„Der ist dir doch abgerutscht!“

Teutonia 05 alles andere als souverän, aber mit individueller Klasse

15. September 2016, 23:47 Uhr

So bejubelt man einen Geniestreich! Stefan Winkel bewies bei seinem Kunstschuss das "richtige Näschen". Foto: noveski.com

„In einigen Situationen habe ich mit dem Abschluss sehr lange gewartet – in der Szene habe ich aber gesehen, dass der Torwart ein bisschen weit vorne am ersten Pfosten steht. Da habe ich mir gesagt: probier‘ es einfach mal. Und es hat geklappt!“ Auch einige Minuten nach Stefan Winkels Kunstschuss betrachtete Teutonias Sportchef Bert Ehm den Geniestreich seines „Edel-Technikers“ mit Argwohn. „Der ist dir doch abgerutscht“, rief er Winkel zu, während dieser einem Niendorfer Gegenspieler hinterherjagte. Ganz trocken konterte Winkel mit einem verschmitzten Lächeln: „Ach, hör doch auf!“

Trotz arger Bedrängnis behält Aytac Erman (r.) im Pulk die Oberhand und schießt zur Führung ein. Foto: noveski.com

Am Ende hatte der nach wie vor ohne jeden Verlustpunkt an der Hammonia-Spitze rangierende FC Teutonia 05 also wieder allen Grund, um mit einem breiten Grinsen den Platz am Sachsenweg zu verlassen. Dabei sah es lange Zeit gar nicht danach aus! Nach starkem Beginn gab der haushohe Favorit beim Liga-Neuling das Ruder aus der Hand und ließ die Partie schleifen. Nach dem verdienten Ausgleichstreffer war die U23 des NTSV sogar das aktivere Team. „Wir sind ganz gut reingekommen, danach aber ein bisschen zu locker angegangen. Wir müssen das cleverer uns ruhiger machen“, befand auch Winkel im Anschluss an die Begegnung. „Nach den ersten zehn, 15 Minuten in der zweiten Halbzeit, die auch etwas schläfrig waren, sind wir besser ins Spiel gekommen und haben die Tore dann auch verdient gemacht.“ Allerdings gestand der letztjährige Top-Torjäger des SC Poppenbüttel auch: „Ich denke schon, dass am Ende die individuelle Klasse den Ausschlag gegeben hat.“

Teutonen-Slapstick verhilft Niendorf zum Ausgleich

Während Tim Schumacher (l.) jubelnd abdreht, möchte Jeton Arifi (r.) am liebsten im Erdboden versinken. Foto: noveski.com

Schon vor Spielbeginn überraschte Teutonen-Coach Florian Gossow mit seiner Aufstellung: Kapitän Timo Ehlers weilte im Urlaub und wurde in der Innenverteidigung nicht etwa von Hannes Niemeyer, der zunächst auf der Bank Platz nahm, sondern von Jeton Arifi ersetzt. Daneben agierte der eigentlich als „Sechser“ bekannt gewordene Volkan Aktan. Zunächst schienen diese Änderungen keinerlei Bedeutung zu haben. Nachdem Niendorfs Jung-Keeper Aboubacar Fofana in der Anfangsphase schon ein ums andere Mal zur Stelle war, hatte er in Minute 14 seinen großen Auftritt: nach einem vermeintlichen Handspiel von Tyron Gyamenah – einer von fünf Akteuren, die bereits in der Liga-Mannschaften aktiv waren – parierte Fofana den folgenden Strafstoß von Winkel stark! Keine 60 Sekunden später war aber auch er geschlagen, als André Martens von der rechten Grundlinie quer legte und Aytac Erman seinen unnachahmlichen Torriecher im gegnerischen Sechzehner einmal mehr eiskalt zur Schau stellte – 0:1 (15.)! Es folgte ein 23-Meter-Heber von Winkel, den Fofana abermals glänzend aus dem Knick fischte (19.) – und dann eine lange Durstrecke der „Kreuzkirchler“.

Plötzlich trumpften die Hausherren auf. Marko Ahrens traumhaft in die Schnittstelle, wo Arifi von Niendorfs frischem Liga-Zugang Kevin Trenel regelrecht stehen gelassen wurde. Dessen scharfe Hereingabe beförderte Lukas Raphael an den rechten Torpfosten (21.)! Da fehlten nur Zentimeter – und diese waren kurz darauf mit den „Himmelblauen“ im Bunde: denn was Aktan und Arifi in der Defensive veranstalteten, war Slapstick pur! Die Kopfballrückgabe des Ex-St. Paulianers geriet deutlich zu kurz, Tim Schumacher spritzte dazwischen und spitzelte vor Semir Svraka zum 1:1 ein (25.)! Folglich verlor Teutonia 05 komplett den Faden und seinen Rhythmus. Niendorf II war zeitweise sogar das bessere Team – ohne jedoch die ganz großen Torchancen zu kreieren. Auch Gossow wurde zunehmend unruhiger, forderte „mehr Tempo“ im Spiel.

Winkel versetzt Gegenspieler ins Land der Träume

Marke Ahrens (l.) musste später mit Gelb-Rot vom Platz. Hier fightet er mit Pascal Pietsch, der für den verletzten Simon-Riza Yücel kam, um den Ball. Foto: noveski.com

Genau in dieser Phase, als die Gäste wankten – bestraften sie einen Fehler der „Jobmänner“ eiskalt! Maximilian Danzer verlor im Spielaufbau das Leder, Michael Meyer bediente Erman – und dieser war im Niendorfer Strafraum natürlich nicht mehr zu halten (68.)! Sportchef Ehm pustete durch und konstatierte: „Niendorf ist bislang der stärkste Gegner!“ Anerkennende Worte, denen er folgen ließ: „Jetzt machen wir noch Zwei oder Drei!“ Und wie richtig er mit dieser Einschätzung lag, zeigte sich einige Augenblicke später. Zunächst scheiterte Nicholas Ledesma mit seinem wuchtigen Rechtschuss noch am Querbalken (78.), dann folgte der große Auftritt des Stefan Winkel. „Ich wollte unbedingt noch einen machen, nachdem ich den Elfmeter verschossen habe.“ Das tat er – und wie! Von Erman am rechten Strafraumeck in Szene gesetzt, verpasste er Danzer ein kleines Schleudertrauma, drehte sich einmal um die eigene Achse und übertölpelte den völlig verdutzt dreinblickenden Fofana aus fast schon unmöglichem Winkel ins lange Eck (80.)! Ein absoluter Geniestreich! Nachdem Marko Ahrens wegen wiederholten Foulspiels die Ampelkarte sah (86.), setzte Winkel auch noch den Schlusspunkt: Dieses Mal fand Meyer den 26-Jährigen in nahezu identischer Position. Nun machte er aber den Schritt nach innen und vollendete per Linksschuss ins kurze Eck (89.)!

„Der Titel geht nur über uns und wir werden das auch klarmachen!“

Hannes Niemeyer (l.) kam erst nach der Pause ins Spiel und sieht sich hier der Gegenwehr von Jan Rückold (r.) gegenüber. Foto: noveski.com

„Es war klar, dass die gut mit dem Ball umgehen können. Denn Niendorf ist ja bekannt für seine gute Jugendarbeit. Dennoch war ich etwas überrascht – da sind einige richtig gute Spieler dabei. Ich hätte gedacht, dass wir es ein wenig früher entscheiden. Aber spielerisch war mir schon klar, dass Niendorf auf jeden Fall besser ist, als die Mannschaften, die wir zuletzt hatten“, lobte auch Doppeltorschütze Winkel den Kontrahenten. „Am Anfang hat Teutonia losgelegt wie die Feuerwehr, da sind einige unserer jungen Leute ein wenig in Ehrfurcht erstarrt. Aber dann sind wir richtig gut zurückgekommen, auch wenn man sagen muss, dass die schon eine wirklich extrem gute Mannschaft beisammen haben. Nach der Halbzeit wollten wir ein bisschen weiter nach vorne verschieben, um denen nicht viel Raum in deren Hälfte zu geben. Ich denke, das ist eigentlich auch gut aufgegangen. Denn ich bin der Meinung, dass wir zu diesem Zeitpunkt auch einen besseren Zugriff und die besseren Chancen hatten. Aber dann machen wir so einen Fehler. Das ist halt der Unterschied: wir haben junge Spieler und diese dürfen solche Fehler machen. Aber so ein Gegner nutzt das natürlich gnadenlos aus. Am Ende ist das Ergebnis ein bisschen zu hoch, das ist ärgerlich“, fasste Jobmann die 90 Minuten zutreffend zusammen.

Die Heimseuche bei seinem Team hält damit an. „Wir hatten bislang sehr starke Gegner hier. Die Jungs wollen drei Punkte und endlich den ersten Heimsieg, da ist ihnen auch egal, ob der Gegner Teutonia oder sonst wie heißt. Irgendwann wird der Heimbann brechen!“ Die abschließende Kampfansage gehört aber „Mr. Futsal“ Stefan Winkel, der einer der Gründe für die Vorverlegung des Spiels ist. Denn der ehemalige Altonaer wird wie auch Michi Meyer ab Freitag beim Vorbereitungslehrgang des DFB-Teams vor der Länderspielpremiere dabei sein. „Nach acht Siegen kann man auch so selbstbewusst sein und sagen: Der Titel geht nur über uns und wir werden das auch klarmachen!“

Der komplette LIVE-Ticker zum Spiel!