Landesliga Hammonia

Ungewollter HR-Betriebsunfall – Heiko Barthel ist „sprachlos“ und „schockiert“ zugleich!

06. Mai 2023, 18:20 Uhr

Ungläubige Miene bei Führungstorschütze Jannik Arnold. Als wolle er fragen: "Wollen wir - oder wollen wir nicht?" Foto: KBS-Picture.de

Unverhofft kommt oft. Aber die Chance, die sich der SV Halstenbek-Rellingen urplötzlich auftat und bot, kam schon nicht mehr unverhofft, sondern aus dem kompletten Nichts! Oder anders gesagt: Wie die Jungfrau zum Kinde. Im „Schneckenrennen“ der Hammonia-Staffel um den zweiten Platz bekam der HSV Barmbek-Uhlenhorst am Freitagabend nach einer „desolaten Mannschaftsleistung“ und einem „leblosen Auftritt“, wie es auf den eigenen Social Media-Kanälen hieß, wofür man sich sogar bei den eigenen Anhängern entschuldigte, eine 2:5-Klatsche beim SC Nienstedten. Damit hatte es HR – in den Planungen für die kommende Saison voll auf die Landesliga fokussiert – nun wieder in der eigenen Hand. Unverhofft kommt manchmal eben doch oft...

Das 1:0: Jannik Arnold (re.) hat nach einer Eckenvariante keine Mühe mehr. Foto: KBS-Picture.de

„Ich nehme die Glückwünsche zum Sieg und dazu, dass wir Zweiter geworden sind, entgegen. Über alles andere bin ich sprachlos“, entgegnete HR-Coach Heiko Barthel auf Nachfrage. „Ich habe mich bis zum gestrigen Abend überhaupt nicht mit diesem Thema beschäftigt. Ich wusste nicht mal, dass schon am Mittwoch ein Spiel anstehen könnte. Eigentlich wollten wir in der nächsten Woche mit den Nachwuchsteams hier auf der Wiese ein wenig Vereinsförderung betreiben“, verriet der 48-Jährige. Stattdessen könnten seiner SV Halstenbek-Rellingen nach dem 3:0-Erfolg über den SCP (alle Highlights im LIVE-Ticker) zwei richtungsweisende Spiele im Kampf um den Oberliga-Aufstieg ins Haus stehen.

"Bin wirklich schockiert darüber, dass BU das vermasselt hat"

Das 2:0: Marvin Schramm (re.) schädelt eine lange Nabizada-Ecke zur Vorentscheidung ein. Foto: KBS-Picture.de

„Man hat es jahrelang auf Krampf versucht. Dann haben wir gemeinsam irgendwann erkannt, dass wir erst einmal die Strukturen dafür schaffen müssen, damit HR überhaupt wieder an die Oberliga denken kann. Der Name steht ja immer noch da – und ist so ein bisschen wie ein Traditionsverein in der Bundesliga. Die momentane Situation sieht aber nicht nach Oberliga aus, weil das Drumherum noch fehlt und wachsen muss. Auch vom Kader her sind wir gar nicht darauf vorbereitet“, musste Barthel mit sich ringen – und wusste zunächst „gar nicht, was ich sagen soll“. Vielmehr machte er keinen Hehl daraus, „wirklich schockiert darüber zu sein, dass BU es am gestrigen Abend vermasselt hat“.

Er habe „keine Ahnung, was das jetzt alles soll und wird“, habe er einzig und allein auf einen erfolgreichen Saison-Abschluss im letzten Heimspiel gehofft. Und auf einmal steht man mit mindestens einem Bein in der Oberliga. „Wir haben ganz klar gesagt, dass wir es nicht so machen wie BU, die unbedingt wollten und dann fünf Dinger kriegen. Wir wollten nicht das Gespött werden“, ging man mit der notwendigen Ernsthaftigkeit ins Spiel – obwohl nicht nur Barthel, sondern auch ein Großteil der Spieler, ein weiteres Jahr in der Landesliga bevorzugt hätten. „Wir trainieren seit fünf Wochen nur noch einmal. Wir machen gar nichts mehr, haben komplett runtergefahren, es ausklingen lassen und betreiben gerade eher einen ‚Freizeitpark-Kick‘. Aber seitdem gewinnen wir alles. Ich habe wirklich alles probiert, dass wir Spaß haben. Den haben wir auch. Aber dass dann andere Mannschaften nicht mitspielen, das hatte ich nicht auf dem Zettel“, witzelte der HR-Übungsleiter.

HR entscheidet Spiel früh - SCP verabschiedet Keeper Haerting

Marvin Schramm (Mi.) zeigt es an: Nach dem 3:0-Sieg seiner SVHR über Poppenbüttel könnte der Weg nach oben in die Oberliga führen. Foto: KBS-Picture.de

Zum Spiel: Obwohl Heiko Barthel nach 20 Zeigerumdrehungen einmal laut werden musste („Wer ist jetzt der Kapitän oder Anführer auf dem Platz? Ich höre nichts!“), marschierten seine Mannen schon früh in Richtung Vize-Meisterschaft. Jannik Arnold veredelte eine kurz ausgeführte Eckenvariante, die beinahe noch ein zweites Mal geklappt hätte, über Omar Nabizada und Sergio Batista Monteiro ohne jegliche Gegenwehr – 1:0 (5.)! Marvin Schramm verdoppelte den Vorsprung nach einer Nabizada-Ecke, die Jan-Philipp Haerting verpasste, per Kopf (34.)!

Apropos „JPH“: In der 70. Spielminute wurde der Keeper des SC Poppenbüttel unter tosendem Beifall ausgewechselt. Grund: Haerting wird seine aktive Laufbahn beenden. Auf einem großen Banner in der „eigenen“ Fankurve hieß es: „Eine Legende geht in Rente! Tschüss, Haerting!“ Jeder einzelne Mitspieler herzte den 34-Jährigen, mit dem ein echter Typ die Hamburger Amateurfußball-Bühne verlassen wird.

"Zum Glück ist die Saison zu Ende, sonst wären wir noch Meister geworden"

Von seinem eigenen Anhang wurde Poppenbüttel-Keeper Jan Haerting gebührend in die "Fußball-Rente" verabschiedet. Foto: KBS-Picture.de

Seine Teamkollegen hätten ihrem scheidenden Schlussmann zu diesem Zeitpunkt längst einen noch schöneren Abschied bescheren und bereiten können. Denn nach Wiederanpfiff kam der SCP zu guten Einschussmöglichkeiten. Der eingewechselte Louis Mandel verzog haarscharf (55.), ehe zunächst Bill Hittig nach einer Ecke am Außenpfosten scheiterte und Moritz Mandel direkt im Anschluss unbedrängt drüber zielte (59.). Auch Stefan Winkel hätte für den Anschluss sorgen können, traf den Ball auf dem holprigen Geläuf freistehend aber nicht voll (69.).

Und HR? Der neue Tabellenzweite der Landesliga Hammonia spielte seine Konter lange äußerst schlampig und ohne die nötige Schärfe aus. Doch dann profitierte man von einem der vielen kapitalen Fehler im Aufbau der Gäste. Dominik Füßmann steckte auf halbrechts für Batista Monteiro durch. Dieser vollstreckte ins lange Toreck – 3:0 (84.). HR „muss“ in die Aufstiegsspiele! „Wir sind nicht in diese Partie reingegangen, um zu gewinnen und dann in der Oberliga zu landen“, gestand Barthel. „Wir hatten in dieser Saison den einen oder anderen schwierigen Charakter und divenhaftes Gehabe bei uns in der Mannschaft. Dann haben wir uns von denen getrennt – und mit einmal sind wir in diesem Lauf drin und eine Mannschaft geworden. Das ist ja genau der Grund, warum Alsterbrüder den Durchmarsch gemacht hat. Es war nicht zu erwarten, dass wir die Saison letztendlich ‚nur‘ zwei Punkte hinter denen beenden werden. Zum Glück ist die Saison jetzt zu Ende, sonst wären wir noch regulär Meister geworden“, flachste Barthel, der immer wieder nach den richtigen Worten suchte – und mit sich kämpfte.

"Wir vom Vorstand würden nie eine Bremse einlegen"

Ein Blick, der mehr als 1000 Worte sagt: HR-Coach Heiko Barthel sieht den Verein noch nicht für die Oberliga gewappnet. Foto: KBS-Picture.de

„Eigentlich muss ich mich dafür entschuldigen. Es ist fast so wie bei Tornesch damals – ein Betriebsunfall“, so Barthel, der zu Beginn sogar seine beiden Top-Stürmer Pascal Haase (geht zurück zum SV Rugenbergen) und Marcel Jobmann draußen ließ. Aber: „Auf einmal hopsen wir aus unserem kleinen Schwimmbecken ins große Meer.“

Und wie steht Präsident Hans-Jürgen Stammer zum Zeitpunkt des möglichen Oberliga-Aufstieges? „Ich bin nun schon so lange in diesem Geschäft. Wann ist schon der richtige Zeitpunkt? Man muss das Sportliche sehen. Und das Sportliche zeigt, dass die Jungs nun mal da stehen, wo sie stehen. Wir als Verein müssen uns dementsprechend aufstellen. Denn das ist ja jetzt über Nacht passiert. Dass BU das vergeigt, damit haben wir gar nicht gerechnet. Für und war das heute eigentlich das Saison-Abschlussspiel. Aber ist nicht. Jetzt haben die Jungs ‚A‘ gesagt, nun müssen sie auch noch ‚B‘ sagen“, will sich Stammer nicht in den Weg stellen. Im Gegenteil: „Meine Zielsetzung wird immer sein, das Ganze sportlich zu entscheiden. Wir vom Vorstand würden nie eine Bremse einlegen und das auch finanziell über die Runden kriegen. Das haben wir jetzt schon über Jahre geschafft.“

"Wir werden auf jeden Fall die Aufstiegsspiele spielen!"

HR-Präsident Hans-Jürgen Stammer hat eine klare Meinung und Haltung zum Aufstiegsthema. Foto: KBS-Picture.de

Auch wenn er viele Meinungen gehört habe, die besagen: „Bleibt doch in der Landesliga. Die wird in der nächsten Saison sehr attraktiv“, sei das für ihn „totaler Quatsch“, strebt „Stammi“ nach dem Höchsten. „Auch um Düneberg gibt es ja viele Gerüchte“, sprach er darauf an, dass die Gerüchteküche nach dem Abschied von „Erfolgsmacher“ Dennis Tornieporth zum Lüneburger SK brodelt, dass die Mannen vom Silberberg einen Aufstieg eventuell gar nicht wahrnehmen wollen würden. „Hier gibt es keine großen Diskussionen. Wir werden auf jeden Fall die Aufstiegsspiele spielen! Das wäre ja fahrlässig, wenn wir das nicht machen würden“, stellte Stammer unmissverständlich klar.

Während Barthel betonte auf Nachfrage betonte: „Wir werden intern nochmal darüber sprechen und beraten.“ Ein wenig paradox: Exakt in eben jenem Moment tönten aus der Kabine der SV Halstenbek-Rellingen lautstarke „Oberliga“-Sprechchöre. Das veranlasste den Cheftrainer nur dazu, die Augen zu verdrehen…

Autor: Dennis Kormanjos

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