 2018, 17:46 Uhr

Foto: KBS-Picture.de

Ab sofort greifen wir an dieser Stelle unter dem Titel „Abpfiff“ in unserer Kolumne wieder die Geschehnisse des Wochenendes und die wichtigsten Themen der vorangegangenen Woche im Hamburger Fußball auf und kommentieren diese. Dieses Mal geht es um die Krise bei Concordia, den Umgang mit der „Personalie Richter“ und einen Schiedsrichter, der das Handtuch wirft.

Zuletzt ging es an dieser Stelle vermehrt um die, die man gemeinhin als die „Männer in Schwarz“ bezeichnet. Oder genauer gesagt: Darum, dass sie für manche zum „schwarzen Schaf“ wurden. Die Rede ist von den Unparteiischen in Hamburg oder vielmehr um die Attacken auf selbige – sei es nun verbal oder körperlich. Nun also hat es einen von ihnen „erwischt“: Nein, es ist gottlob nicht schon wieder eine Situation passiert, in der ein Schiri nicht nur Schelte sondern Schläge abbekommen hat. Aber: Mit Mike Franke hat nun ein Spielleiter die Segel gestrichen. Via „Facebook“ erklärte Franke in der vergangenen Woche, dass er „die Pfeife für den VSA (Verbands-Schiedsrichterausschuss, Anm. d. Red.) an den Nagel hängt.“ Per sofort! Ausgerechnet Franke – anno 2015 nach dem Landesliga Hansa-Spiel zwischen dem Bramfelder SV und Dersimspor selbst Opfer von Gewalt wurde.

Eine Entscheidung, die nachvollziehbar ist – und mahnendes Beispiel zugleich

Saß am Samstag nicht mehr auf der Vicky-Bank: Jean-Pierre Richter. Foto: Bode

„Ein Mensch kann verzeihen, aber nie vergessen“, ist Frankes Statement überschrieben. „Die fehlende Wertschätzung und das vermehrt aggressive Verhalten auf dem Feld haben mich dazu bewegt. Da ich nicht das Gefühl habe, in Zukunft ohne Angst auf das Spielfeld zu gehen, macht es für mich keinen Sinn mehr, die Tätigkeit in Hamburgs höchsten Klassen als Schiedsrichter auszuüben“, teilt Franke mit. Er wolle, ‚so Franke weiter, „nicht noch einmal Opfer einer solchen Tat werden.“ Es ist ein Schritt, den man nachvollziehen kann – und einer, der zugleich Warnung und mahnendes Beispiel ist. Dass zwischen der Attacke auf Franke und seiner Erklärung eine weite Zeitspanne liegt – kein Grund, die Worte weniger ernst zu nehmen oder dem Unparteiischen irgendeinen Vorwurf bezüglich seiner Entscheidung zu machen. Manches hängt einem eben lange nach und kommt irgendwann ganz plötzlich wieder an die Oberfläche, wenn es einen Auslöser (hier: die zuletzt vorgefallenen Attacken auf andere Referees) gibt.

Keine glückliche Figur, das darf man schon attestieren, gibt in Bezug auf die Gesamtthematik Christian Soltow ab. Man darf es zumindest als schade einordnen, dass sich der VSA-Vorsitzende auf FussiFreunde-Anfrage nicht äußern möchte. Keine Worte zu Franke, keine Worte zu den Attacken, keine Worte zu den Strafen, die das Sportgericht ausgesprochen hat. Soltow vergibt die Chance, sich vor seine Referees zu stellen. Man darf die Urteile, die zum Beispiel im Falle des abgebrochenen Spiels zwischen der Vereinigung Tunesien und dem Harburger SC ausgesprochen worden sind, durchaus als zu lasch einordnen. Es ist interessant, dass dies statt Soltow mit „Drago“ Vollmers ein Schiri, der nicht mehr im VSA pfeift, öffentlich am Montag in der Sendung „Kalles Halbzeit im Verlies“ getan hat. Und zwar deutlich. Ein Satz übrigens sei noch erlaubt: Zuletzt wurde die Presse, die – ohne wertend zu werden – über Äußerungen von Trainern gegenüber Spielleitern berichtete, pauschal kritisiert. Die Berichterstattung sei „anti Schiris“. Ein solches Urteil ist zu kurz gedacht. Und die Männer in Schwarz von vornherein oder immer wieder in die „Opferrolle“ zu packen, bringt auch wenig. Mehr Verständnis auf allen Seiten ist gefragt.

Wenn der Druck irgendwann einfach zu groß wird

Hängt seine Pfeife an den Nagel: Mike Franke (li., hier mit Lohbrügge-Trainer Sven Schneppel). Foto: Bode

Verständnis haben darf oder sollte man auch dafür haben, dass Jean-Pierre Richter am vergangenen Samstag beim Gastspiel des SC Victoria bei der TuS Dassendorf nicht auf der Vicky-Bank saß. Die Konstellation, mit dem Noch-Team beim künftigen spielen zu müssen, ist allein schon Herausforderung genug. Dass die TuS den Wechsel Richters noch vor dem direkten Duell verkündet hat, war nicht unbedingt die förderlichste Variante. Obendrein die Tatsache, dass es, auch wenn Ronald Lotz es nach außen vorm Heimspiel gegen Niendorf anders verkaufte, zwischen „JPR“ und dem Vicky-Boss in der Kommunikation und menschlich nicht mehr ganz stimmte – es war schon ein ganz schöner Rucksack, den der Coach da in den letzten Tagen und Wochen mit sich herumgeschleppt hat. Zudem noch die immer realer werdende Erkenntnis bei Richter, dass er sein Team, zu dem er eine enorm enge Bindung hat, verliert und die ständigen medialen Anfragen. Dass der Druck da irgendwann zu viel und zu groß wird, ist nur menschlich. Es ist am Ende „nur“ Oberliga-Fußball – und der Mensch geht vor.

Kommen wir anschließend zu Concordia. Wer es bislang noch nicht wahrhaben wollte, der hat spätestens seit dem letzten Sonntag und der herben 1:6-Klatsche beim SC Condor Klarheit: Cordi ist anno Dezember 2018 ein Abstiegskandidat und bei weitem kein Regionalliga-Anwärter. Da kann Präsident Matthias Seidel noch so oft und offen von der Vierten Liga träumen. Von derartigen Sphären trennen den Club vom Bekkamp Welten. Die Gründe? Vielschichtig. Es geht damit los, dass Coach Frank Pieper-von Valtier im Kader mit „Altlasten“ aus der Ära Daniel Domingo und der Ära Florian Gossow arbeiten und zurecht kommen muss. Ein Versäumnis, das auch Seidel selbst mitzuverantworten hat. Er hat schließlich beide an Bord geholt und auf dieses Pferd gesetzt – jeweils aufs falsche, wie auch er nun weiß.      

Offen eingestandene Fehler, aber offenbar kein Lerneffekt

Seidel selbst gibt dies sogar umumwunden zu. „Der Kader trägt am wenigsten die Spuren von Frank Pieper-von Valtier selbst – das haben wir unterschätzt. Wir haben ihm Dinge vorgegeben, die er hinnehmen muss“, sagte der Cordi-Präsident unlängst vor der FussiFreunde-Kamera und gestand auch freimütig ein, Cordi sei – wenn man sich die gesetzten Ziele und den Status Quo betrachte, eine Enttäuschung. Es trage jeder einzelne – ob nun Trainer oder Vorstand – die gleiche Verantwortung für die Situation: „Es sind viel Rädchen, die nicht zusammenspielen.“ Schlau geworden aber ist man bei Cordi aus den Fehlern offenbar nicht. Stichwort Manager-Suche: Ein neuer Mann, der jetzt im Winter den Kader plant, ist nicht vorhanden. Finden möchte man einen, der „zu unseren hochgesteckten Zielen passt“ (O-Ton Seidel). Dass man ihn bislang nicht gefunden hat „ist nicht problematisch. Ich bringe mich ein. Es wäre fatal, einen Manager zu suchen, nur um die Oberliga-Saison über die Bühne zu kriegen.“ Noch fataler allerdings wäre es, wenn der künftige Mann viel zu spät anfangen und planen müsste. Dann vielleicht ja schon für die Landesliga...

Jan Knötzsch