Oberliga

Verrückt, verrückter – Sasel vs. Altona!

03. September 2023, 19:44 Uhr

Gianluca Przondziono (Mi.) erzielte in seinem ersten Einsatz für den AFC gleich das wichtige 1:0. Und Pedro Gomes dos Santos (re.) sorgte für die Wende. Foto: Kormanjos

„Vogelwild!“ Das erste Wort, das Marco Stier unmittelbar nach Abpfiff aus dem Mund entglitt, fasste die vorangegangenen 98 Zeigerumdrehungen ziemlich treffend zusammen. Bis zum Führungstreffer in der 65. Minute spielte eigentlich nur der Altonaer Fussball-Club am Saseler Parkweg (alle Highlights im LIVE-Ticker). „Altona war griffiger, giftiger und galliger in den Zweikämpfen. Uns haben so ein bisschen die Power und der Sprit im Tank gefehlt“, gestand der Chefcoach des amtierenden Hamburger Meisters. Doch mit der Einwechslung von Youngster Pedro Gomes dos Santos kippte die Partie – und es entwickelte sich eine völlig wilde, verrückte und abgefahrene Schlussphase…

„Wir sind auf der Position gut besetzt. Aber er bringt nochmal eine zusätzliche Note an spielerischer Qualität mit“, lobte AFC-Trainer Andreas Bergmann seinen jüngsten Neuzugang Gianluca Przondziono – und fügte an: „Er ist sehr ruhig am Ball, sehr versiert und hat für sein junges Alter schon einige Regionalliga-Einsätze hinter sich. Ich bin sehr froh, dass wir den Jungen noch dazubekommen haben, um spielerisch noch mehr Akzente setzen zu können.“ Zur zweiten Halbzeit feierte der ehemalige Teutone, der von BW Lohne an die „AJK“ gewechselt ist, sein Debüt für den neuen Club. Und wie! In der bereits besagten 65. Spielminute fasste sich Przondziono aus gut und gerne 25 Metern einfach mal ein Herz und ließ die Kugel im linken unteren Toreck einschlagen – die Führung für Altona!

Gomes dos Santos und Dreca drehen das Spiel

Jassin Zabihi (re.) versucht, AFC-Außenverteidiger Steffen Neelsen (Mi.) davon zu sprinten, konnte dem Offensivspiel des TSV Sasel aber keinerlei Impulse geben. Foto: Kormanjos

„Das haben wir nicht gut verteidigt“, haderte Stier. „Da müssen wir viel enger dran sein am Mann. Und ganz unhaltbar schien der auch nicht“, sprach der Sasel-Dompteur auf die große Entfernung und die freie Sicht für Keeper Johannes Höcker an. Nichtsdestotrotz: Das Tor war zu diesem Zeitpunkt längst verdient für die spielerisch klar dominierenden Gäste. „Das ist auch ein Stück weit darauf zurückzuführen, dass ein Spieler wie Deran Toksöz, der so ein Spiel im Mittelfeld lenken kann, ausgefallen ist“, entgegnete Stier, der zudem seinen Neuzugang Deniz Yilmaz nach einem Training direkt in die Startelf beordern musste. „Und dann fällt uns auch noch Maxi Grünberg während der ersten Halbzeit verletzt aus. Das war der nächste Nackenschlag. Wir müssen zurzeit viel wegstecken. Das nagt auch an dem einen oder anderen – das sieht man.“

Aber auch Altona musste diverse Stammkräfte ersetzen und kam damit bis dahin gut zurecht. Die Reaktion von Stier auf den Rückstand: Pedro Gomes dos Santos kam in Minute 68 für den wirkungslosen Jassin Zabihi – und auf einmal war es ein ganz anderes Spiel. Der zweite Hauptprotagonist: Benjamin Dreca. Obwohl Stier unumwunden zugab, dass der AFC in der ersten Stunde die griffigere Mannschaft war, „müssen wir das 1:0 machen“. Zumindest hätte Sasel bei Drecas Schuss, der ganz klar vom ausgespreizten Arm von Michael Ambrosius geblockt und dadurch von Dennis Lohmann entschärft werden konnte, einen Strafstoß bekommen müssen (60.). „Glasklar“, schimpfte Stier. „Er rettet den ja dadurch.“ Dreca war es auch, der nach Vorarbeit von Gomes dos Santos aus allerkürzester Entfernung an Lohmanns Sensationsreflex hängenblieb (78.).

"Du hast zwei, drei riesige Kontersituationen, wo du das 3:1 machen musst"

Sasels Linksverteidiger Sebastian Wien (re.) bearbeitet AFC-Flügelflitzer Ezra Ampofo. Foto: Kormanjos

Doch dann: Weil sich Abdul Saibou bei einem tiefen Pass verschätzte und gegen Gomes dos Santos zu spät kam, gab es völlig zurecht den schon zuvor möglichen Elfmeter für Sasel. Dreca übernahm die Verantwortung und verwandelte ganz sicher – 1:1 (83.)! Die Schlussphase entschädigte für alles, was vor allem im ersten Durchgang nicht vorhanden war. Und das Duo Dreca/Gomes dos Santos hatte noch nicht genug! Erst vergab der eingewechselte Prince Hüttner die erneute AFC-Führung, dann vertändelte er in der gleichen Aktion im Mittelkreis den Ball. Jungspund Gomes dos Santos kam mit Tempo über rechts und bediente Dreca am Sechzehner. Mit der Innenseite schoss dieser ganz überlegt rechts unten ein – 2:1 (87.)! Nun war der Parkweg ein echtes Tollhaus!

Der 18-jährige Gomes dos Santos bereitete beide Tore direkt vor und verdiente sich ein Sonderlob: „Pedro hat ordentlich Dampf ins Spiel gebracht“, befand auch Stier, der mit der Hereinnahme des Youngsters konstatierte: „Dann haben wir unser wahres Gesicht gezeigt, Gas gegeben, auf die Tube gedrückt und das Spiel mit einer richtig guten Mentalität gedreht. Letztendlich hast du zwei, drei riesige Kontersituationen, wo du das 3:1 machen musst.“ Zumal Sasel nach der Gelb-Roten Karte gegen Saibou (90. +2) in der Nachspielzeit sogar in Überzahl agierte. Fünf Minuten waren von Referee Fabian Porsch (Barsbütteler SV) angezeigt. Sechs waren bereits vorüber, als das Leder über Selim Ajkic, Veli Sulejmani und ein Abwehrbein der Saseler irgendwie doch nochmal vor die Füße von Martin Schauer fiel. Freistehend spitzelte dieser das Runde ins Eckige und sorgte für Ekstase beim AFC (90. +6)! „Ein absolutes Pingpong-Tor“, ärgerte sich Stier.

"Das ist für mich völlig unverständlich!"

Spieler und Verantwortliche feiern die Führung und den perfekten Einstand von Gianluca Przondziono, der den AFC mit seinem Distanzschuss auf die Siegerstraße brachte. Foto: Kormanjos

Aber nicht nur über das Last-Second-Gegentor, sondern auch über die zu lange Nachspielzeit: „Er hatte das Spiel super im Griff. Auf einmal fängt er an mit wilden Entscheidungen und zeigt Karten hier und da.“ In der 98. (!) Minute sah schließlich auch noch Lukas-Gabriel Kourkis den roten Karton. „Er hat fünf Minuten angezeigt und das Tor ist zu Beginn der 97. Minute gefallen. Das ist für mich völlig unverständlich! Aber es ist jetzt so, wie es ist. Dadurch fühlt sich das natürlich so ein bisschen wie eine Niederlage an. Aber trotzdem haben wir für die augenblickliche Situation eine super Ausbeute. Da kann man schon stolz auf die Jungs sein“, sprach Stier von einem „in der Summe gerechten Unentschieden“.

Dem pflichtete auch Bergmann bei: „Ein Punkt, mit dem man aufgrund der Schlussphase leben muss. Durch einen blöden Elfmeter sind wir überhaupt erst in diese Situation und durch einen katastrophalen individuellen Fehler sogar in Rückstand geraten. Wir haben 60, 70 Minuten lang dieses Spiel bestimmt, waren sehr griffig und haben kaum etwas zugelassen. Wir haben Sasel, die ja auch eine gewisse Spielkultur haben, gar nicht ins Spiel kommen lassen.“ Aber: „Wir müssen daran arbeiten, dass wir uns in Sachen Durchschlagskraft mehr belohnen. Trotzdem war das ein gutes und dominantes Spiel, obwohl uns einige, wichtige Leute gefehlt haben.“

"Müssen einfach an der Durchschlagskraft vorne arbeiten"

Sasels neuer Innenverteidiger Deniz Yilmaz (2. v. re.) musste nach einem Training mit der Mannschaft direkt von Anfang an ran. Foto: Kormanjos

Und die richtige Reaktion auf das 1:1 gegen Tornesch? „Ja, das kann man sagen. Obwohl ich ehrlicherweise sagen muss, dass ich nach dem Tornesch-Spiel gar nicht diese völlige Enttäuschung verspürt habe. Der Gegner hat nach dem ganz frühen Tor natürlich sehr verbissen gekämpft. Man hat das gestern auch bei den Bayern gesehen. Wenn man so tief steht, dann kann das nicht jeder sofort so bespielen. Und wir sind noch nicht ganz so weit. Trotzdem lag es auch da nur an der Chancenverwertung. Unterm Strich guckt man dann immer auf die Tabelle. Aber das mache ich nicht. Wir haben viel probiert und gemacht, waren nur nicht ganz so zwingend. Wir müssen einfach an der Durchschlagskraft vorne arbeiten“, so Bergmanns abschließende Erkenntnis.

Autor: Dennis Kormanjos