Landesliga Hansa

Andrades Algorithmus: Wenn der Coach zum „Freistoß-Flüsterer“ wird und der Schütze richtig zuhört

29. November 2019, 23:19 Uhr

Siegerjubel: Die SVNA-Kicker um Kapitän und Torschütze Robert Spiewak (Sechster v. li.). Foto: Herzog

Einen kleinen Seitenhieb konnte sich Gerald Grassé nicht verkneifen. Noch zu Wochenbeginn hatte der Autor dieses Textes in der wöchentlichen FussiFreunde-Kolumne „Abpfiff“ die aktuelle Lage des SV Nettelnburg-Allermöhe in der Landesliga Hansa beleuchtet. Ein Unterfangen, das darin mündete, dem SVNA die Bezeichnung „SV N(och) A(usbaufähig)“ anzudichten. Nun, das Spiel zwischen dem SVNA und dem SV Altengamme war gerade beendet worden, da grinste Grassé verschmitzt. „Was bedeutet das N und das A denn jetzt heute nach dem Spiel?“, wollte der SVNA-Fußball-Abteilungsleiter wissen und lieferte lachend seine ganz eigene Antwort: „Noch aufstiegsfähig vielleicht...!?“ Kurzum: Die Stimmung bei den Hausherren war bestens – dem Ergebnis sei dank. 

Und beim 3:1-Sieg der Gastgeber hatte schon vor Grassé noch einer bewiesen, dass er Kommunikation mit einem gewissen Schalk im Nacken bestens beherrscht: Es lief die 89. Minute der Begegnung, in der es zu diesem Zeitpunkt nach Treffern von Timo Czech für den SVNA und Dennis Reckstadt für Altengamme 1:1, stand. Schiedrsichter Marvin Vogt (SV Börnsen) hatte den Gastgebern soeben im linken Halbfeld einen Freistoß zugesprochen. Direkt vor der Trainerbank des SVNA. Weil der Ball noch nicht freigegeben war, schnappte sich Daniel Andrade-Granados kurzerhand Ruven Scharnberg und redete auf ihn ein. Dann, als die Kugel gespielt werden durfte, zirkelte der SVNA-Mittlfeldmann das Leder in den Strafraum. Direkt zu Robert Spiewak. Der brachte das Spielgerät zum 2:1 für seine Farben im Netz unter – es folgte riesengroßer Jubel. Und schließlich in der letzten Minute der Nachspielzeit nach einem verunglückten Ball von Kevin Herzberg das 3:1 der Gastgeber durch Philip Stefaniuk. Beim SVNA hatte Scharnberg übrigens zuvor Gelb-Rot gesehen.

Andrade-Granados: „Ich habe ihm gesagt, wo der Ball hinkommen soll...“

Einen Schritt eher am Ball: Timo Czech (vo.) schirmt die Kugel gegen Altengammes Jonas Buck ab. Foto: Herzog

„Ich habe Ruven beim Freistoß gesagt, wo der Ball hinkommen soll. Genau da ist er auch hingekommen – und dann ist der Ball eben glücklicherweise auch noch reingegangen“, sagte Andrade-Granados und stellte danach einen etwas abenteuerlichen Algorithmus auf, als es darum ging, wie viel Anteil denn er nun an diesem Treffer habe und wie viel die Akteure auf dem Platz, also Schütze Scharnberg und „Vollstrecker“ Spiewak: „Acht Prozent ich und 95 Prozent die Spieler“, konstatierte „DAG“ und lachte. Es waren eben mehr als 100 Prozent nötig, um die drei Punkte auf dem Kunstrasen am Katendeich zu behalten. „Ich finde, wir sind verdient in Führung gegangen. Wir waren besser am Ball“, urteilte, der SVNA-Übungsleiter, gestand aber auch ein: „Nach dem 1:0 aben wir aus unerklärlichen Gründen aufgehört. Wir haben gespielt, als wenn wir 0:2 zurück gelegen hätten. Das kann ich mir nicht erklären. Es hat den Gegner extrem ins Spiel zurückgeholt. Wir haben um das 1:1 gebettelt. Dass das dann auch fällt – dagegen kannst du in so einer Phase nichts machen.“

Andrade-Granados: „Wir sind geschwommen, als ob unsere Schwimmflügel luftleer wären“

Zwei gegen einen: Die Altengammer Philipp Heitmann (re.) und Philipp Zeyns im Duell mit Robert Spiewak. Foto: Herzog

Nach dem Ausgleich, so Andrade-Granados „haben wir dann tatsächlich eine lange Zeit so geschwommen, als wenn unsere Schwimmflügel luftleer gewesen wären.“ Letztlich aber „retteten“ die Instruktionen des „Freistoß-Flüsterers“ dann ja doch noch den „Dreier“. „Irgendwann mussten wir ja nach einer Standardsituation mal wieder ein Tor machen, nachdem wir in der vergangenen Woche (bei der 0:3-Niederlage im Auswärtsspiel gegen den FC Voran Ohe, Anm. d. Red.) drei davon kassiert haben“, stellte „DAG“ fest und fasste die Schlussphase des Spiels aus seiner Sicht wie folgt zusammen: „Es war klar, dass wir unsere Chancen bekommen, wenn Altengamme alles aufmacht. Und das mussten sie“ – schließlich wäre ein Remis für den Tabellenvierten im Duell mit dem noch immer vom Abstieg bedrohten SVNA nicht unbedingt der Erfolg gewesen, den sich die Gäste vorgenommen hatten. Auch, auf Seiten der Altengammer Top-Torjäger Sandro Schraub aufgrund seiner fünften Gelben Karte fehlte. „Dass wir auf diese Art und Weise das Tor noch erzielt haben, freut mich“, bekannte Andrade-Granados.

Krey: „Nach dem 1:1 waren unsere Hoffnungen riesig“

Unter Druck gesetzt: Der Altengammer Tim Stegmann attackiert Ruven Scharnberg (re.). Foto: Herzog

Jan Krey war der Freistoß vorm 1:2 aus Sicht der Kicker vom Gammer Weg derweil ein Dorn im Auge. „Da stellen wir uns doof an. Das darf so nicht passieren. Er schlägt den Ball einfach nur hoch bei uns zentral in den Strafraum. Aus dieser Situation darf nie ein Tor fallen“, ärgerte sich Altengammes Coach, der freimütig zugab: „Nach dem 1:1 waren unsere Hoffnungen riesig.“ In dieser Phase, so Krey weiter, „waren wir die bessere Mannschaft.“ So aber musste der SVA-Coach nach dem Schlusspfiff einen Moment lang auch Kritik üben, weil die Sache mit dem Erfolg gegen Ex-Coach Andrade-Granados nicht aufgegangen war: „Was wir uns vorwerfen lassen müssen ist, dass wir in er ersten Halbzeit erst etwas gemacht haben, als wir nach dem Gegentor etwas machen mussten. Wir müssen es einfach hinbekommen, auch beim Stand von 0:0 viel viel aktiver zu werden. Man hat ja gesehen, dass wir das können.“ Seine Elf habe sich allerdings, so Krey, „unclever angestellt. Aber ein bisschen muss ich die Jungs in Schutz nehmen: Ein reguläres Spiel war auf dem Boden (der Platz war vereist und dadurch rutschig, Anm. d. Red.) nicht möglich. Aber das galt für beide Mannschaften. Das ist also keine Ausrede.“

Jan Knötzsch 

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