Nach Cordi-Sieg: Türkiye mausert sich „zum RB Leipzig“ der Oberliga!

„Die haben heute nicht gewonnen, wir haben verloren!“

09. Oktober 2016, 20:22 Uhr

Der Jubel nach dem Führungstreffer: Serhat Yapici (r.) herzt Torschütze Michael Löw (l.), der vor lauter Freude die Faust ballt. Foto: KBS-Picture.de

Erhan Albayrak schwante schon früh Böses: Nicht einmal acht Zeigerumdrehungen waren an der Landesgrenze gespielt, als der gemeinhin als „Rüpel“ verschriene Serhat Yapici nach seinem zweiten härteren Einsteigen schon früh mit dem gelben Karton verwarnt wurde. „Ich bin’s ja schon gewohnt“, scherzte der „Übeltäter“ nach dem Topspiel zwischen dem Tabellendritten und dem Rang-Zweiten vom SC Condor. Sein Trainer nahm es ebenfalls mit einer Prise Humor. „Bei Serhat wissen wir ja, wenn er irgendwo einen Vertrag unterschreibt, beinhaltet der auch fünf Rote Karten.“ Während der eine oder andere Beobachter damit liebäugelte, dass Yapici das Ende des Spieles nicht mehr auf dem Rasen erleben würde, antwortete dieser mit den zwei entscheidenden Torvorlagen zum nächsten Triumph seines FC Türkiye!

Hierher, ich hab's gemacht: Michael Löw konnte seinen Kopf nach Yapicis Flanken-Geschoss gar nicht mehr wegziehen. Foto: KBS-Picture.de

Condor-Coach Christian Woike war bedient: „Türkiye hat heute nicht gewonnen, wir haben verloren! Nicht vom Ergebnis her, sondern vom Spielverlauf“, ärgerte er sich Minuten nach dem Abpfiff über das Auslassen der Chancen im ersten Durchgang, der seinem Team gehörte. „Wir müssen es in der ersten Halbzeit, ich will nicht sagen, entscheiden – aber zumindest müssen wir es in eine sehr richtige Richtung lenken. Wir waren über 90 Minuten die bessere Mannschaft und haben den besseren Fußball gespielt.“ Doch davon konnten sich die Farmsener am Ende nichts kaufen – auch, weil sie vor der Pause ihre guten Möglichkeiten nicht in etwas Zählbares ummünzen konnten. Erst hoppelte Jannick Martens‘ gechippter Versuch hauchdünn am langen Eck vorbei (16.), dann scheiterte Carlos Flores nach Martens-Querpass aus kurzer Distanz am bärenstarken Braun-Ersatz Hasan Capa (20.), ehe „CF17“ den Ball nach einer Theis-Hereingabe mit der Hacke an den Außenpfosten beförderte (33.).

„Müssen die Schuld bei uns selbst suchen“

Gefeiert von Tolga Tüter (l.) und Mekan Barlak (r.): 2:0-Schütze Bilyal Mustafov. Foto: KBS-Picture.de

Zu allem Überfluss verwehrte Schiedsrichter Björn Krüger (SV Börnsen) den Gästen auch noch einen Strafstoß, als Mekan Barlak etwas zu rustikal gegen Flores zu Werke ging und diesen umcheckte (34.). Woike: „Leider haben wir in der Situation einen sehr klaren Elfmeter nicht gepfiffen bekommen. Eine sehr ärgerliche Szene, da sie auch einen Platzverweis zur Folge gehabt hätte. Trotzdem hatten wir drei Chancen, die Ihresgleichen suchen – und deshalb müssen wir die Schuld bei uns selbst suchen.“ Die einzige echte Türkiye-Chance in den ersten 45 Minuten hatte der flinke Michael Löw, der von Tolga Tüter bedient wurde und aus halblinker Position mit seinem Flachschuss nur knapp am langen Eck vorbei zielte (19.). „Wenn man Phasen hat, in denen man etwas unkonzentriert ist, spielt auch das Glück ein bisschen mit. Aber wir sind gut aus der Pause gekommen, haben gleich das Tor gemacht. Das lief nach Plan“, so Yapici.

Während der Beginn des zweiten Durchgangs doch sehr zerfahren war, sorgte ein urplötzlicher Doppelschlag für die vermeintliche Vorentscheidung: Zunächst hatte Löw gar keine Chance mehr, nach Yapicis messerscharfer Hereingabe von der linken Grundlinie den Kopf wegzuziehen. 1:0 (55.)! Dann ließ Innenverteidiger Bilyal Mustafov einen Yapici-Freistoß aus dem linken Halbfeld über den Scheitel ins lange Eck gleiten. 2:0 (58.)! „Beim ersten Tor hatte ich aus der Position gar keine andere Möglichkeit mehr, als den Ball scharf reinzubringen. Und das zweite Tor haben wir so trainiert. Es gab aber auch noch eine Anweisung von Emre, dass ich nicht aufs Tor schießen, sondern den Ball auf Bilyal spielen soll. Das hat gut funktioniert“, verriet Yapici, der aber auch anfügte: „Ein 2:0 ist immer eine sehr gefährliche Führung.“

„Dela“ nutzt Condors-Slapstick, Capa hält die Null

Sascha de la Cuesta (l.) ließ sich nach seinem Torerfolg kaum mehr einfangen. Foto: KBS-Picture.de

Damit sollte er Recht behalten – denn Condor gab keinesfalls klein bei. Zehn Zeigerumdrehungen nach dem 0:2 aus SCC-Sicht hätte Martens zwingend den Anschluss besorgen müssen, als er sich nach Künkels Pass auf die rechte Seite und Mellmanns Zuspiel ins Zentrum erst stark um seinen Gegenspieler herum drehte, schließlich aber auch um Zentimeter am linken Pfosten vorbei schoss (68.). Nachdem der Top-Torjäger der „Raubvögel“ ein weiteres Mal – nun aber aus größerer Distanz – an Capa scheiterte (70.), nutzten die Wilhelmsburger ein äußerst unglückliches Missgeschick der Gäste zur endgültigen Entscheidung aus: Max Anders mit einem viel zu kurz geratenen Rückpass, den Kleinschmidt aus der Gefahrenzone jagen wollte. Allerdings schoss er dabei den nachsetzenden Sascha de la Cuesta an, der sich das Spielgerät eroberte, von links nach innen zog und eiskalt vollstreckte – 3:0 (79.)! Bezeichnend fürs Spiel: In der Nachspielzeit schickte der blasse Gökhan Iscan den eingewechselten Nico Weiser auf die Reise. Im Eins-gegen-Eins musste er sich aber der herausragenden Reaktion von Capa beugen und feuerte auch den Nachschuss ohne jegliche Überzeugung über die Latte.

„Das ist so, als wenn man RB Leipzig nach der Meisterschaft fragt“

Carlos Flores (l.) hätte sein Team vor der Pause auf die Siegerstraße bringen können, wenn nicht gar müssen. Foto: KBS-Picture.de

Nicht nur aufgrund dieser Szene erhielt Türkiyes Schlussmann, der den rotgesperrten Tobias Braun vertrat, ein Sonderlob von seinem Trainer: „Ein großes Kompliment an Hasan, der bisher überhaupt nicht gespielt hat und uns schon in der ersten Halbzeit zwei-, dreimal gerettet hat!“ Woike bilanzierte unterdessen: „Schlussendlich verlieren wir durch drei Torschüsse, wovon wir uns zwei selbst ins Tor legen. Zudem kassieren wir unser erstes Standard-Gegentor seit zwölf Monaten. Da kam heute eine ganze Menge zusammen. Trotzdem haben wir ein gutes Spiel gemacht und dürfen es eigentlich nicht verlieren. Aber es gibt so Tage, da müssen wir auch einfach mal akzeptieren, dass es so ist. Nichtsdestotrotz finde ich, dass wir über 90 Minuten eine sehr gute Ordnung hatten, auch balltechnisch und in den Räumen besser waren. Wir haben es nur leider nicht zu Ende gespielt.“

Abschließend gab Doppel-Vorbereiter Yapici zu Protokoll: „Wir sagen uns eigentlich immer wieder, dass wir die Mannschaft sind, die uns selbst schlagen kann. Aber wir können eben auch jede Mannschaft schlagen, das wissen wir.“ Angesprochen auf die Zielsetzung, entgegnete der „Heißsporn“ vielsagend: „Das ist so, als wenn man RB Leipzig nach der Meisterschaft fragt und ob sie schon darüber nachdenken. Auch da bekommt man immer dieselbe Antwort: Nein, unser Ziel ist der Klassenerhalt. Aber die 40-Punkte-Marke ist in der Tat unser Ziel. Es sieht alles sehr gut aus, aber im Endeffekt ist die Konstanz wichtig.“ Nach dem 2:0-Sieg gegen Cordi hat der FC Türkiye nun auch den Tabellenzweiten in die Schranken gewiesen und mausert sich damit zum Favoriten-Schreck.

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