Rodrigues' Freistoß-Hammer verpasst HR späten Knockout

Joker macht Pokal-Aus vergessen – HR mit Rückschlag im Titelrennen

11. April 2015, 00:19 Uhr

Schwebte nach seinem wunderschönen Siegtreffer auf Wolke Sieben: Marcel Rodrigues (li.). Foto: noveski.com

Eigentlich hätte es als das Aufeinandertreffen zweier gut aufgelegter Teams betitelt werden sollen. Der formstarke Aufsteiger und Pokal-Halbfinalist gegen ein wiedererstarktes HR, das nach überwundener Krise noch immer um die Meisterschaft mitmischt. Doch der Fokus verschob sich am Mittwoch komplett: Nach der Spielumwertung des Viertelfinales ging es für Süderelbe vor allem darum, Moral zu zeigen und den Traum vom Pokalfinale aus den Köpfen zu kriegen. Das gelang beinahe in letzter Minute Rodrigues – und wie!

„Wir haben das Pokalspiel unter der Woche abgearbeitet, viel darüber geredet. Heute musste die Mannschaft zeigen, ob sie an so etwas zerbricht. Aber sie hat einen unglaublichen Charakter gezeigt, trotz der nur 21 Jahre Durchschnittsalter“, lobte ein nach Spielende sichtlich stolzer Richter seine Schützlinge. Diese zeigten nicht nur, dass sie mit der lange an der Tabellenspitze thronenden Spielvereinigung mithalten konnten, sie bewiesen auch einen vorbildlichen Teamgeist. Nach Shtarbevs Führungstor fand sich die gesammelte Mannschaft, inklusive Torsteher Lohmann, an der Auswechselbank zum Jubeln ein. Und wer saß dort? Der unfreiwillig zum „Mann des Spiels“ gewordene Sekac, wegen dessen Einsatz man trotz des 11:2 gegen Billstedt-Horn aus dem Pokal flog. „Er hat es für ein Freundschaftsspiel unter der Woche gehalten, dabei war es der Holsten-Pokal. Wir haben versucht, ihn aus der Schusslinie zu nehmen. Auch die ganze Mannschaft hat sich bei ihm gemeldet“, sagte Richter über den Jungen Sekac, der nach einer Stunde eingewechselt wurde.

Süderelbe beweist Moral und Teamgeist

Von Beginn an war aber von einem Knacks auf Seiten der Aufsteiger nichts zu spüren. Es ergab sich ein munteres Auf und Ab, bei dem die Gastgeber mit zunehmender Spielzeit leichte Vorteile verzeichnen konnten. Nachdem Louca diese Überlegenheit aber noch nicht nutzen konnte (25.), tat dies eine Minute später Shtarbev. Nach einem langem Ball auf rechtsaußen schüttelte er Hoppe im Laufduell ab, zog dann an diesem vorbei in die Mitte und vollendete gegen Matthäi flach ins Glück (26.). Dieses verließ sie aber nicht lange nach der bereits beschriebenen Jubelarie schon wieder. Einen von Sottorf getretenen Freistoß fälschte Bergmann mit dem Rücken so ab, dass der bereits in die andere Ecke gestartete Lohmann keine Abwehrchance mehr hatte (40.). Ein glücklicher Ausgleich, denn zuvor war HR vor allem gefährlich geworden, wenn sie durch Süderelber Fehler eingeladen wurden. Stattdessen hätte Süderelbe noch einmal zulangen können. Nachdem einer Hereingabe von der Grundlinie verpasste erst Louca, dann drosch Schuhmann den Ball übers Gehäuse (44.).

Konnte dem Ball nur hinterherschauen: HR-Tormann Adrian Matthäi. Foto: noveski.com

Größtenteils unverändert entwickelte sich auch das Spielgeschehen in Durchgang zwei. Beide Mannschaften waren weniger an kontrolliertem Spielaufbau denn an schnellem, vertikalen Angriffsspiel interessiert. Dies führte zwar zu einem hohen Tempo, allerdings auch eher zu Abspielfehlern als zu Tormöglichkeiten. Da die Gastgeber oft in vorletzter Instanz nicht den Schlüssel zum Erfolg fanden und ein Gäste-Bein den finalen Pass unterbrach, hatten HR eine Überzahl an Torabschlüssen. Der heute eher unauffällige Schneider, der über die gesamte Spielzeit keinen gefährlichen Schuss auf das Süderelber Tor abfeuern konnte, legte immerhin einige Male für seine Mitspieler auf, doch Wieckhoff und Nunes zielten zu ungenau (54., 83.). Auch sein Pass in den Lauf von Nrecaj war für diesen einen Tick zu lang (65.). „Wir haben zu wenig getan, deswegen muss man mit der Niederlage leben“, konstatierte Gästetrainer Bliemeister nach der Partie und ergänzte: „Es ist aber unglücklich, dass wir wieder wegen so einem Ding verlieren.“

Kunstschuss entscheidet Spiel

Denn dass die Freistöße im Süden Hamburgs ganz genau getreten werden, das weiß man in Halstenbek und in Rellingen spätestens seit dem Remis gegen Buchholz, als es in der Nachspielzeit Torwart Henrik Titze war, der sich den ruhenden Ball schnappte und sehenswert zum Ausgleich einschenkte. Knappe drei Wochen später liefen erneut die letzten Minuten, dieses Mal war die Zeit von Marcel Rodrigues gekommen. 30 Meter von Matthäis Kasten legte er sich die Kugel zurecht. Seine Gedanken in diesen Sekunden beschrieb er später so: „Ich habe schon vorher gesehen, dass der Torwart bei Freistößen weit vor dem Tor steht, also hab ich gedacht: Ganz ehrlich, ich schieß einfach mal aufs Tor.“ Das tat er – und wie. Während Matthäi nur staunte, senkte sich der Freistoß-Kracher ins linke obere Eck – und ließ den Kiesbarg erbeben (87.)! Ein Selbstvertrauen, das man wohl nur besitzt, wenn man schon vorher drei Freistöße direkt verwandelt hatte. Rodrigues Kunstschuss machte nicht nur in einem größtenteils ausgeglichenen Spiel den Unterschied, sondern auch das bittere Pokal-Aus vergessen.

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