Bramfeld wieder zweistellig und "on top" - aber die Freude ist gedämpft

Elazig Spor geht nach starkem Beginn unter - "Haben zu viele Häuptlinge"

05. Oktober 2018, 23:50 Uhr

Zumindest ein kleines Lächeln huscht BSV-Coach Carsten Henning übers Gesicht - während sein Team im Hintergrund den Kantersieg und die Tabellenführung feiert. Foto: Bode

Gerade hatte sich Onur Akdogan nach einem Schubser gegen Nick Mohr die Rote Karte abgeholt, da schlich er vom Platz und konstatierte beim Verlassen der Anlage: „Ich habe noch nie zweistellig verloren!“ Neun Minuten waren da noch auf der Uhr - und sein FC Elazig Spor lag gegen den Bramfelder SV mit 2:8 im Hintertreffen. Wenn es also den richtigen Zeitpunkt für eine Hinausstellung gibt, dann erwischte Akdogan diesen. Denn am Ende stand für das Schlusslicht ein 2:11 zu Buche (alle Highlights im LIVE-Ticker)! „Es spricht für den Charakter und die Moral der Mannschaft momentan“, fand Trainer Hüseyin Aydin im Anschluss deutliche Worte.

Zu Beginn waren Mou Bachir (re.) - hier gegen Lennard Bahn - und sein FC Elazig Spor noch die bessere Mannschaft. Foto: Bode

„Wir haben uns viel vorgenommen, die Messlatte als Trainerstab hoch gelegt und gegenüber der Mannschaft sehr offene Worte gefunden“, erklärte Mirko Schulz, der zusammen mit Carsten Henning als Trainer-Gespann beim Bramfelder SV fungiert, die Herangehensweise an das Spiel gegen das noch immer sieglose Tabellen-Schlusslicht. Die offenen Worte seien nach dem 10:0-Kantersieg in der Vorwoche bei Kosova und dem darauffolgenden Pokal-Aus beim SV Altengamme (3:5) „notwendig gewesen“, wie Schulz anfügte, ehe er meinte: „Vielleicht war der Druck auch etwas zu groß - so sah es zumindest in der ersten Viertelstunde aus.“ Denn in der Anfangsphase sprach rein gar nichts für das spätere Schützenfest. Der Gast war das bessere Team, ging nach einem Fehlpass von Cedric Stoppel durch Hüseyin Tosun in Führung (3.) und ließ sich auch vom Bramfelder Doppelschlag - erst bugsierte Gökhan Ermis einen Eckball von Christopher Skalnik in die eigenen Maschen (12.), dann schädelte Niklas Remark nur Sekunden darauf eine weiteren Skalnik-Ecke zum 2:1 ein (14.) - nicht beirren. Verteidiger Ermis machte seinen Fauxpas wieder gut und brachte einen 17-Meter-Freistoß, den er flach durch die Mauer hindurch in die Maschen beförderte, im Kasten von Sascha Kleinschmidt unter (16.). Jener Kleinschmidt verhinderte wenig später - nachdem Akdogan bereits freistehend vorbei schoss (18.) - gegen Sascha Aghaei aus zwei Metern mit einer herausragenden Parade den Rückstand (24.).

"Ljubi" dreht auf, Bramfeld feiert zweites Liga-Schützenfest in Folge

Glatt Rot! Onur Akdogan (3. v. re.) muss vorzeitig zum Duschen. Foto: Bode

„Im Gegensatz zu den vorigen Spielen haben wir gut begonnen. Aber es ist zurzeit das Problem, dass wir das Dritte und das Vierte nicht machen“, so Aydin, der anfügte: „Wir hängen nicht umsonst im Keller. Es spielt alles gegen uns in dieser Saison!“ Zuweilen auch die eigene Mannschaft. Denn in der Folge fiel Elazig Spor in sich zusammen, zeigte kaum Gegenwehr mehr. Und dann war da auch noch ein gewisser Milos Ljubisavljevic, der den Gegner in der Endphase des ersten Durchgangs fast im Alleingang auseinandernahm. Erst holte er nach einem sensationellen Solo einen Strafstoß heraus, den Juro Julardzija sicher zum 3:2 verwandelte (30.), ehe er nach einem herrlich vorgetragenen Spielzug eine butterweiche Hereingabe auf Patrick Lüth, der am zweiten Pfosten einköpfte (34.), brachte. Nachdem Ljubisavljevic selbst - nach Pass von Lennard Bahn - erneut nicht zu stoppen war und auf 5:2 stellte, machte Robin Polzin vor der Pause per Freistoß aus 17 Metern noch das halbe Dutzend voll (45. +1).

Perz macht per Traumtor die Zehn voll

Secgin Akbaba musste ganze elfmal hinter sich greifen. Foto: Bode

Apropos Freistoß: Kevin Mellmann ließ Secgin Akbaba aus 27 Metern ganz alt aussehen - 7:2 (53.). Folglich nahm der BSV einen, wenn nicht gar mehrere Füße vom Gaspedal - bis in die Schlussphase hinein, in der der eingewechselte Marcel Perz einen Querpass von Polzin zum 8:2 einschob (79.). Die Mannen von der Wendenstraße schwächten sich nun selbst und haderten auch auf dem Platz unter- und miteinander. Erst flog Akdogan (81.), dann brachte Lüth den BSV dem zweistelligen Ergebnis immer näher (84.). Und kurz darauf war es soweit: Mit einem Traumtor von Perz, der die Kugel aus 23 Metern halblinker Position in den rechten Giebel schlenzte (88.), war die Zehn geknackt. Es folgte noch das 11:2 durch Skalnik, der einen von Ramazan Güler, der schon zuvor um die Ampelkarte bettelte und sie nun auch sah, an Stoppel verursachten Elfmeter spielend im Eckigen unterbrachte (90.)!

Aydin: "Wir haben zu viele Häuptlinge und keine Indianer"

Routinier Christopher Skalnik (2. v. li.) durfte sich als Letzter in die Torschützenliste eintragen. Foto: Bode

„Das ist für mich keine Überraschung“, gestand Aydin anschließend, „das habe ich zur Halbzeit sogar noch in der Kabine angekündigt“, verriet er. „Davor habe ich gewarnt, dass wir weiter kompakt und geschlossen stehen. Aber die Ansprache ist leider in der Kabine geblieben.“ Hinzu kommen die „ärgerlichen Disziplinlosigkeiten. Ich denke mal, dass wir da auch in der Rückrunde reagieren werden.“ Und weiter: „Wir haben zu viele Häuptlinge und keine Indianer. Fußball ist und bleibt ein Mannschaftssport - das haben wir an einigen Stellen noch nicht begriffen. Das ist unser Hauptproblem“, bekennt er offen und ehrlich - wenngleich Aydin auch konstatiert: „Wenn Bramfeld in einen Lauf kommt, dann kannst du sie nicht mehr aufhalten.“ Sein Gegenüber, Mirko Schulz, bilanzierte: „An dem Ergebnis gibt es nichts zu rütteln, am Ende können wir sogar noch höher gewinnen“, sagte er mit ruhiger Miene, was nicht zuletzt am Pokal-Aus lag, das immer noch schwer wiegt: „Wir haben nach dem 10:0 gewarnt, aber bei den jungen Leuten geht es teilweise links rein und rechts raus. Wir wussten, was uns erwartet. Wir waren vorbereitet, der eine oder andere Spieler auch - aber nicht alle elf.“ Besonders bitter: „Wenn wir 100 Prozent abgerufen hätten, dann wären wir eine Runde weiter gekommen - und das schmerzt noch. Deswegen kann man sich, auch wenn das jetzt blöd klingt, über diesen Sieg nicht so richtig freuen.“

Schulz: "Der Tabellenplatz ist jetzt total irrelevant"

"So sehen Sieger aus!" Lars Lüdemann fungiert als Stimmungskanone im Mannschaftskreis. Foto: Bode

Mehr schon über den Blick auf die Tabelle. Denn: Durch die parallele Niederlage von Hamm United beim SVNA (1:2) ist Bramfeld wieder „on top“. Doch Schulz bremst: „Der Tabellenplatz ist nach dem elften Spieltag total irrelevant. Trotzdem sagt man ja nach einem Drittel der Saison, und da sind wir jetzt, dass man ungefähr weiß, wo man steht. Wir stehen an Eins, aber das ist für uns momentan unwichtig. Wichtig ist, wo wir am Ende der Saison stehen - und wenn wir so weitermachen, dann werden wir oben dabei sein.“ Doch dafür müsse man sich „in jeder Trainingseinheit und in jedem Spiel - egal gegen wen es geht - immer wieder vor Augen führen, dass wir laufen, kämpfen, kratzen, vor dem Tor querspielen und den besser postierten Nebenmann sehen, sowie Tore erzielen müssen. Wenn wir den Ball nicht haben, müssen wir verteidigen. Fertig. In Altengamme haben wir uns selbst geschlagen.“ Schulz’ Gegenpart, Carsten Henning, meint dazu: „Daraus müssen wir lernen - auch aus solchen Siegen in dieser Höhe.“

Autor: Dennis Kormanjos