„Enfant terrible“ GUN-itis ist Wedels Waffe!

"Das Spiel hat ein Stück weit wehgetan, weil ich die Jungs nicht wiederkannt habe"

29. Oktober 2017, 18:31 Uhr

Theo Ganitis war mit drei Toren der überragende Mann auf dem Platz. Hier versucht er die kunstvolle Hereingabe mit dem Fuß hinter dem Standbein gegen Dino Oschetzki (re.). Foto: timelash.de

Für seinen Trainer ist er das „enfant terrible“, für die Mannschaft mit seinen Toren und Vorlagen kaum wegzudenken – und Außenstehende können oftmals nur mit der Zunge schnalzen, wenn Theodoros Ganitis seine Streicheleinheiten am Ball zum Besten gibt. „Theo ist eiskalt, wenn er 16 oder 20 Meter vor dem Tor freie Schussbahn hat. Er ist extrem torgefährlich, spielt Bälle, da rechnet kein Mensch mit, hat eine geile Schusstechnik und verfügt natürlich über eine enorme Qualität“, sagt Wedel-Coach Jörn Großkopf über seinen „Blondschopf“. Aber dann wäre da auch noch die andere Seite. „Hin und wieder übertreibt er das Einzelspiel ein wenig, da wird ein Trainer dann ganz wild. Manchmal ist er das totale Genie und manchmal denkt man sich: Oh Gott, oh Gott“, so Großkopf. Aber: „Er soll so bleiben, wie er ist!“

Billstedts Volkan Al (Mi.) hatte gleich zwei ganz dicke Kopfballchancen zur Führung. Foto: timelash.de

Im Gastspiel der Elbstädter beim SC V/W Billstedt dachte man sich auch ein ums andere Mal „Oh Gott, oh Gott“ – allerdings nicht im negativen, sondern ausschließlich im positiven Sinn gemeint. Denn: Mit drei Treffern schoss Ganitis den WTSV fast im Alleingang zum Sieg! Den Anfang machte er in Minute 19, als ihm Jan Eggers den Ball aus dem Mittelkreis servierte. Anschließend drehte Ganitis noch eine Pirouette um Hüseyin Karaca und vollendete nach feiner Einzelleistung mit einem 18-Meter-Hammer in den rechten Giebel. Die Ganitis-Festspiele waren eröffnet! Allerdings hätte es zu diesem Zeitpunkt auch schon 0:2 aus Wedel-Sicht stehen können. In der Vorwoche glänzte Billstedts Volkan Al beim 3:3 in Buchholz noch mit einem Dreierpack. Heute ließ er zwei absolute Hochkaräter aus: erst kam der robuste „Zehner“ nach einem Freistoß von Fatih Okur aus drei Metern frei zum Kopfball, traf den Ball aber nicht richtig, sodass dieser links am Pfosten vorbei huschte (7.). Dann schädelte Al eine scharfe Flanke von Sandjar Ahmadi ans Quergebälk (17.). Fast im Gegenzug schlug Wedel das erste Mal eiskalt zu.

"Wo war der Kampfgeist? Wo war der Wille?"

Bitter für Wedel: Keeper Niklas Marten musste nach einem Zusammenprall mit Evailton Fernands verletzt raus. Foto: timelash.de

Apropos Wedel: Trainer Jörn Großkopf schonte vor dem Pokalspiel am Dienstag gegen den SC Victoria einige Stammkräfte. So fanden sich unter anderem Eric Agyemang, Christian Dirksen, Tim Vollmer oder auch Jorma Eggers zunächst nur auf der Bank wieder. Gar nicht erst im Kader waren Marlo Steinecke, Cody Shields oder Sonay Hayran. „Wir haben ja einen Kader zusammengestellt, der nicht nur Qualität auf den ersten elf Positionen hat, sondern in einer etwas größeren Breite. Die anderen haben auch den Anspruch zu spielen und konnten zeigen, dass sie zu unrecht draußen sitzen. Das hat der eine oder andere gemacht. Es war kein Risiko“, befand Großkopf. Während Aydin Taneli – trotz der ersten Großchancen für sein Team – von Anfang an unzufrieden war und mit seinem Team haderte. „Sauer, wütend, enttäuscht: Das ist schon die richtige Wortwahl. Das Spiel hat auch ein Stück weit wehgetan, weil ich die Jungs nicht wiedererkannt habe zu den letzten Wochen“, so Billstedts Übungsleiter, der nach dem 0:1 die dritte Al-Kopfballchance sah – diesmal nach Flanke von Tino Oschetzki. Doch: „Wir haben zwar drei Riesenmöglichkeiten, standen aber auch von Anfang an nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte und was uns zuletzt auch stark gemacht hat. Wir waren nicht richtig im Spiel. Wo war der Kampfgeist? Wo war der Wille? Das war leider nicht zu sehen.“

"Wir müssen zur Pause 3:0 oder 4:0 führen – ohne zu übertreiben"

Theo Ganitis (Mi.) war von den Hausherren nie in den Griff zu kriegen. Foto: timelash.de

Stattdessen feuerte Wedel nun aus allen Rohren in Richtung Wacker-Gehäuse. Erst vergab Dominik Mahnke nach Stafette über Christian Najjar und Tim Jeske das 2:0 kläglich, als er nach einem Ausrutscher von Adam Hamdan völlig blank vor Wiegand stand, aber nur den Außenpfosten traf (31.). Dann verfehlte Marcus Richter – nach Ganitis-Traumpass – das lange Eck nur äußerst knapp (34.), ehe V/W-Keeper Wiegand ein weiteres Mal in allerhöchster Not gegen Tim Jeske retten musste (35.). Aber das war noch nicht alles. Wacker nun mit zu vielen Fehlern im Spielaufbau. Einer davon wurde von Richter quer vors Tor gelegt, wo Hendrik Ebbecke das verwaiste Tor vor sich hatte – das Runde aber über das Eckige bugsierte (37.). Unglaublich! Einen hatten die Gäste aber noch auf Lager – und wer sollte es anders sein, als Theo Ganitis?! Richter flankte von der linken Seite auf den Griechen, der die Kugel aus der Luft pflückte und aus der Drehung vollstreckte (42.)! „Ich würde nicht sagen, dass wir uns anfangs schwer getan haben. Wir hatten ja einen Plan“, so Großkopf. „Trotzdem müssen wir zur Pause schon 3:0 oder 4:0 führen – ohne zu übertreiben.“

"Das ist sehr, sehr unglücklich und spiegelt das ganze Spiel wider"

Ganitis machte vom Punkt aus seinen Dreierpack perfekt. Foto: timelash.de

Das Ziel für den zweiten Durchgang: „Konzentriert weiterspielen.“ Doch urplötzlich kam Billstedts wieder ran – und das hatte sich zu diesem Zeitpunkt wahrlich nicht angedeutet. Gerrit Gomoll verlor auf seiner linken Abwehrseite Tino Oschetzki völlig aus den Augen, als Fatih Okur den langen Diagonalball spielte – und Oschetzki die ihm gewährten Freiheiten zum 1:2 nutzte (75.)! „Was soll ich dazu sagen?! Es ist einfach nicht gut, wie wir das verteidigt haben. Wenn der Ball nicht in unseren Reihen ist, die beiden Linken in die Offensive gehen und ihren Gegenspieler so blank stehen lassen, das darf nicht passieren“, bemängelte Großkopf das Abwehrverhalten. Während sein Gegemüber meinte: „Du machst den Anschlusstreffer, bist eigentlich wieder im Boot drin und dann machen wir keine 30 Sekunden den nächsten Fehler. Das ist natürlich sehr, sehr unglücklich und spiegelt auch das Spiel wider“, ärgerte sich Taneli über den Fauxpas von Jerry Sampaney im Aufbau und das komplett unnötige Einsteigen von Jan Collet am linken Strafraumeck gegen Jeske. Elfmeter! Natürlich eine Sache für Ganitis, der ganz cool, lässig und abgezockt zur Vorentscheidung verwandelte (76.)! Den Schlusspunkt setzte dann mal nicht Ganitis, sondern Tim Jeske, der eine tolle Flanke von Jannick Wilckens aus 14 Metern ins rechte Toreck nickte (88.)! Ebenso bezeichnend wie der Zeitpunkt des dritten Wedeler Treffers war jene Szene, die das Spiel abrundete. Nach Flanke von Evailton Fernandes konnte der fast auf Höhe der Torlinie zum Kopfball kommende Oliver Kunkel das Spielgerät nicht im Kasten unterbringen, sondern köpfte einen Wedeler Verteidiger an (90.).

"Wir hätten uns fürs Torverhältnis was Gutes tun können"

Tim Jeske (Mi.) setzte mit seinem Kopfball den Schlusspunkt. Foto: timelash.de

„Wir standen nicht richtig, haben zu oft die Ordnung vollkommen verloren, und die Präsenz, die wir in den letzten Wochen ausgestrahlt haben, war heute nicht zu sehen. Daraus müssen wir lernen, dass wir den Willen in jedem Spiel an den Tag legen müssen. Denn ohne diesen Willen und ohne Kampf wird es schwierig. Das ist nicht das Spiel, wie ich es mir vorstelle. Aber es ist jetzt nicht der Rückschlag, von dem wir uns nicht mehr erholen. Definitiv nicht. Dafür sind wir mittlerweile zu gefestigt“, bilanzierte Taneli, der mit seinen Mannen nun dem „Bigpoint-Spiel“ beim TuS Osdorf entgegenfiebert. Während Wedel vor dem Pokalduell mit Vicky – Trainer Jean-Pierre Richter weilte unter den Zuschauern – noch eine kleine Portion Selbstvertrauen tanken konnte. „Wir hätten uns heute fürs Torverhältnis noch ein bisschen was Gutes tun können – das haben wir nicht gemacht. Trotzdem bin ich zufrieden und jetzt konzentrieren wir uns voll auf Dienstag und freuen uns drauf“, so Großkopf, der sein Team in der „großen Außenseiterrolle“ sieht. Aber: Der Pokal hat ja bekanntlich seine eigenen Gesetze…

Autor: Dennis Kormanjos