Landesliga 02

Ein Netzbandt allein reicht nicht: Sinik-Debüt geglückt – Famoser ASV Hamburg setzt späten „Punch“!

13. Februar 2022, 18:58 Uhr

Die Mannschaft des ASV Hamburg bejubelt den hochverdienten 4:2-Sieg über den gestürzten Primus FC Türkiye. Foto: Kormanjos

Sie kämpften, versuchten und probierten alles – am Ende aber vergeblich: Bereits während des Warmmachens signalisierte Abdul-Nafe Farahi, dass er Schmerzen habe und nicht von Anfang an spielen könne. Der nächste Schlag für einen ohnehin schon leicht „angeknockten“ ASV Hamburg. Denn: Der Tabellendritte musste im absoluten Spitzenspiel der Landesliga-Staffel 2 gegen den FC Türkiye (alle Highlights im LIVE-Ticker zum Nachlesen), der die Tabellenführung vom Klub Kosova zurückerobern wollte, bereits auf absolute Leistungsträger wie Mittelfeld-Regisseur Luis Hacker oder auch Torjäger Tolga Tüter verzichten. Für Farahi, der eigentlich die Startelf anführen sollte, rückte der zuletzt leicht kränkelnde Neuzugang Wasim Sarwari (FC Süderelbe) in die Anfangsformation.

Nikola Kosanic (li.) klatscht nach seiner Freistoß-Vorlage zum 1:1 ab. Foto: Kormanjos

„Den Spielern war bewusst, dass es für uns darum geht, entweder noch nach oben gucken zu können – oder aber schon für die nächste Saison zu planen“, war die Partie gegen Türkiye für den ASV und Neucoach Serdar Sinik ein wahrhaftiges „Do-or-die“-Spiel. „Die Jungs waren dementsprechend heiß, auch ich war in meinem ersten Spiel heiß“, machte Sinik im Anschluss an fulminante 95 Minuten, die einem Spitzenspiel absolut würdig waren, keinen Hehl aus seiner Gefühlswelt. Und das trotz der Ausfälle: „Abdul war natürlich unerwartet, auch Luis‘ Fehlen war ein herber Verlust. Aber ich habe glücklicherweise die Leute, die das kompensieren können. Und ich bin stolz auf die Jungs, die das kompensiert haben.“

"Haben überhaupt nicht die Gefahr ausgestrahlt, die man ausstrahlen muss"

Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Der aus der Oberliga verpflichtete Sarwari leitete mit einem leicht abgefälschten 16-Meter-Strahl die Wende kurz vor der Pause ein (42.). Kurz zuvor hatte bereits Vedat Barlak nach einem unheimlich scharfen Freistoß von Nikola Kosanic die frühe Türkiye-Führung egalisiert (38.). „Wir haben es zwar 20 Minuten lang ordentlich gemacht und wenig zugelassen, aber überhaupt nicht die Gefahr ausgestrahlt, die man ausstrahlen muss, wenn man ein Spiel erfolgreich gestalten will“, brachte es FCT-Trainer Jörn Großkopf im Anschluss auf den Punkt. Seine Elf lebte mal wieder von einem Mann: „Tormaschine“ Michel Netzbandt.

Netzbandt-Doppelpack reicht Türkiye nicht

Der ASV Hamburg außer Rand und Band. Der ganz starke Rathwan Al Radi (2. v. li.) dreht nach seinem entscheidenden Treffer jubelnd ab... Foto: Kormanjos

Eine gute Viertelstunde war an der Snitgerreihe vorüber, als Netzbandt den Ball von Roberto d’Urso in den Fuß gespielt bekam und sah, dass ASV-Fänger Michael Albot weit vor seinem Gehäuse postiert war. Aus gut und gerne 28 Metern schlenzte Netzbandt das Leder über den Keeper hinweg in den linken Knick – ein Wahnsinns-Tor (15.)! „Den wollte ich genau so machen“, verriet der Ex-Concorde später. Und der 26-Jährige war es auch, der sieben Minuten vor Ende der Begegnung nach einem blitzschnell und kurz ausgeführten Freistoß von d’Urso auf einmal völlig blank vor Albot auftauchte, diesem das Spielgerät durch die Hosenträger schob, seinen 19. Treffer im neunten Spiel für die Wilhelmsburger erzielte – und auf 2:2 stellte (83.)! Der FC Türkiye ist Michel Netzbandt! Doch ein Netzbandt allein reichte an diesem Nachmittag nicht aus.

ASV Hamburg unbeeindruckt vom Schock

Der bärenstark aufspielende, viel griffiger und williger agierende ASV zeigte sich von dem späten Schock gänzlich unbeeindruckt. Wieder war es der nimmermüde Kosanic, der mit seinem ruhenden Ball aus dem Halbfeld den Kopf des eingewechselten Nazar Masharqi fand. Dieser ließ das Leder über die Haarspitzen tropfen, Frederic Böse derweil durch die Hände gleiten – 3:2 (87.)! Überschwänglicher Jubel bei den Hausherren über den verdienten späten „Punch“ (siehe Video)!

Masharqi stark, Al Radi überragend - 4:2!

... und stürmt zur Ersatzbank in die Arme von Ex-ASV-Coach Ghazi Mustapha. Foto: Kormanjos

Doch damit nicht genug. Inzwischen war auch der angeschlagene Farahi auf dem Platz und bediente Masharqi, der beim 2:2 noch schlief und Netzbandt passieren ließ. Der 3:2-Schütze, der zuvor schon den Ball in der eigenen Hälfte eroberte und drei Mann wie Statisten abschüttelte, sah den in seinem Rücken startenden Rathwan Al Radi. Der überragende „Flügelflitzer“ war auf und davon – und veredelte den Angriff mit dem Tor zum 4:2-Endstand (90. +3)! Damit krönte Al Radi seine unfassbare Leistung. Bereits in der 68. Minute hatte er nach einem Standard – zweimal parierte Albot in sensationeller Manier – mit vollem Körpereinsatz und Risiko den Ball von der eigenen Torlinie geköpft.

"Wenn Disziplin und Einstellung da sind, sind wir schwer zu schlagen!"

„Ich finde, dass meine Mannschaft heute sowohl spielerisch als auch taktisch und läuferisch hochverdient gewonnen hat. Wenn die Disziplin da ist, wenn die Einstellung da ist, dann sind wir schwer zu schlagen! Jetzt haben wir die Chance gewahrt“, strahlte Sinik nach seinem geglückten Einstand als ASV-Coach. Auch sein Gegenüber gab unumwunden zu, dass der Sieg der Hausherren „auf jeden Fall aufgrund der ersten Halbzeit“ verdient war. „Wir sind in der zweiten Halbzeit besser ins Spiel gekommen, haben auch das 2:2 gemacht, kriegen dann aber ein Tor nach einem Standard, wo wir das einfach besser verteidigen müssen – obwohl der Schütze laut Schiedsrichter-Beobachter im Abseits stand“, so Großkopf.

85 Tage ohne Spiel: "Da sind Spiele ausgefallen, die gar nicht hätten ausfallen dürfen!"

Der Rest war unbändiger Jubel beim ASV. Durch den Sieg hat man das Titelrennen wieder spannend gemacht. Foto: Kormanjos

Nichtsdestotrotz betonte er: „Wir haben jetzt mal ein Spiel verloren. Es ist noch gar nichts los. Ich mache mir auch gar keine Sorgen. Aber wir müssen an ein paar Stellschrauben drehen. Und wir haben schon am Freitag die Chance dazu, es besser zu machen.“ Dem FC Türkiye war die lange Pause durchaus anzumerken. Der ASV wirkte viel frischer und galliger. „Ich wollte es eigentlich gar nicht thematisieren“, entgegnete Großkopf zunächst auf Nachfrage, führte dann aber aus: „Es ist nun mal, wie es ist. Wir haben seit über 85 Tagen kein Punktspiel mehr gehabt. Da sind Spiele ausgefallen, die gar nicht ausfallen hätten dürfen. Aber es wird den Vereinen einfach zu leicht gemacht! Natürlich steht die Gesundheit von uns allen an erster Stelle. Aber wenn man so lange nicht gespielt hat, dann können sämtliche Automatismen gar nicht greifen und funktionieren.“

"Der ASV hat das gut gemacht und verdient gewonnen"

Allerdings wollte er die Tatsache gar nicht als Ausrede nutzen. Ganz im Gegenteil. „Der ASV hat das sehr, sehr ordentlich gemacht, das muss man einfach sagen. Die haben sich gut verstärkt und heute einfach verdient gewonnen. Für meine Mannschaft ist das jetzt auch so ein kleiner Prüfstein, wie man damit umgeht. Denn die kennen das natürlich nicht. Aber wir haben genug Charakter“, geht er von einer Reaktion seiner Equipe am kommenden Freitag in Ohe aus.

Autor: Dennis Kormanjos