Pokal-Halbfinale: Zehn Tore, reichlich Spektakel und ein Finalist!

Niendorf II gewinnt bei St. Pauli V mit 7:3

25. März 2016, 01:02 Uhr

Die Kulisse war großartig und das, was die Akteure auf das Grün an der Feldstraße brachten, ebenfalls! Am Ende wies der Goliath den David in seine Schranken. Eine klare Geschichte war es allerdings nur in den Schlussminuten. Der Underdog verkaufte sich teuer! Foto: Mathias Merk

Im Halbfinale des Holsten-Pokals am Donnerstagabend auf dem Heiligengeistfeld ging es zwischen dem FC St. Pauli V und dem Niendorfer SV II hoch her. Zehn Tore waren zu bestaunen und auch wenn die Kiezkicker von Christian Köpke mit einer 3:7-Niederlage vom Platz trotteten, lieferten sie eine sehr gute Leistung ab und hielten als Kreisklassist gegen den Tabellenführer der Bezirksliga West - trotz erheblicher Personalsorgen - mit großer Leidenschaft dagegen. Erst drehten die Sankt Paulianer nach einem 1:2-Rückstand das Spiel und führten mit 3:2, ehe eine kuriose Entscheidung von Schiedsrichter Rasmus Julius Leander Renner mit einem Platzverweis gegen das Heimteam für den Knackpunkt des Geschehens sorgte, sodass die Gäste die Partie wieder an sich rissen und schlussendlich haushoch gewannen. Zudem spielten sich die Teams mit jeweils einem krassen Torwartfehler, zwei Eigentoren und einem Elfmeter phasenweise die Treffer zu...

Von der ersten Minute an schenkten sich beide Teams nichts und nahmen ein hohes Tempo auf. Dennoch hatte der Niendorfer SV II in der sehr anspruchsvoll geführten Partie mehr Ballbesitz und kam folgerichtig schon früh zum Führungstreffer. Die Defensive der Hausherren versuchte eine Hereingabe zu klären und ließ den Ball zentral vor den Strafraum abprallen, was der heranstürmende Marco Heinrich eiskalt ausnutzte und aus 18 Metern rechts unten einschoss (7.)! Doch das war kein Grund für die Kiezkicker, den Kopf in den Sand zu stecken, stattdessen spielten sie weiter und versuchten alles, um den Rückstand zu relativieren, was ihnen in der 23. Minute mit Hilfe des Auswärtskeepers Julius Lustermann auch gelang. Einen Rückpass stoppte der Torwart unbedrängt 13 Meter vor seinem Gehäuse mit dem Fuß und machte sich zum Abschlag bereit, während Forian Puschmann die Zeit nutzte und ihn anlief. Das brachte Lustermann derart in Bedrängnis, dass er die Pille einfach nur weit ins Feld schießen wollte, aber Puschmann streckte sein Bein, sprang in den bereits davon fliegenden Ball und bekam ihn tatsächlich noch so zu fassen, dass die Kugel anstatt Richtung Mittelline zum Ausgleich in die Maschen rollte! Die Begegnung entwickelte sich immer mehr zu einem offenen und attraktiven Schlagabtausch, woran in dieser Phase vor allem auch der Außenseiter einen sehr großen Anteil hatte. NTSV-Trainer Matthias Jobmann sagte: „Am Anfang haben wir es uns einfach ein wenig schwer gemacht.“ Dennoch erzielten seine Schützlinge in der 32. Minute durch Nico Klüver abermals den Führungstreffer, als der Stürmer einen Querpass am linken Strafraumeck annahm, nach innen zog und den Spielzug mit einem Schuss aus 16 Metern links unten ins Tor zum 2:1 für die „Sachsenwegler" vollendete!

Doch trotz des erneuten Rückstandes zeigten die Gastgeber noch mehr Power im Zug nach vorne und erspielten sich immer mehr gefährliche Strafraumszenen. Ihr Umschaltspiel war bemerkenswert, ein Klassenunterschied war nicht zu erkennen - und ein Zwei-Klassen-Unterschied schon mal gar nicht! Mit der letzten Aktion vor der Pause fiel dann der verdiente Ausgleich, allerdings durch ein Eigentor von Niendorfs Bennet Schlechtweg. Eine hohe Hereingabe wollte der Defensivspezialist völlig ungehindert 15 Meter vor dem eigenen Tor mit dem Kopf klären oder zu seinem Torwart zurück köpfen. Doch Lustermann stand fünf Meter vor seinem Kasten und der Ball flog im hohen Bogen über den Keeper hinweg zum 2:2-Pausenstand!

„Die Gelb-Rote Karte war der Knackpunkt"

Foto: Mathias Merk

Nach Wiederanpfiff gewann das ohnehin schon hochklassige Spiel noch mehr an Qualität und die „Fünfte" des FC St. Pauli lief mit viel Elan auf das gegnerische Tor zu. Es hatten sich noch gar nicht alle Zuschauer wieder auf ihre Plätze begeben, als Referee Renner ein Foul im Strafraum pfiff und auf Strafstoß für die Köpke-Elf entschied. Puschmann schnappte sich das Leder und verwandelte unhaltbar zum 3:2 links oben ins Tor (48.)! Durch seinen zweiten Treffer am Abend sorgte der Stürmer dafür, dass die „Braun-Weißen" das Spiel drehten und der Kreisklassist den haushohen Favoriten am Rande einer Niederlage hatte, allerdings avancierte der Doppeltorschütze nur neun Minuten später zur dragischen Figur: Coach Köpke zeigte an, dass er gerne wechseln möchte und wollte Corey Ellis für den bis dato sehr erfolgreich und gut spielenden Puschmann bringen. Die knapp 100 Zuschauer belohnten ihren Stürmer bei seiner Auswechslung mit einem frenetischen Applaus, der auf dem Weg nach draußen sein Trikot auszog und Ellis an der Seitenlinie abklatschte. Doch als Puschmann sich schon zur Bank begab und sein Mannschaftskamerad auf das Feld sprinten wollte, hinderte der Schiedsrichter ihn daran und beorderte den bereits ausgewechselten Stürmer der Kiezkicker wieder zurück auf das Feld, wies ihn an, nochmals sein Trikot überzustreifen und verpasste ihm dann seine zweite Gelbe Karte, da das Ausziehen des Shirts bereits vor Verlassen des Platzes stattgefunden habe. Eine mehr als nur harte Entscheidung und keinerlei Fingerspitzengefühl beim Unparteiischen! Köpke: „Die Gelb-Rote Karte war der Knackpunkt. In einer Phase, in der wir führen und drücken, sind wir dann plötzlich ein Mann weniger. Das bleibt natürlich in den Köpfen der Spieler hängen - vor allem, wenn du eh schon dezimiert bist. Der Gegner hat dann richtig darauf reagiert und es ausgenutzt, dass sie dann einer mehr waren.“

Niendorf absolut überlegen

Tatsächlich fing der NTSV II ab diesem Zeitpunkt an, mit seinem Gegner „Katz und Maus“ zu spielen. Egal wie groß die weiteren Bemühungen der Gastgeber auch waren und wie sehr sie sich in der Defensive ordneten, es begann ein Sturmlauf, der in der restlichen halben Stunde nicht mehr zu unterbinden war. Die Qualität nahm zwar keineswegs ab, allerdings wurde es nun sehr einseitig. Ein Doppelschlag drehte das Geschehen einmal mehr gänzlich auf den Kopf. Erst wollte St. Paulis Maximilian Teske eine scharfe Flanke von rechtes durch Sahin Taflan zwei Meter vor dem eigenen Tor ins Aus klären, traf aber stattdessen ins eigene Gehäuse (64.), ehe 180 Sekunden darauf Johann Buttler sieben Meter vor dem Kasten zum Schuss kam und eiskalt zum 3:4 einschweißte! Chancen ergaben sich nun im Minutentakt, aber nur für das Team von Coach Jobmann, was in der 73. Minute dazu führte, dass Maximilian Danzer von der Strafraummitte abzog und den Ball zum 5:3 für den NTSV in die Maschen beförderte. Das Heimteam konnte nichts mehr entgegensetzen und kassierten kurz vor dem Ende einen weiteren Doppelschlag, der das Ergebnis dann sehr deutlich werden lies. Erneut war es Danzer, der aus 20 Metern einfach mal drauf hielt und das halbe Dutzend voll machte (87.)! Dann spielte Nika Baramashvili einen Traumpass in den Lauf von Emre Isilak, der blank auf Keeper Wiegand zulief und am Torwart vorbei zum Endstand einschob (89.) - 7:3 Niendorf II!

„Den Pokal holen wir uns dann im nächsten Jahr“

Foto: Mathias Merk

NTSV-Coach Jobmann strahlte nach Abpfiff, war aber auch voll des Lobes für den Gegner: „Erstmal muss man sagen, dass St. Pauli ein geiler Halbfinal-Gegner war. Sie haben das richtig gut und uns sehr schwer gemacht! Wir haben auch ein bisschen von der Gelb-Roten Karte profitiert, sind aber später besser ins Spiel gekommen. Letzten Endes zählt für uns nur das Finale, das haben wir jetzt erreicht und sind natürlich tierisch happy.“ Sein Trainerkollege Köpke, der auf wichtige Leistungsträger wie Matthias Jeschke verzichten musste, analysierte die Partie und hatte auch ganze klare Erklärungen für den Ausgang des Spiels: „Nach dem Platzverweis hat der Gegner richtig Power gemacht und uns blieb hintenraus einfach die Kraft weg. Niendorf hat uns am Ende sehr gut ausgekontert und den Ball richtig agil nach vorne gespielt. Das ist einfach eine super Truppe! Das Ergebnis ist am Ende vielleicht ein bisschen zu hoch. Aber unser Hauptaugenmerk liegt jetzt darauf, dass wir übernächsten Monat den Aufstieg in der Liga feiern wollen. Den Pokal holen wir uns dann im nächsten Jahr!“


Autor: Mathias Merk