Bezirksliga Nord

Derakhshan: „Die beiden sind wichtiger als ich, sie bräuchten mich eigentlich gar nicht“

Vicky II-Trainer Hamid Derakhshan im Interview

27. August 2019, 15:41 Uhr

Auf seine beiden Mitstreiter David Eybächer (li.) und Michel Massing hält Vicky II-Coach Hamid Derakhshan große Stücke. Foto: Mathias Reß.

Seit etwas mehr als einem halben Jahr sitzt Hamid Derakhshan inzwischen als verantwortlicher Coach beim SC Victoria II auf der Bank. Der 36-Jährige stieß Anfang Februar 2019 als Übungsleiter zum Nord-Bezirksligisten und trat dort die Nachfolge des plötzlich und unerwartet verstorbenen Gody Hoedoafia an. Wir haben mit Derakhshan über seinen Vorgänger, seine beiden Mitstreiter Michel Massing und David Eybächer, die Zeit seit seinem Amtsantritt, die Mannschaft, ihre Entwicklung und den Start in die laufende Spielzeit gesprochen. 

Hamid, nach vier Siegen aus vier Spielen habt am vergangenen Wochenende beim 4:4 gegen GW Eimsbüttel erstmals nicht die Idealpunktzahl geholt. Was hat euch zum fünften Sieg in Folge gefehlt?

Hamid Derakhshan: Ich denke, dass es daran lag, dass wir in diesem Spiel mehrere Umstellungen vornehmen mussten. Das hatte Auswirkungen auf die Harmonie im Defensiv- und Offensivspiel. Allerdings fand ich auch, dass Eimsbüttel das gegen uns sehr gut gemacht hat und für den Fleiß, den sie investiert haben, belohnt worden ist. Wenn man sich allerdings die Zahl unserer Chancen und die Spielanteile ansieht, dann hätten wir das Spiel gewinnen müssen.

Was hat euch andersherum in den ersten vier Spielen ausgezeichnet, so dass ihr zwölf Punkte geholt habt?

Derakhshan: Dass wir eine sehr eingespielte und hungrige Truppe sind. Das merkt man gerade im Offensivspiel. Wenn die Jungs erstmal ins Laufen kommen und sich die ersten Möglichkeiten erspielt oder das erste Tor geschossen haben, dann können sie sich in einen Rausch spielen. Wir haben sehr viele Dinge, die wir trainiert haben und in der Vorbereitung durchgegangen sind, umgesetzt. Die Mannschaft hat super couragiert gespielt und sich für ihre Leistungen entsprechend belohnt.

Wenn man auf die Torjägerliste schaut, stehen dort mit Daniel Tramm (sieben Treffer) und Steen Schimmelpfenning (vier Treffer) zwei Vicky II-Spieler weit vorne. Welche Bedeutung haben die beiden für die derzeitige positive Entwicklung?

Torjäger Daniel Tramm ist aus Derakhshans Sicht nicht nur sportlich, sondern auch menschlich wichtig für die Mannschaft. Foto: Bode

Derakhshan: Steen war einer der Spieler, die uns am vergangenen Freitag gegen Eimsbüttel gefehlt haben. Auch David Eybächer war nicht dabei, das gleiche gilt für Philipp Wolpers. Es gibt einige Spieler, die für diese Mannschaft wichtig sind. Daniel Tramm ist seit Jahren einer davon. Er hat nicht nur sportlich einen großen Stellenwert, weil er einfach ein Goalgetter ist, sondern auch menschlich. Er ist eine super Persönlichkeit. Allein schon wegen seines Alters ist er einer der Spieler, der diese junge Mannschaft führt. Steen habe ich schon in der A-Jugend trainiert und ihn davon überzeugt, wieder mit dem Fußball zu beginnen, nachdem er ein Jahr pausiert hat. Ich muss sagen: Er macht das super dafür, dass er ein Jahr raus war. Von ihm wird noch mehr kommen. Das gilt auch für andere junge Spieler wie Jonathan Bornemann. Wir haben sechs oder sieben sehr talentierte Jungs im Team. Aber auch die Spieler, die nicht mehr zu den jungen und noch nicht zu den älteren zählen – also die, die so Mitte 20 sind –, übernehmen viel Verantwortung und sorgen dafür, dass wir sehr stabil sind und im Spiel die Ordnung behalten. Sie machen den Unterschied aus.

In der vergangenen Saison hat es nicht zum Aufstieg gereicht. Warum klappt's dieses Mal?

Derakhshan: Es ist ja noch nicht gesagt, dass es klappt (lacht). Wir versuchen, uns nicht unter Druck zu setzen, sondern schauen wirklich von Spiel zu Spiel und versuchen, flexibel Fußball zu spielen. Dieser flexible Fußball ist eines unserer Ziele. Wir haben unser Spiel noch mehr auf unsere eigenen Stärken abgestimmt, schauen dabei aber natürlich auch auf den Gegner. Im letzten Jahr gab es besondere Umstände. Wir hatten einen super Start, aber die Mannschaft brauchte das letzte halbe Jahr einfach, um sich wieder zu festigen.   

Du sprichst es bereits an: Mit dem plötzlichen Tod von Gody Hoedoafia musste das Team einen schweren Schlag wegstecken musste. Wie schwer war es damals für dich, Godys Nachfolge als Trainer anzutreten?

Derakhshan: Das war gar nicht schwer. Gody und ich wollten sowieso zusammenarbeiten. Das hätte vielleicht noch ein halbes Jahr gedauert. Leider kam es nicht mehr dazu. Für mich war es dann die logische Folge, dass ich das als Trainer zusammen mit Michel Massing und David Eybächer (beide waren schon unter Hoedoafia im Trainer-Team, Anm. d. Red.) mache. Ich musste mit sehr viel Fingerspitzengefühl an diese Aufgabe rangehen, damit die Jungs wieder den Spaß am Fußball zurückbekommen konnten. Wir haben der Mannschaft Zeit gegeben, das zu verarbeiten. Die Jungs sollen gerne auf die Zeit mit Gody zurückschauen.

Wie bringt man eine Mannschaft nach so einem Schicksalsmoment wieder den Kopf frei zu kriegen und sich auf Fußball zu konzentrieren?

Für Hamid Derakhshan war es eine logische Folge, die Nachfolge von Gody Hoedoafia anzutreten. Foto: Mathias Reß

Derakhshan: Wir haben uns hingesetzt und quasi einen Strategie überlegt. Wir haben versucht, das Team durch kleine Herausforderungen in Sachen Konzentration auf andere Bahnen zu lenken. Wir haben das System nicht geändert, die Grundformation beibehalten und nur ein paar andere Details und Laufwege neu reingebracht. Das Ziel war es, den Fokus auf neue Dinge zu lenken, Hinzu kommt, dass wir eine Abschlussfahrt gemacht haben, damit die Jungs Freude haben und die Kameradschaft untereinander spüren. Das Trainingslager vor der laufenden Saison war da auch noch einmal ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Du stehst als Coach natürlich in vorderster Verantwortung, dennoch: Wie wichtig sind deine Mitstreiter Michel Massing und Daniel Eybächer?

Derakhshan: Michel und David sind super wichtig. Die beiden sind wichtiger als ich in dieser Konstellation, sie bräuchten mich eigentlich gar nicht. Sie sind beide sehr nah an der Mannschaft, wissen noch besser über die Spieler Bescheid als ich, weil sie schon so lange da sind. David kennt den Verein zum Beispiel in- und auswendig. Sein Draht zu den Jungs ist sehr eng, weil er ja auch Kapitän ist. Sie hören ihm sehr gerne zu. Ich tausche mich mit Michel und David aus, was taktische Dinge angeht. Aber nicht nur das, sondern auch in Bezug auf Trainingsinhalte. Sie supporten mich, so dass es für mich einfacher wird.

Welche Schlagzeile würdest du im Mai 2020 zum Ende der Saison aus Vicky II-Sicht gerne lesen?

Derakhshan: (denkt lange nach) Das ist eine gute Frage, die schwierig zu beantworten ist. Natürlich möchte man gerne lesen, dass die Saison am Ende von Erfolg gekrönt war, aber letztlich ist nicht so wichtig, was in den Medien steht, sondern dass die Saison eben erfolgreich verläuft.

Interview: Jan Knötzsch