Der „Fehlschuss des Jahres“ und ein Ass im Ärmel, das nicht gezogen werden muss…

Trotz Führung: BU verliert Spiel in erster Hälfte - Sasel-Spektakel in Hälfte zwei

05. November 2017, 19:01 Uhr

Den Zeigefinger hoch! Seht her, liebe Leute - scheint sich Bünyamin Balat nach seinem fulminanten Strahl in den Giebel zum Saseler Sieg zu denken. Foto: Damm

Es war ein Oberliga-Spiel mit unheimlich vielen Facetten, zwei Mannschaften, die im selben System unterwegs sind, dieses aber komplett unterschiedlich interpretieren, und vielen Situationen, die ein gutes Fußballspiel ausmachen: Tore, Spannung, Emotionen – und wenn es nach BU-Trainer Frank Pieper geht, dann sah dieser 45 Minuten voller vergebener Großchancen. „Wir haben das Spiel in der ersten Halbzeit verloren!“ Eine Aussage, die der Coach der Barmbeker trotz einer 1:0-Pausenführung traf. Aber am Ende jubelte der TSV Sasel vor 325 Zuschauern im Stadion an der Dieselstraße. 

Die frühe BU-Führung durch Mo Labiadh (re.), der flach ins lange Eck trifft. Foto: Damm

„Wir haben das Spiel immer kontrolliert, wurden dann aber etwas zu mutig und haben unser System nicht mehr ganz gehalten“, erklärte Danny Zankl das, was seine, Team im ersten Durchgang widerfuhr. Denn: trotz spielerischer Dominanz der Gäste vom Parkweg waren es die Hausherren, die den Führungstreffer erzielten, weil sich Janis Korczanowski – von dem noch die Rede sein wird – links auf Höhe der Mittellinie mit einer Körpertäuschung zunächst stark behauptete und damit viel Platz verschaffte. Dann spielte er einen traumhaften Diagonalball auf den rechts völlig alleingelassenen Mohamed Labiadh – und dieser vollendete trocken ins lange Eck (12.)! Was nun folgte, war Chancenwucher par excellence und teilweise sogar Slapstick vom Allerfeinsten. „Wir müssen aus den vier Chancen zwei oder drei Tore machen – wenn nicht sogar vier“, hatte Pieper das 1:0 bereits mit in das einbezogen, was nun geschah. Dominik Siewert bediente auf dem rechten Flügel Korczanowski, dessen Flanke auf dem Kopf des völlig freistehenden Chris Heuermann landete. Doch der konnte Todd Tuffour, der einen unglaublichen Reflex auspackte, aus vier Metern nicht überwinden (28.). Hundertprozenter Nummer eins!

Nach Super-Solo: Korczanowski verfehlt leeres Tor

Anschließend durfte gejubelt werden... Foto: Damm

Dann kam es zu der wohl meist diskutierten Szene: Mazlum Oguz narrte am Mittelkreis Bünyamin Balat und Edin Tanovic und spielte dann einen sensationellen Steilpass mit dem Außenrist auf Korczanowski. Dieser umkurvte den weit aus seinem Tor eilenden Tuffour, ließ zwei Verteidiger nacheinander ins Leere rutschen und hatte dann das komplett verwaiste Gehäuse vor sich. Doch der ansonsten bärenstarke „Blondschopf“ schob das Runde aus kürzester Distanz links am Eckigen vorbei (34.). Unglaublich! Auf der Barmbeker Bank sackten sie alle zusammen und konnten kaum glauben, was gerade passierte. Bis zum Abschluss hatte Korczanowski alles, aber auch wirklich alles richtig gemacht – doch dann versagten ihm die Nerven. „Das ist brutal und tut mir total leid für ihn“, versuchte auch Pieper, seinen Offensivakteur zu trösten. Allerdings steckte der einstige Concorde nicht auf und schickte nur wenig später Labiadh auf die Reise, der auf halblinks freie Bahn hatte, mit seinem Heber aber an Tuffour scheiterte (41.). Wäre es für Sasel ganz blöd gelaufen, hätte es nach 45 Minuten 4:0 für BU heißen können. „Das kann man so oder so auslegen“, entgegnete Zankl auf Nachfrage und fügte an: „Klar, wir laufen neben dem Gegentor noch in zwei, drei weitere krasse Situationen rein, haben vorne aber auch zwei, drei Aktionen in der Box, wo wir ein Tor machen können. Natürlich kann man sagen, dass wir 0:2 zur Halbzeit zurückliegen können. Wenn wir mit den Kontern aber richtig Glück haben, können wir sogar führen. Letztendlich haben wir aber Glück, dass sie uns am Leben lassen.“

"Wir waren auf einmal acht Stürmer - sechs sind bei mir ja noch in Ordnung"

Chris Heuermann (2. v. li.) kann es kaum glauben, dass er diesen Hochkaräter nicht an Sasel-Keeper Todd Tuffour vorbei bringen kann. Foto: Damm

Und da es tatsächlich „nur“ 1:0 für die Barmbeker stand, hatte auch Zankl mit seiner Aussage kein Unrecht. Denn: erst verzog Lukas-Gabriel Kourkis nach zuvor tollem Spielzug über Balat und Daniel Lichy (11.), ehe Tobias Steddin nach einem Zankl-Freistoß aus drei Metern die Kugel nicht traf (23.). Und schließlich rutschte Yannis Büge in eine Hereingabe von Lukas Wenzel hinein, bekam dabei aber keinen Druck mehr hinter den Ball, sodass Kaspars Plendiskis die Gefahr entschärfen konnte (38.). Danny Zankl zum Abwehrverhalten seiner Elf im ersten Abschnitt: „Wir haben es im Kopfballduell nicht gut gemacht, waren da nicht so präsent und haben sie flanken lassen – das sind aber alles Kontersituationen gewesen. Dennoch hat die Absicherung in den Angriffen gefehlt und wir haben etwas zu naiv gespielt. Wir waren auf einmal acht Stürmer – sechs sind ja noch in Ordnung bei mir, aber acht ist ein bisschen zu viel – und dann ist es natürlich nicht einfach gegen die Qualität von Korczanowski und Konsorten.“ Das habe man in der Pause angesprochen und von da an „waren wir stabiler“, so Zankl, dessen Equipe nur 240 Sekunden nach Wiederanpfiff ihre ganze Klasse zeigte. Erst kombinierten sich Büge und Kourkis auf links durch die BU-Hintermannschaft, dann spielten Letztgenannter und Nico Zankl im „One-Touch-Stil“ einen doppelten Doppelpass, den der „Zehner“ mit einem gekonnten Linksschuss aus 16 Metern ins rechte untere Toreck veredelte (49.)! Nach den ausgelassenen BU-Hochkarätern im ersten Durchgang musste es fast so kommen – wenngleich die Pieper-Schützlinge nicht klein bei gaben. „Ich habe den Jungs gesagt, dass wir in den letzten vier Spielen jeweils direkt nach der Halbzeit eine Großchance hatten. Auch dieses Mal werden wir die kriegen und dann auch nutzen“, verriet Pieper beim Gang aus der Kabine.

Fauxpas vergessen: Korczanowski trifft - Zankl philosophiert über Ass im Ärmel

Nico Zankl (li.) schließt einen Traum-Angriff zum 1:1 ab. Kaspars Plendiskis Strecke sich vergeblich. Foto: Damm

Zunächst folgte jedoch der Nackenschlag – doch zur angesprochenen „Großchance“ kam es kurz darauf, weil Sasel-Keeper Tuffour nach einem Rückpass von Marwin Bolz die spielerische Lösung suchen wollte, damit aber den Ball genau in die Füße von Korczanowski spielte. Dieser machte seinen Fauxpas vergessen und krönte seine Leistung mit einem wuchtigen 16-Meter-Hammer unter die Latte – 2:1 (51.)! „Danach hatten wir von draußen den Eindruck, dass die Mannschaft wieder das Gefühl hatte, jetzt etwas zu verlieren zu haben – und dann gehen wir zurück, anstatt die Zweikämpfe wieder anzunehmen, den Gegner vorzuschieben und rechtzeitig unter Druck zu setzen. Wir haben ihnen dann so ein bisschen das Feld überlassen, was wir gar nicht hätten machen müssen und was auch gar nicht so besprochen war“, befand Pieper. Während Zankl gestand: „Ich war in der Phase hart am Überlegen, was jetzt das Ass im Ärmel sein könnte. Wir haben schon sämtliche Systeme mit Zweierkette hinten und vier Stürmern durchgespielt und wollten richtig ins Risiko gehen – auch beim Unentschieden. Selbst da war mir klar: wenn wir wechseln, dann mit Risiko.“ Doch das war im Nachhinein gar nicht nötig.

"Obwohl wir es nicht gut machen, müssen die Chancen mindestens für einen Punkt reichen"

Das 2:1 für den TSV: Lukas Kourkis (li.) murmelt das Runde vor Ilias Ide ins Eckige. Foto: Damm

Nachdem Kourkis (54.) und Zankl, dessen Freistoß auf die Latte titschte (59.), den Ausgleich noch verpassten, machte es der nun immer überlegenere TSV wenig später deutlich besser. Wieder steckte Büge im richtigen Moment durch, dieses Mal für Lukas Wenzel, der dem viel zu halbherzig und deutlich zu spät zurück arbeitenden Christian Degener entwischte und aus halbrechter Position das lange Eck anvisierte – dort grätschte Kourkis das Spielgerät unter Bedrängnis über die Linie (63.)! Es war ein äußerst ansehnliches Oberligaspiel, das ja noch nicht vorbei war. Denn plötzlich hatte BU wieder die Chance zur Antwort, aber der eingewechselte Kevin Lange zielte aus 14 Metern zu ungenau und traf nach zu kurzer Abwehr von Tuffour nur das Außennetz (69.). Aber dann: über Zankl und Lichy kam der Ball zu Balat, dem der Ex-Saseler Oguz die Innenbahn öffnete. Das nahm der Linksfuß dankend an und zimmerte das Leder mit seiner unfassbaren Schusstechnik aus 22 Metern links oben in den Giebel – ein Traumtor (75.)! Und schlussendlich auch das spielentscheidende Tor, da Niklas Sabas nach einem unglücklich verursachten Eckball der Gäste nur den Rücken von Wenzel traf (87.). 


„Nichtsdestotrotz und obwohl wir es in der zweiten Halbzeit nicht mehr gut gemacht haben, müssen die Torchancen, die wir trotz dessen hatten, eigentlich ausreichen, um Minimum einen Punkt mitzunehmen – vielleicht sogar um zu gewinnen. Und das ist dann ganz bitter, wenn man mit so einer schwachen zweiten Halbzeit und den Torchancen, die man trotzdem hat, nicht als Sieger vom Platz geht“, bilanzierte Pieper. Während Zankl konstatierte: „Unser Defensivverhalten war in der ersten Halbzeit gegen den Mann nicht gut – aber in der zweiten Halbzeit war es gut. Da haben wir es sehr effektiv umgesetzt. Ich habe in der Halbzeit aber auch klar angesagt: ‚Im letzten Drittel ist jetzt mehr Risiko angesagt.‘ Wir sind sehr, sehr froh, auswärts etwas geholt zu haben. Es ist nicht einfach und unangenehm, gegen BU zu spielen. Aber wir haben eine sehr gute Moral bewiesen.“

Autor: Dennis Kormanjos

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