„Unser naives romantisches Denken hat uns knallhart in die Fresse gehauen!“
Last-Minute-Sieg: Niendorf ringt Vicky nieder – auch dank Brückner
Fix und alle - aber glücklich: Nach dem Last-Minute-Sieg richtet Niendorf-Coach Ali Farhadi einige Worte des Stolzes an seine Mannschaft.
Aber zurück zu Daniel Brückner. Bis zur 90. Spielminute trat der Linksverteidiger kaum in Erscheinung. Doch dann gleich doppelt – und wie! Erst wurde der Linksfuß von einem herausragenden Diagonalball, den der kurz zuvor eingewechselte Lion Jodeit von der rechten Seite spielte, in Szene gesetzt. Daraufhin bediente Brückner am Sechzehner Magnus Hartwig, der den Ball vorzüglich an- und mitnahm und dann aus 13 Metern halblinker Position flach ins lange Eck jagte (90. +1). Es war nicht nur ein Tor, sondern das entscheidende zum 3:2 in der Nachspielzeit! „Da hat mal etwas geklappt“, witzelte Brückner. „Der Wille hat dazu geführt“, fügte der Vorlagengeber an – unmittelbar nachdem er den Sieg rettete. Denn als bereits die fünfte Minute der „Extra-Time“ lief, war es zunächst Marcel Kindler (Farhadi: „Er ist der Wahnsinn und in der Blüte seines Lebens“), der mit einem sensationellen Reflex gegen Yannick Siemsen das 3:3 verhinderte. Dann köpfte Brückner in Folge der anschließenden Ecke einen Schuss von Julian Schmid, der haargenau im rechten Giebel eingeschlagen wäre, von der Linie. Schluss!
Siemsen staubt ab, Wilhelm zaubert - Vicky mit Alu-Wucher
Erst das 3:2 vorbereitet, dann das 3:3 per Kopf verhindert: Daniel Brückner feierte eine gelungene Liga-Premiere für den NTSV.
„Alle denken: Du holst einen Ex-Profi, stellst ihn vorne rein und dann macht er zehn Tore pro Spiel. Aber so ist es nicht. Er stellt sich sowas von in den Dienst der Mannschaft, das ist der Wahnsinn. Alle Achtung und Hut ab. Ich bin stolz darauf, dass er sich hier so einbringt“, lobhudelte Farhadi seinen neuen „Star“, der schlussendlich einen genau so großen Beitrag zum Auftaktsieg lieferte, wie auch Torschütze Magnus Hartwig. Denn dieser hatte kurz nach der Pause das 2:1 auf dem Fuß, als ein Rückpass von Nil von Appen misslang und der NTSV-Angreifer sträflich frei auf Dennis Lohmann zusteuerte. Der Vicky-Fänger blieb jedoch Sieger – und auch den Abpraller konnte er nicht im Runden unterbringen (51.). „Er hat nach dieser Chance nicht aufgehört. Das ist ein ganz neuer ‚Maggi‘“, freute sich Farhadi, dessen Schützlinge überhaupt nicht in die Begegnung fanden. Nach nicht mal 120 Sekunden vergab von Appen den ersten Hochkaräter für die personell arg gebeutelten Victorianer. Wenig später war es wieder von Appen, der einen Eckball von Dennis Bergmann verlängerte, sodass Siemsen komplett ungehindert eindrücken durfte – 0:1 (13.)!
„Die ersten 20 Minuten waren nicht gut. Wir sind nicht ins Spiel gekommen“, analysierte Farhadi. Während Brückner befand: „Wir haben uns anfangs nicht an unseren Plan gehalten.“ Doch das änderte sich. Malte Wilhelm schlängelte sich die rechte Grundlinie entlang, narrte die komplette Defensive, zog erst nach innen, dann in den Rücken der Abwehr, um das Leder schließlich mit der Sohle an Lohmann vorbei zu ziehen und einzuschieben – ein bärenstarkes Solo zum Ausgleich (29.)! Nachdem Hartwig den Hundertprozenter zum 2:1 liegen ließ und auch Mustafa Ercetin nur knapp verzog (55.), musste sich das Richter-Ensemble gleich dreimal (!) dem Aluminium beugen. In Minute 59 hatte der Gast eine unfassbare Dreifach-Chance: Aber sowohl Dennis Richter als auch Julian Schmid und Luca Ernst scheiterten sowohl an Kindler als auch am Quergebälk – letzteres traf zumindest im Fall von Richter und Ernst zu. Dann beförderte Mirco Bergmann einen Freistoß an den Pfosten (65.). Und plötzlich düpierte Wilhelm die SCV-Hintermannschaft ein weiteres Mal, als er einen Freistoß aus aussichtsreicher Position kurz ausführte und Ercetin perfekt bediente. Dieser ließ sich nicht zweimal bitten und vollstreckte von halblinks – 2:1 (72.)!
Farhadi: „Ich war mit immer ganz sicher: Dieses Spiel gewinnen wir!“
Die Antwort: Referee Alexander Teuscher verwehrte den Mannen von der Hoheluft nach einem Benn-Handspiel einen Strafstoß, zeigte aber Sekunden darauf auf den Punkt, als Tim Philipp Krüger gegen Klaas Kohpeiß zu rustikal zu Werke ging. Trotz vierminütiger Unterbrechung – Niendorf-Schlussmann Kindler musste verletzungsbedingt behandelt werden – blieb D. Bergmann ganz cool. 2:2 (78.)! Beide Mannschaften waren mit dem Punkt nicht zufrieden. „Es war ein absolutes hin und her“, so Farhadi, der mit den Einwechslungen von Kilian Utcke und Lion Jodeit ein klares Zeichen setzte. „Genau das sollte es signalisieren. Auf der anderen Seite war es allerdings genauso. Das Momentum war heute aber auf unserer Seite“, jubelte der NTSV-Dompteur über den späten Luckypunch – und verriet: „Auch nach dem 0:1 war ich mir ganz klar sicher: Dieses Spiel gewinnen wir auf jeden Fall! Selbst nach dem Elfmeter zum 2:2 hatten wir nicht das Gefühl, dass wir mit einem Unentschieden zufrieden sind. Das rechne ich den Jungs noch an. Denn wir wollen immer auf Sieg spielen.“ Brückner bilanzierte unterdessen: „Glanzlos, aber am Ende verdient.“ Wenngleich das Aufeinandertreffen für einen ersten Spieltag schon jede Menge Glanz versprühte. Beide Teams gingen bei brütender Hitze an und sogar über das Limit hinaus – und das bis zur letzten Sekunde.
Richter: „Das ist einfach unclever und nicht in Ordnung“
Klaas Kohpeiß (Nr. 19) holte nach seiner Einwechselung den Elfmeter zum 2:2 raus. Am Ende reichte es aber nicht zu etwas Zählbarem.
„Beide Mannschaften waren willig und haben die Leidenschaft auf dem Platz gelassen“, urteilte auch Jean-Pierre Richter, ehe er erklärte: „Drei Gegentore sind zu viel! Wir haben letztes Jahr angefangen, und zu stabilisieren, und dann kriegst du heute drei Dinger – und was für welche“, echauffierte er sich über die Art und Weise der Gegentore. Vor allem das siegbringende für den NTSV ärgerte den Vicky-Coach: „Wir konnten letztendlich weder nach einer Führung noch nach dem Ausgleich, wo das Momentum eigentlich auf unserer Seite war, Punkte mitnehmen. In der 91. Minute dann so hoch zu verteidigen, das ist einfach unclever. Wir haben etwas zu romantisch gedacht. Und genau dieses naive romantische Denken hat uns knallhart in die Fresse gehauen. So ein Gegentor ist nicht in Ordnung. Aber alle drei Tore zeigen uns auf, woran wir arbeiten müssen.“ Abschließend gab „JPR“ zu Protokoll: „Ich glaube, dass heute jeder gesehen hat, warum wir in den letzten Wochen personell und vom Spieltaktischen her einfach nicht am Limit arbeiten konnten.“ Womit er auf die derzeit dünne Personaldecke ansprach. Auch deshalb hat man mit Jan Luka Segedi (FC Süderelbe) noch einen Neuzugang verpflichtet, der sogar von Beginn an spielte, aber komplett unauffällig blieb.