LOTTO-Pokal

Mit acht (!) Mann: Heldenhafte Hamwarder haben HR am Rande einer Blamage!

17. Februar 2020, 14:58 Uhr

Der SV Hamwarde lieferte HR einen regelrechten Pokal-Fight - und das mit nur noch acht verbliebenen Akteuren sowie für Benjamin Hoops, dessen Trikot mit der Nummer 8 die Mannschaft vor dem Spiel hochhielt. Foto: Verein

Ich bin jetzt seit gefühlten 50 Jahren im Fußball und ungefähr 38 Jahre im Herrenbereich – aber so etwas habe ich auch noch nie erlebt!“, traute Maxwell Phelps seinen Augen kaum. Denn das, was sich am Sonntagnachmittag in Hamwarde abspielte, dürfte alles zuvor gewesene getoppt haben. Im LOTTO-Pokal-Achtelfinale empfing der SV Hamwarde die SV Halstenbek-Rellingen – und hatte den großen Traum, nach dem SC V/W Billstedt (1:0), den VfL Lohbrügge (1:0) und den SC Sternschanze (7:4 n. E.) den vierten Landesligisten in Folge zu eliminieren. Und tatsächlich war der krasse „Underdog“ drauf und dran, erneut Pokal-Geschichte zu schreiben – und das am Ende mit sage und schreibe acht verbliebenen Akteuren…

Es lief bereits die Nachspielzeit der Verlängerung, als der SV Hamwarde die allerletzten Kraftreserven mobilisierte, alles nach vorne warf und jegliche Art von Leidenschaft auf dem Platz ließ, als Marvin Wollan flankte und Max Scharnberg die Anlage an der Mühlenstraße per Kopf zum Beben brachte (120. +2)! Der Jubel bei den Hausherren kannte keine Grenzen mehr. „Das war einfach unglaublich, einige haben den Platz gestürmt. Das war vom Gefühl her so, als hätte Pforzheim den FC Bayern aus dem DFB-Pokal geworfen“, zog Phelps einen sehr sinnigen Vergleich, nachdem seine tapferen Schützlinge soeben das vermeintliche 2:2 erzielt und sich – mit acht Mann (!) – ins Elfmeterschießen gerettet hatten. Allerdings nur vermeintlich: Denn die Fahne des Assistenten ging hoch. Dieser wähnte Scharnberg im Abseits – und so zählte der Treffer nicht. Stattdessen schrammten desaströse Halstenbeker an einer Riesen-Blamage vorbei und dem Kreisligisten wurde eine Entscheidung vom Punkt verwehrt. „Ich bin mir sicher, dass wir es im Elfmeterschießen gepackt hätten. Die wussten auch, dass unser Torwart in der letzten Runde nicht nur einen Strafstoß im Spiel, sondern auch drei im Elfmeterschießen gehalten hat. Von daher hätten die keine Eiswürfel gepinkelt, sondern sich vermutlich in die Hose gemacht“, mutmaßte Phelps.


Das vermeintliche 2:2 im Video - Abseits oder kein Abseits?

"Mein Spieler schwört Stein und Bein, dass er nichts gemacht hat"

Denn bereits in den vorangegangenen 120 Minuten avancierte SVH-Fänger Dirk Kappmeyer mehrfach zum absoluten HR-Schreck. Mit unzähligen Paraden hielt er den Außenseiter im Spiel. Unmittelbar nach Beginn der Verlängerung war aber auch er geschlagen, als Sergio Batista Monteiro den haushohen Favoriten in Führung brachte (92.). „Dieser Treffer war mehr Abseits, als unser 2:2“, befand derweil Phelps, dessen Elf zu jenem Zeitpunkt nur noch zu zehnt auf dem Platz stand. Aufgrund einer Notbremse sah Dennis Bahr, der einen Konter unterband, den roten Karton (90.). „Eine sehr harte Entscheidung“, so Phelps. „Gelb wäre okay gewesen – zumal er nicht letzter Mann war, sondern in dieser Situation eine Zwei-gegen-Zwei-Situation vorlag“, so seine Einschätzung. „Als du ein Mann weniger bist und dann auch noch das Gegentor kassierst, denkst du natürlich: Jetzt ist es vorbei.“ Erst recht, als Arjan de Boer (Notbremse) und Niklas Hintz (Unsportlichkeit) in der 115. Spielminute ebenfalls mit der Roten Karte bedacht wurden. „Beim zweiten Platzverweis berührt er den Gegenspieler in meinen Augen gar nicht und beim dritten hat der Assistent den Schiedsrichter herbei gewunken, weil er eine Geste gesehen haben wollte. Aber mein Spieler schwört Stein und Bein, dass er nichts gemacht hat“, erklärte Phelps, der mit dem Assistenten bereits im Pokalspiel gegen Lohbrügge nicht ganz so glückliche Erfahrungen gemacht hat, als einer seiner Spieler ebenfalls vorzeitig zum Duschen geschickt wurde.

Mit acht Mann: Osterhof lässt Hamwarde-Orkan los

Marcel Schöttke erzielte das Siegtor für den Favoriten, verschoss aber auch zwei Elfmeter. Foto: KBS-Picture.de

„Vielleicht habe ich auch ein bisschen die Vereinsbrille auf, aber man hat schon bei der Begrüßung vor dem Spiel eine gewisse Antipathie gespürt. Gerade in solchen Spielen erhofft man sich ja eine gewisse Art von einem ‚Underdog-Bonus‘. Aber es war das komplette Gegenteil.“ Wer nun jedoch glaubte, es würde nur noch um die Höhe des Sieges gehen und darum, wie viele Tore die Gäste in den verbleibenden fünf Minuten noch erzielen würden, der wurde schnell eines Besseren belehrt. Denn keine 120 Sekunden nach dem dritten (!) Feldverweis legte der eingewechselte Luca Pisano einen langen Ball für Maurice Osterhof ab. Dieser schädelte zum sensationellen Ausgleich ein (117.)! Der helle Wahnsinn, was der Primus der Kreisliga 3 an diesem Nachmittag ablieferte! Eine Entscheidung vom Punkt war nicht mehr weit – doch dann schockte Marcel Schöttke, der zuvor einen Strafstoß übers Gehäuse jagte (113.), die tapferen Phelps-Kicker per Kopf und markierte das 2:1 (119.), ehe er wenig später seinen zweiten „Elfer“ verschoss. Diesmal stand die Latte im Weg (120.)! Anstatt 3:1 für HR hieß es kurz darauf 2:2 – allerdings war die Fahne des Assistenten oben.

Ein Hoch auf Hoops: "Noch nie einen so ehrlichen Typen erlebt"

Dementsprechend groß waren Ärger und Enttäuschung beim Kreisligisten. „Man hat lange Zeit keinen Klassenunterschied gesehen – und es sind ja sogar zwei Ligen, die beide Mannschaften trennen“, so Phelps, der zudem von einem „wahnsinnigen Gefühlsbad“ sprach – und von einem „riesigen Pokal-Abenteuer“, das nun hinter seinem Team legt. „Landesliga können wir scheinbar“, scherzte der 55-Jährige – auch wenn es am Sonntag letztendlich nicht ganz zur nächsten Sensation reichen sollte. Trotzdem: „Ich bin richtig stolz auf die Jungs und auf das, was sie im Pokal erreicht und geleistet haben!“ Und das, obwohl es am Mittwoch ein „kleines Gewitter“ gab, wie Phelps verriet. „Ich hatte so ein bisschen das Gefühl, dass dieses Zusammenhalts-Gefühl ein wenig verschwunden war. Deshalb haben wir Klartext gesprochen und alles aus der Welt geräumt.“ Auch für einen „ganz besonderen und wichtigen Menschen“, wie der Übungsleiter zu Protokoll gibt: Benjamin Hoops. Gegen Lohbrügge war er noch der umjubelte Siegtorschütze, aktuell fehlt er schwer erkrankt. „Ich mache das jetzt schon so lange, habe aber noch nie einen so ehrlichen und aufrichtigen Typen erlebt. Sowas gibt es wirklich selten!“ Genauso wie solche Pokal-Fights. 120 überaus ereignisreiche, turbulente und phasenweise unglaubliche Minuten, die Phelps eine schlaflose Nacht bereiteten. „Es kommt dir alles nochmal durch den Kopf. Jede Szene, jede Aktion“, so der Coach, der verdammt stolz auf seine Truppe sein kann – und dies auch ist… 

Schon beim Einmarsch beider Teams herrschte eine tolle Stimmung in Hamwarde

Autor: Dennis Kormanjos