„Kopfballstark wie Sau“: AFC-Standard krönt ein „katastrophales Spiel“

AFC dreht 0:1 im „Hamburger Clasico“ gegen BU binnen drei Minuten zu 2:1-Sieg

23. September 2018, 19:54 Uhr

Ein Ex-Altonaer und ein AFC-Akteur im Duell: Der Barmbeker Samuel Hosseini (li.) gegen William Wachowski. Foto: Genat

Der „Man of the match“ sah vom Spiel gezeichnet aus. Das Trikot von Seyhmus Atug war nach den 90 Minuten gegen den HSV Barmbek-Uhlenhorst längst nicht mehr sauber, sondern wies klare dunkle Spuren vom Boden auf. Die Haare des Innenverteidigers von Altona 93 waren nass vom Regen, der in der zweiten Hälfte über lange Strecken an der Griegstraße hinab prasselte. Und unter Atugs rechtem Auge hatte sich sogar ein grüner Halm des Rasens verirrt. Und auch, wenn der großgewachsene Abwehrmann auf den ersten Blick irgendwie mitgenommen aussah: Atug freute sich. Dem 25-Jährigen stand ein Lächeln ins Gesicht geschrieben, nachdem er zuvor mit seinem Treffer zum 2:1 das Derby (Hier gibt’s den Live-Ticker der Partie zum Nachlesen) entschieden hatte.

Nach 77 Minuten war Atug im Anschluss an eine Ecke von Niklas Siebert hochgestiegen und hatte die Kugel zum späteren Endstand über die Linie geschädelt. Nur drei Minuten davor hatte Tolga Tüter ein Zuspiel von Pablo Kunter genutzt und zum 1:1 ausgeglichen und damit überhaupt erst dafür gesorgt, dass der AFC noch einmal in die Nähe der drei Punkte kam, nachdem zuvor mit Samuel Hosseini ausgerechnet ein Ex-Altonaer BU mit einem Freistoß aus 20 Metern unter Mithilfe des rechten Innenpfostens in Führung gebracht hatte (48.). „Die Jungs, die reingekommen sind – also Tolga, Pablo und auch Maurice Schwäbe –, haben super eingeschlagen. Die Wechsel, die der Trainer vorgenommen hat, waren perfekt. Die drei haben uns, auch wenn es schwer ist, in so ein Spiel von der Bank reinzukommen, gerettet. Wenn die nicht reinkommen, passiert gar nichts. Unsere erste Elf war einfach nicht frisch. Ich kann es mir nicht erklären, aber wir waren vom Kopf her langsam“, konstatierte Atug und bekannte: „Wir hatten sehr viel Glück.“

Atug: „Die Wechsel, die der Trainer vorgenommen hat, waren perfekt“

Allein gegen zwei: Ian-Prescott Claus (vo.) spürt die Altonaer Lennart Müller (re.) und Abdullah Yilmaz im Rücken. Foto: Genat

„Aber“, so der 25-Jährige weiter, „es ist wichtig, die schlechten Spiele zu gewinnen. Das macht eine gute Mannschaft aus.“ Doch Atug wollte keinen Hehl daraus machen, dass „wir ein katastrophales Spiel gemacht haben. Wir waren nicht wach und wir können glücklich sein, dass wir jetzt die drei Punkte haben. Auch ein Unentschieden wäre gerecht gewesen. Wir dürfen uns nicht ärgern, wenn der in der letzten Minute der Ball noch reingeht und wir einen weiteren Gegentreffer kriegen.“ Damit spielte er auf eine Situation kurz vorm Schlusspfiff an, als BU gleich drei Mal das AFC-Tor anvisieren konnte, aber – zum Glück aus Altonaer Sicht – nicht ein Mal traf.

Trotz des torlosen Remis zur Halbzeit und der Tatsache, dass im ersten Durchgang nicht der AFC sondern vielmehr die Gäste die größeren Chancen für sich verbuchen könnten, sei Berkan Algan in der Ansprache in der Pause „ruhig geblieben“, verriet Atug, „der Trainer hat uns mit auf den Weg gegeben, dass wir in unserem Spiel einfach bleiben sollten. Wir sollten nichts mehr riskieren und die schwierigen Bälle, die wir teilweise gespielt haben, sein lassen. Berkan hat uns gesagt, dass wir ganz einfach nur Fußball spielen sollen. Die erste Hälfte war eine Katastrophe, ich kann mir den Knacks nicht erklären. Aber er wusste, dass wir die Kraft haben, nach der Halbzeit noch einmal zurückzukommen.“

Stier: „Wir haben es nicht verdient, hier als Verlierer vom Platz zu gehen“

Den Ball sicher abgefangen: BU-Schlussmann Oliver Gaedtke (re.) klärt vor Niklas Siebert. Foto: Genat

Genau dieser Fakt wurmte Marco Stier. „Das ist eine bittere Geschichte. Wir haben es nicht verdient, hier als Verlierer vom Platz zu gehen, weil wir über 60 Minuten eine sehr gute kämpferische Leistung gezeigt haben. Altona hat trotz des Rückstands die Disziplin beibehalten. Uns war klar, dass sie weiter gut verteidigen und auf ihre individuelle Klasse hoffen würden.“ Was sich seine Schützlinge aber „ankreiden müssen, ist die Sache, dass wir unsere Chancen nicht verwertet haben. Wir hatten allein vor der Halbzeit drei Szenen, wo es 1:0 stehen kann. Das waren riesige Bretter. Zudem haben wir keine zwingende Gelegenheit für Altona zugelassen. Das haben wir mega gemacht und ich war stolz darauf“, befand Stier.

„Ich habe den Jungs in der Pause gesagt, dass wir in der zweiten Hälfte weiter dran bleiben sollen und wir für unseren Fleiß belohnt werden“, konstatierte der BU-Übungsleiter. Genau das trat dann auch zum Teil ein, doch nach dem aus Stiers Sicht verdienten 1:0 „kam Altona mehr und mehr. Der Treffer hat uns irgendwie nicht gut getan. Der AFC hat uns nicht mehr ins Spiel kommen lassen. Wir hatten keine Aktionen mehr nach vorn und haben die Bälle leicht hergeschenkt. Der Ausgleichstreffer ärgert mich, weil die Flanke zuvor leicht zu verteidigen war, da sie nicht aus vollem Lauf kam.“ Dass der AFC gerne aus Standards erfolgreich sei, „wussten wir“, sagte Stier mit Blick auf das 2:1, „Atug, Lennart Müller und Abdullah Yilmaz sind drei riesige Türme. Altona ist kopfballstark wie Sau. Den macht Atug super rein.“

Algan: „Wir waren tüchtig und haben uns das Glück erzwungen“

Lang gemacht: Altonas Vincent Boock (re.) fährt gegen den Ex-Altonaer Ronny Buchholz das Bein aus. Foto: Genat

Das Ganze sei, so Stier, „ärgerlich für uns, aber wir werden trotzdem unser Ziel erreichen und oben mitmischen. Auch Altona spielt oben eine sehr große Rolle. Das ist eine wirklich tolle, schwer zu bespielende Truppe“, lobte der BU-Coach und erntete bei der Pressekonferenz Applaus, ehe Berkan Algan das Wort ergriff. „Wir hätten in der ersten Hälfte definitiv zurückliegen müssen, gehen aber mit dem 0:0 in die Pause. Es gibt so Aussagen im Fußball, die einfach zutreffen: Das Glück hat nur der Tüchtige“, resümierte der AFC-Trainer und ergänzte: „Wir waren tüchtig und haben uns das Glück erzwungen. Wie Marco schon gesagt hat: Wir haben unsere gruppentaktische Ordnung beibehalten und die Momente für uns genutzt. In der ersten Hälfte ist uns das nicht gelungen, da haben wir den richtigen Moment, zu einer Chance zu kommen, immer wieder verpasst. Aber da kräht am Ende kein Hahn mehr nach. Also putzen wir uns jetzt den Mund ab und freuen uns, dass die drei Punkte hierbleiben.“

Jan Knötzsch

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