LOTTO-Pokal-Halbfinale

Gehrke macht den Beckenbauer, Cordi „wehrlos“ – und Teutonia 05 immer nach dem (erfolgreichen) Schema „F“

10. April 2023, 19:24 Uhr

Der FC Teutonia 05 feiert den 7:1-Kantersieg bei hoffnungslos unterlegenen Concorden und steht erneut im Pokalfinale. Foto: noveski.com

WM 1990: Die magische Nacht von Rom. Ganz alleine und nur für sich schritt Franz Beckenbauer über den Rasen im Olympiastadion. Zum zweiten Mal – 1974 als Spieler – wurde die „Lichtgestalt“ des deutschen Fußballs mit dem DFB-Team Weltmeister. Diesmal als Teamchef. Und Beckenbauer nahm sich diesen (ersten) Augenblick nur für sich selbst. Eine Erinnerung, die sofort hochkam, als Cordi-Coach Stefan Gehrke auch noch eine Viertelstunde nach Spielschluss über den Platz im Sportpark Hinschenfelde marschierte und seine Gedanken sortierte. Wenige Augenblicke später nahm er auf der Ersatzbank Platz – und ließ die vorangegangenen 90 Minuten Revue passieren. Ganz alleine und nur für sich selbst…

Das Führungstor: Maik Lukowicz (li.) hat nach mustergültigem Istefo-Zuspiel von rechts überhaupt keine Mühe mehr. Foto: noveski.com

„Wenn du ins Finale kommen willst, dann geht das eben nur, wenn der Goliath einen absoluten Scheiß-Tag hat und wir als Underdog alles in die Waagschale werfen. Das habe ich ein bisschen vermisst“, brachte Gehrke seine Enttäuschung klar zum Ausdruck. „Man muss auch ganz ehrlich gestehen, dass nachher zu wenig Gegenwehr kam. So kannst du ein Pokalspiel als Außenseiter gegen den Favoriten nicht spielen“, so der Chefcoach des Oberligisten. Und weiter: „Das ist das Enttäuschende, dass man sich in so einem Spiel, mit dem Finaltag der Amateure im Blick, so wehrlos hingibt.“

Im Sportpark Hinschenfelde waren noch keine 20 Zeigerumdrehungen vorüber, als das LOTTO-Pokal-Halbfinale zwischen Concordia Hamburg und dem favorisierten FC Teutonia 05 (alle Highlights im LIVE-Ticker) bereits einer vermeintlichen Vorentscheidung nahe war und das Trainerduo des Oberligisten offenbar genug gesehen hatte: Lautstark rief Co-Trainer Thomas Bohlen die bereits beim Warmmachen befindlichen Ersatzspieler Marius Mohr und Lawrence Schön zur Bank. Beim Stand von 0:2 bahnte sich der erste Doppelwechsel an, als Enock Hartwig urplötzlich nach einem ruhenden Ball wieder für etwas Spannung sorgte und den Ball ins rechte Toreck köpfte – nur noch 1:2 (21.)! Cordi war aus dem Nichts zurück – dennoch kam es zum Doppelwechsel: Mohr und Schön ersetzten die völlig überforderten Marius Strohschänk und Muhamed Ajruli, die das auch ohne eine Gefühlsregung hinnahmen (22.).

Alle Gegentore nach dem gleichen Schema

Ähnliches Bild, gleiches Schema: Das 2:0 für den Favoriten durch Affam Ifeadigo (Mi.), der nach Brodersen-Querpass nur noch den Fuß hinhalten muss. Foto: noveski.com

„Wir mussten die Spieler immer wieder coachen. Und dann fallen die ersten Tore alle nach dem gleichen Schema. Das ist natürlich ärgerlich, weil du dir das gegen so eine Truppe nicht erlauben darfst“, brachte es Gehrke auf den Punkt. Zwar setzte Schön unmittelbar nach seiner Einwechslung gleich offensive Akzente, besser wurde es aus Sicht des Außenseiters aber nicht. Insbesondere ein Mann hatte immer wieder alle Zeit und sämtlichen Platz der Welt: Fabian Istefo. Der rechte Flügelspieler der Teutonen bewies gleich dreimal (!) völlig freistehend das Auge für den in der Mitte besser postierten Nebenmann.

So hatten Maik Lukowicz (5.), Erolind Krasniqi (36.) und Ole Wohlers (38.) nach mustergültiger Vorarbeit von „Blondschopf“ Istefo keinerlei Mühe mehr! Auch das zwischenzeitliche 2:0 nach gerade mal neun Minuten war nahezu eine Kopie der anderen Gegentore: Diesmal brachte aber Leonard Bordersen nach tollem Krasniqi-Pass den Ball scharf vors Tor, so dass Affam Ifeadigo nur noch den Schlappen hinhalten musste (9.)!

"Die Jungs haben von der ersten Sekunde gezeigt, dass sie ins Finale wollen"

Das 1:4: Diesmal ist es Ole Wohlers (Mi.), der am zweiten Pfosten kaum Gegenwehr mehr hat und unter die Latte einschweißt. Foto: noveski.com

Die Spannung erstickten die Gäste früh im Keime und sorgten für klare Verhältnisse. Nach 45 Minuten war das Halbfinale entschieden – und im zweiten Durchgang wurde es dann richtig bitter aus Cordi-Sicht! Teutonia konnte schalten und walten, wie man wollte. Die Gehrke-Elf zeigte keine Gegenwehr mehr. Beispiel: Ifeadigo legte eine flache Hereingabe von Ole Wohlers mit der Sohle für Krasniqi ab, der das Runde mit der rechten Innenseite in den rechten Knick streichelte (54.)! Kapitän Marcus Coffie per Kopf nach Ifeadigo-Flanke (56.) und Wohlers mit einem herrlichen Heber nach einem langen Ball von Nick Brisevac (61.) – 7:1! Die restliche halbe Stunde war ein Schaulaufen – und die Hausherren mit dem Ergebnis noch gut bedient.

„Wir wollten natürlich zusehen, dass wir möglichst früh ein Tor machen – und dieses Spiel einfach gewinnen“, so die Marschroute der klar überlegenen Gäste. „Mit dem 3:1 und dem 4:1 vor der Halbzeit war die Partie eigentlich gegessen“, wusste auch Teutonen-Trainer David Bergner, dass da nichts mehr anbrennen würde. „Ich glaube, die Jungs haben von der ersten Sekunde gezeigt, dass sie ins Finale wollen. Das hat man gespürt und gesehen“, standen Bergner Freude und Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Zumal er wusste: „Von uns wurde das verlangt.“

"Dass die so hoch stehen, haben wir nicht gedacht"

Der fünfte Streich: Erolind Krasniqi (li.), der ebenfalls ein starkes Spiel machte, streuchelt die Kugel nach einer Sohlenablage von Ifeadigo in den Winkel. Foto: noveski.com

Dementsprechend war man nach den 90 Minuten „überglücklich“, gab Bergner zu Protokoll. „Das war unser Ziel – das haben wir erreicht. Wir wollten unbedingt nochmal so ein Spiel wie im letzten Jahr gegen RB Leipzig haben“, hat man das große Ziel weiter fest im Blick. Dass es der Gegner den Mannen von der Kreuzkirche aber so leicht machen würde, damit war nicht unbedingt zu rechnen.

„Wir wussten schon, dass Cordi attraktiven Fußball spielen und sich nicht hinten reinstellen will. Die haben hoch gepresst – und das haben wir letztendlich genutzt. Denn genau das ist ja schon so ein bisschen unsere Waffe: Hinter die Kette zu kommen, den Querpass zu spielen und den Ball dann reinzumachen. Dass die so hoch stehen, haben wir nicht gedacht. Aber wir beschweren uns darüber sicher auch nicht“, entgegnete Bergner.

"Wir haben denen genau in die Karten gespielt"

Das halbe Dutzend ist voll: Marcus Coffie (Mi.) köpft eine Ifeadigo-Hereingabe von der Grundlinie in die Maschen. Foto: noveski.com

Während Gehrke befand: „Es ist ärgerlich, dass wir das Ding im Grunde genommen schon in den ersten zehn Minuten hergeschenkt und leider Gottes auch genau die Fehler gemacht haben, die wir in der Videoanalyse immer wieder angesagt haben. Am Ende spielen die das natürlich locker runter.“ Allerdings mutmaßte der Cordi-Coach auch: „Wenn man mit dem Mut, dem Willen, der Leidenschaft und der körperlichen Präsenz wie gegen Dassendorf ins Spiel gegangen wäre, wären die vielleicht nicht so früh in Führung gegangen. Und man weiß ja wie das ist, wenn man lange die Null hält oder es zumindest knapp steht. Aber wir haben denen leider genau in die Karten gespielt, was wir nicht machen wollten“, saß die Enttäuschung tief.

Aber: „Es war trotzdem ein geiles Pokaljahr. So weit ist Cordi ewig nicht mehr gekommen.“ Und dennoch überwog am Ende die Trauer über die schwache Darbietung…

Autor: Dennis Kormanjos

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