„Das sind Momente, die diesen Tag nicht nur abrunden, sondern unvergesslich machen“

Gegen neun Niendorfer: „JPR“ feiert emotionalen Heim-Abschied

23. November 2018, 23:48 Uhr

Nach dem frühen Führungstor durch Yannick Petzschke lief die gesamte Mannschaft des SC Victoria ihrem scheidenden Trainer Jean-Pierre Richter in die Arme. Foto: Kormanjos

Es war sein Abend: Jean-Pierre Richter wurde bei seinem Heim-Abschied als Trainer des SC Victoria reichlich beschenkt. Mit warmen Worten, emotionalen Gesten – und einem Sieg, dem ihm seine Mannschaft widmete. „Ich bin ziemlich froh darüber, dass der Tag mit einem positiven Ergebnis seinen Ausklang gefunden hat – denn der Rest war überragend“, fasste „JPR“ die emotionale Achterbahnfahrt, die bereits vor dem Anpfiff begann, zusammen. Vereins-Präsident Ronald Lotz schnappte sich das Mikrofon und richtete mit brüchiger Stimme – trotz defektem Mikrofon – einige Worte an seinen im Winter scheidenden Trainer. „Die Verabschiedung kam für mich sehr überraschend, weil ich davon nichts wusste. Das waren sehr emotionale und anerkennende Worte von Ronald, die bei mir mehr als nur Gänsehaut ausgelöst haben.“

Bei eisiger Kälte startete Vicky (li.) stark gegen harmlose Niendorfer. Foto: Kormanjos

Das nächste „ganz, ganz besondere Gefühl“ bescherte ihm seine Mannschaft. Nach dem Führungstor durch Yannick Petzschke, der nach einem von Yannick Siemsen verlängerten Mirco Bergmann-Eckball keine Mühe mehr hatte (14.), lief das gesamte Team geschlossen in die Arme Richters. „Natürlich war das für mich ein toller Moment und bedeutet mir viel“, so der „Vize“ bei der Wahl zum „Trainer des Jahres“. Doch das sollte es längst noch nicht gewesen sein. Auch die Fans des SC Victoria wussten die Verdienste des 31-Jährigen mit Sprechchören während und nach dem Spiel gebührend zu würdigen. „Das hat wirklich die Kirsche oben draufgesetzt, als sich die Fans bei mir bedankt haben. Auch während des Spiels waren schon einige Gesänge dabei, die diesen Tag nicht nur abrunden, sondern unvergesslich machen“, so ein emotionaler Richter, der auch während der 90 Minuten sämtliche „Momente aufsaugen und abspeichern“ wollte. Denn: „Man hat gesehen, dass die Mannschaft lebt und auch meine Ideen in den letzten Jahren mit Leben gefüllt hat. Das waren herausragende Momente. Deshalb muss das jetzt eine lange Nacht werden, die nicht zu Ende gehen soll. Damit man solche Tage und solche Augenblicke unvergesslich macht.“

„Ich wäre nicht ich, wenn ich mit der zweiten Halbzeit zufrieden wäre“

Trainer Jean-Pierre Richter (li.) wurde vor dem Spiel von Präsident Ronald Lotz verabschiedet. Foto: Kormanjos

Gegen am Ende nur noch neun (!) verbliebene Niendorfer rundete Dennis Bergmann – wie auch Yannick Petzschke bereits zu Süderelbe-Zeiten an Richters Seite – den sportlichen Teil mit seinem herrlichen Solo zum 2:0-Sieg ab (80.). Und so durfte am Ende auch eine rein sportliche Analyse nicht fehlen: „Ich war mit der ersten Halbzeit nicht unzufrieden. Wir waren sehr griffig, zielstrebig, fleißig, engagiert und haben viele Wege gemacht – auch die Stürmer. Man hat gesehen, dass die Mannschaft unbedingt abliefern wollte“, befand Richter, der mit dem zweiten Durchgang jedoch weniger einverstanden war: „Ich glaube, ich wäre nicht ich, wenn ich mit der zweiten Halbzeit zufrieden wäre.
Das war nicht der Fußball, den ich den Jungs auch zutraue. Aber ich finde immer was zu meckern“, witzelte er, um anzuschließen: „Wir haben in doppelter Überzahl die Zielstrebigkeit und das Tempo rausgenommen.“ Doch harmlose Niendorfer konnten darauf kein Kapital schlagen – auch nicht, als man noch mit elf Mann auf dem Platz stand. In den gesamten 90 Minuten blieben die „Sachsenwegler“ ohne jede Chance.

„Im Sechzehner fehlen uns Kreativität und Eigeninitiative“

Alle auf den Trainer... Foto: Kormanjos

„Das Spiel haben wir in der ersten Halbzeit verloren. Wir waren zwar irgendwo gewillt, aber eindeutig die schlechtere Mannschaft!“, fand NTSV-Coach Ali Farhadi gewohnt offene Worte – und konstatierte: „Vicky war nicht gerade in Bestform und in Spiellaune – außer Strömer, der hier alle alleine unterhalten hat. Und am Ende kriegst du zwei absolut vermeidbare Tore. Da ist das ganze Abwehrverhalten sehr unglücklich. Und das ist bei uns momentan so ein Knackpunkt.“ Genauso wie die Harmlosigkeit in der Offensive. „Wir waren im Strafraum, haben Situationen nach vorne kreiert, aber am Ende hast du einfach niemanden, der dir die Dinger final – so wie bei anderen Mannschaften, die ihre Stürmer haben, die ihre Rolle gut kennen und diese dann gut ausfüllen – zu Ende spielt. Wir spielen es sehr gut an, laufen in hohem Tempo nach vorne und haben gute Aktionen bis zum Sechzehner. Aber ab da ist bei allen von uns die Kreativität und Eigeninitiative nicht gegeben. Das ist ärgerlich.“ Es fehle an jeglicher „Zielstrebigkeit“, offenbarte Daniel Brückner nach Spielschluss. Für den ehemaligen Profi war die Partie bereits nach einer guten Stunde beendet, als er nach einem Foulspiel die Ampelkarte sah (61.). Kurz zuvor handelte sich bereits Malte Wilhelm einen der wohl kuriosesten Platzverweise der jüngeren Vergangenheit ein.

Gelb-Rot wegen falscher Unterziehhose und „Sowas habe ich noch nicht erlebt“

Foto: Kormanjos

Was war passiert? Da Vicky in blauen Trikots spielte, nicht wie von den Gästen erwartet im weißen Dress, mussten die Niendorfer Verantwortlichen vor dem Anpfiff noch einmal los und die weiße Garnitur ranschaffen, da man nur blau und schwarz mithatte. Malte Wilhelm trug dementsprechend unter der weißen Hose noch eine dunkle Unterziehhose, was der Unparteiische Luca Jürgensen (Eintracht Norderstedt) zu Beginn der zweiten Hälfte monierte. Nachdem Wilhelm außerhalb des Platzes klar Schiff machte, kehrte er unangekündigt aufs Feld zurück. Daraufhin zeigte ihm der Referee den ersten gelben Karton. Wenige Augenblicke später bekam er für den Auswurf „Sowas habe ich noch nicht erlebt“ die zweite Gelbe Karte aufgedrückt – macht in der Summe: Gelb-Rot (50.). Nachdem Farhadi in der Vorwoche nach der 0:2-Niederlage gegen Dassendorf ungewohnt scharfe Worte in Richtung des Unparteiischen verlor, machte er diesem am heutigen Abend keinen Vorwurf: „Nein, auf keinen Fall. Bei Malte kann man vielleicht ein bisschen Fingerspitzengefühl an den Tag legen. Aber am Ende ist es in der Entscheidungsgewalt des Schiedsrichters. Es ist halt schade, dass sich in dem Fall ein erfahrener Spieler wie Malte nicht im Griff hat. Wenn er da Fingerspitzengefühl erwartet, erwarte ich eigentlich von ihm, dass er seine Erfahrung reinbringt – dann passiert nämlich nix.“

Viel prasselte hingegen auf Jean-Pierre Richter ein – inklusive „einiger Nackenschläge“ nach der Partie im Mannschaftskreis. „Ich bin sehr froh und zufrieden, dass wir das jetzt so abgerundet haben“, bilanzierte er – und nahm die Feierlichkeiten auf. Für seinen SC Victoria war es der sechste Sieg in den letzten sieben Spielen und der 18. Erfolg im insgesamt 24. Spiel vor heimischer Kulisse im Jahr 2018. Eine Bilanz, die sich sehen lassen kann und Anerkennung verdient. Zwar ist das Kapitel Hoheluft für „JPR“ nun erst einmal beendet – doch noch stehen zwei Pflichtspiele in diesem Jahr aus…

Die Rede von Ronald Lotz und Verabschiedung von „JPR“ vor dem Spiel

Autor: Dennis Kormanjos