BZ Ost

Bitez: „Ich wollte damals gleich den ganz großen Schritt machen“

Mihai Bitez im Gespräch: Die spannende Reise des ATSV-Torjägers

18. Oktober 2019, 13:18 Uhr

22 Tore in elf Spielen sprechen eine deutliche Sprache: Mihai Bitez (re.) ist von seinen Gegenspielern kaum in den Griff zu kriegen. Foto: timelash.de

Seine Mannschaft stolziert von Sieg zu Sieg und hat bis dato sämtlichen zwölf Kontrahenten das Nachsehen gegeben. Er selbst traf in seinen bisherigen elf Einsätzen stolze 22 Mal und ging lediglich im allerersten Saisonspiel gegen den SCVM (2:1) leer aus: Die Rede ist vom Ahrensburger TSV und seinem „Goalgetter“ Mihai Vlâdut Bitez, der nicht von ungefähr in unserer August-Umfrage zum „Kicker des Monats“ gekürt wurde. Der 26-jährige Angreifer blickt auf eine sehr ereignisreiche Laufbahn zurück. Wir haben uns mit ihm und seinem Trainer Matthias Nagel zum Interview getroffen – und Bitez plauderte dabei sehr offen über die Anfänge in seiner Heimat Rumänien, den Sprung ins Profilager, verpasste Karrierechancen, Fußball-Idol Gheorghe Hagi, den ATSV und noch vieles mehr…

Auch von einer Gesichtsmaske nach einem Nasenbruch ist Bitez nicht zu stoppen. Foto: Bode

Mit „vier, fünf Jahren“ habe alles begonnen, erinnert sich Mihai Bitez an seine fußballerischen Anfänge. Acht Jahre lang hat der inzwischen 26-Jährige in einer Jugend-Mannschaft in seinem Heimatland Rumänien gespielt – nachdem er bei einem Talentwettbewerb unter 20 Kandidaten den Sieg davon trug. Ein halbes Jahr später wurde Bitez bei einem Jugend-Finalturnier entdeckt, wie er erzählt. Damals ging es gegen Dinamo Bukarest, einem der größten Vereine in Rumänien. „Der Trainer hat mich gesehen und wollte mich haben“, verrät er. Nach gerade einmal zwei, drei Spielen für die A-Jugend von Dinamo wurde Bitez bereits zur Zweiten Mannschaft hochgezogen. „Ich habe viel und hart an mir gearbeitet“, erklärt er. Aber: „Wenn du als kleiner Junge aus einem kleinen Dorf kommst, ist es extrem schwer, sich gegen Jungs aus größeren Regionen durchzusetzen. Ich war ganz allein, hatte keinen Berater. Hinter mir standen nur meine Eltern, die immer dabei waren, mir immer geholfen und mich immer unterstützt haben.“ Das Niveau der rumänischen Zweiten Liga würde Bitez mit der „Regionalliga, vielleicht der Dritten Liga“ in Deutschland gleichsetzen. Der Unterschied: „Hier hast du in der Dritten Liga viele Tausend Zuschauer. In Rumänien sind es vielleicht 500 oder 1000 Besucher. Es gibt zwei, drei Mannschaften, wo ein paar mehr Leute kommen, aber leider ist das nicht vergleichbar zu Deutschland.“

„Mit einem Berater an meiner Seite hätte es ganz anders ausgehen können“

Auf die Frage, ob die Mannschaft schon Reif für die Landesliga ist, entgegnet Bitez: „Warum nicht?!“ Foto: timelash.de

Dennoch: Der Zweitliga-Fußball in Rumänien zählt bereits zum Profi-Geschäft – und beinahe wäre Bitez sogar der Sprung nach ganz oben vergönnt gewesen. „Wir hatten einen Trainer in der Zweiten Mannschaft, unter dem ich sieben Spiele hintereinander von Anfang an gespielt und dreimal getroffen habe. Wir waren als Mannschaft erfolgreich, haben viel gewonnen – und dann wurde er zur Ersten Mannschaft hochgezogen.“ Da witterte auch Bitez seine Chance. Und tatsächlich durfte er in dieser Zeit bei den Profis mittrainieren, fuhr sogar mit ins Trainingslager in die Türkei nach Antalya. „Ich habe mit Leuten wie Cosmin Moti oder auch Dragos Grigore, die heute in Bulgarien bei Ludogorets spielen, und Ionel Danilescu zusammentrainiert und ganz viel von ihnen gelernt.“ Doch der ganz große Durchbruch blieb ihm verwehrt. Nach viereinhalb Jahren bei Dinamo Bukarest wurde der Vertrag aufgelöst und Bitez ging nach Spanien, um dort sein Glück zu versuchen. „Aber so ganz allein an irgendwelche Türen zu klopfen und nach einem Probetraining zu fragen, ist schwer bis unmöglich. Allein hat man kaum eine Chance. Mit einem Berater an meiner Seite hätte es ganz anders ausgehen können. Doch so bin ich dann nach einem Jahr nach Rumänien zurückgekehrt und habe es dort nochmal probiert – zwei Monate lang“, ehe er mit 22 Jahren die Entscheidung traf und seinen Eltern mitteilte: „Ich muss etwas anderes machen und kann nicht immer bei euch bleiben.“

„Beide haben sich schnell integriert und Freunde in der Mannschaft gefunden“

Weiß um die Qualitäten seines Torjägers: ATSV-Coach Matthias Nagel, der mit seinem Team die BZ Ost deutlich anführt. Foto: Bode

Und so schaute sich Bitez mit seinem Kumpel Robert Ötvös im Internet nach einem Job um – und landete in der Hansestadt. „Vor mir waren schon ein paar Kumpels aus meinem Dorf hier.“ Ötvös übernahm auch die Rolle als Dolmetscher. Denn: „Ich konnte kein Wort deutsch, auch kein englisch.“ Noch ganz genau könne er sich an alles erinnern. Als wäre es gestern gewesen. An einem Dienstagabend lernten Bitez und Ötvös schließlich Jan Fricke, Co-Trainer des Ahrensburger TSV, kennen. „Sie haben mit Jan gesprochen. Er kam dann zu mir und sagte: ‚Da sind zwei Rumänen, die wollen mal mittrainieren.‘ Eigentlich der Klassiker“, erinnert sich Matthias Nagel. „Du hast es ja häufiger mal, dass welche kommen und dir erzählen, was für tolle Fußballer sie sind. Aber die beiden haben einfach nur gefragt, ob sie mal mittrainieren können. Und man hat sofort gesehen, dass sie kicken können. Da es auch sehr schnell von der Chemie her gepasst hat, haben wir für beide die Spielerlaubnis beantragt.“ So waren Bitez und Ötvös, der inzwischen jedoch wieder zurück in der Heimat ist, ein Teil des damaligen Kreisligisten und „sofort ein fester Bestandteil der Mannschaft“, so Nagel. „Beide haben sich sehr schnell integriert und genau so schnell gute Freunde in der Mannschaft gefunden.“

Hagi-Club will Bitez - „Ich habe einen großen Fehler gemacht“

An das Niveau in der Kreisliga musste sich Bitez anfangs erst gewöhnen. Für ihn ging es zu jenem Zeitpunkt allerdings nur darum, „in der Freizeit oder nach der Arbeit als Hobby weiter Fußball zu spielen. Ich wollte einfach nicht von heute auf morgen komplett aufhören – das konnte ich nicht. Denn mein ganzes Leben bestand aus Fußball.“ Während seiner Zeit in Rumänien habe er immer nur sonntags frei gehabt, berichtet er. „Von Montag bis Freitag war Training und jeden Samstag um elf Uhr hatten wir unsere Spiele. So war mein Leben.“ Ein leben, das ganz auf den Fußball ausgerichtet war – und Momente beinhaltete, die der aus Feldioara stammende Bitez heute noch bereut. „Ich musste mich damals zwischen drei Mannschaften entscheiden“, blickt er zurück. Beim ersten Team „wollte mich der Präsident unbedingt haben, kam sogar zu mir nach Hause und bot mir einen Profivertrag an“. Dann kam eine Anfrage vom Club des rumänischen Fußball-Idols Gheorghe Hagi, der seine eigene Mannschaft gründete. „Die haben von der Ersten Herren bis zur A-Jugend alle dasselbe System gespielt und einheitliches Training gemacht. Ich war im Trainingslager dabei…“ Doch dann kam Angebot Nummer drei ins Spiel. „Ich bin damals aus dem Trainingslager nach Bukarest gefahren, weil ich einfach nicht wusste, was ich machen soll. Das war ein großer Fehler von mir“, gesteht er rückblickend. „Ich habe mich dann für Dinamo Bukarest entschieden, da es in Rumänien eine große Mannschaft mit großem Bekanntheitsgrad ist.“ Und weiter: „Du kannst Profi sein in einer kleinen Mannschaft. Ich wollte damals aber gleich den ganz großen Schritt machen. Das war leider ein großer Fehler.“

„Es gab ein paar Angebote - aber nichts, worauf ich gewartet hätte“

In Rumänien kickte Bitez (Mi.) unter anderem für Dinamo Bukarest II - nun will er den ATSV in die Landesliga schießen. Foto: timelash.de

Mittlerweile ist der äußerst sympathische Bitez jedoch mit sich im Reinen und fühlt sich in Ahrensburg – weit weg von der ganz großen Fußballbühne, aber inmitten einer großen Gemeinschaft – pudelwohl: „Wir sind eine kleine Familie und verbringen auch viel Freizeit zusammen. Ich bin sehr gut integriert und freue mich, ein Teil dieser Mannschaft zu sein. Im Moment passt einfach alles.“ So sehr, dass er auch einige höherklassige Anfragen ausschlug: „Es gab ein paar Angebote, aber es war nichts dabei, worauf ich gewartet hätte.“ Auch sein Trainer weiß: „Zwischenzeitlich gab es immer mal Anfragen, aber er ist jetzt fast seit drei Jahren bei uns und letztendlich immer geblieben. Wenn natürlich mal ein lukratives Regionalliga-Angebot dabei sein sollte, muss man sich das natürlich auch anhören. Aber Mihai ist jemand, der sich in einer Mannschaft wohlfühlen muss – und ich glaube, das ist bei uns der Fall. Hinzu kommt, dass wir mit der Mannschaft momentan ja auch einen ganz guten Weg beschreiten.“ Und einen überaus erfolgreichen Weg obendrein – auch dank der Tore von Bitez. „Er ist ein Spieler, der rausgeht und jedes Spiel gewinnen will. Das will grundsätzlich jeder, aber er will es nochmal einen Tick mehr. Er hat eine überragende Qualität vorne, profitiert aber auch von den Spielern, die neben oder hinter ihm sind und ihn in Szene setzen. Wir sind wahnsinnig glücklich, dass er bei uns ist. Und auch wenn das damals eher zufällig zustande kam, passte es einfach und sollte so sein. Denn mittlerweile wohnt und arbeitet Mihai auch in Ahrensburg. Die Mannschaft weiß, was sie an Mihai hat – und andersrum genau so. Insofern sind wir einfach nur glücklich über die Konstellation!“

Autor: Dennis Kormanjos