Aufmüpfige Alsterbrüder: „Norderstedt war zu knacken!“

„Fußballgott“ Meyer feiert (Tor-)Comeback für EN und lässt seinen Trainer Strahlen

09. August 2017, 23:12 Uhr

Linus Meyer (li.) feierte sein Comeback, sorgte bei seinem Trainer für "ein Strahlen" und traf gleich wieder ins Schwarze. Foto: Heiden

Die eigentlich einzige Frage, die es noch zu beantworten galt, war die nach der Höhe der Niederlage. Zu klar war die Ausgangslage, zu deutlich war die Favoritenrolle vergeben. Doch um es vorweg zu nehmen: Die Niederlage für den FC Alsterbrüder gegen den schier übermächtigen Pokal-Titelverteidiger Eintracht Norderstedt fiel denkbar knapp aus – und zwar mit der geringstmöglichen Differenz von nur einem Tor. Und am Ende konnte sich der David gegen den Goliath sogar noch ein Stück weit ärgern. Denn: „Da wäre schon was drin gewesen mit ein bisschen mehr Glück“, so FCA-Coach Ulrich Brüning, der zudem von einem „sensationellen Auftritt“ seiner Jungs sprach.

Die Eintracht-Führung durch Narek Abrahamyan, der dem starken Moritz Kühn das Nachsehen gibt. Foto: Heiden

„Es war sehr interessant, ein paar Sachen zu sehen“, waren die ersten Worte, die Norderstedt-Übungsleiter Dirk Heyne nach dem Drittrunden-Einzug seiner Mannen beim Bezirksligisten verlor. Dann präzisierte er: „Vor allem, wie schwer man sich tun kann.“ Die Leistung seiner „B-Elf“, wie selbst Brüning hinterher meinte, war nicht mehr als die eines Pferdes, das sprichwörtlich nur so hoch springt, wie es muss. „Die Leistung war nicht gut“, gab Heyne unumwunden zu. „Das hat aber weniger mit Wolfsburg im Hinterkopf zu tun, sondern vielmehr mit einer Zwangssituation, in der wir sind. Natürlich können wir auch unsere elf bis 15 Stammspieler die nächsten 14 Tage noch im Drei-Tages-Rhythmus spielen lassen. Aber das geht nun mal nicht.“ Und so schickte Heyne einige Jungspunde aufs Feld, die sich schwer taten. Einige wirkten sogar wie ein Fremdkörper in der Mannschaft. „Man hat gemerkt, dass heute wenig Führungsspieler dabei waren“, so Heyne.

Der allererste Torabschluss des Viertligisten ließ bis zur 14. Spielminute auf sich warten, als Jan-Philipp Rose mit seinem Distanzversuch am herausragend aufgelegten Moritz Kühn im Tor der Alsterbrüder scheiterte. Auch in der Folge war auf Seiten der Garstedter eine Menge Leerlauf im Spiel, bis Narek Abrahamyan – einer dieser Akteure aus der zweiten Reihe –, nach einem abgefälschten Freistoß vom Führungsspieler der ersten Halbzeit, Kapitän Philipp Koch, und einem Kopfball von Marcus Coffie, den Ball am zweiten Pfosten durch die Hosenträger von Kühn zur Führung in die Maschen beförderte (34.). Die erste Möglichkeit auf etwas Zählbares hatten jedoch die Hausherren in Person von Maximilian Heine, dessen ruhender Ball von EN-Fänger Lars Huxsohl über die Latte gelenkt wurde (4.).

Meyer-Rückkehr sorgt bei Heyne für "ein Strahlen"

Auch im zweiten Abschnitt änderte sich nicht viel am vorherrschenden Bild – dafür aber personell. Denn bei der Eintracht feierte Linus Meyer sein lang ersehntes Comeback. Ein Moment, der bei seinem Trainer im Nachgang dafür sorgte, dass bei ihm „das absolut Positive“ überwog. „Er war ein halbes Jahr verletzt, seit Februar mehr oder weniger weg. Jetzt hat er 45 Minuten gespielt und war sofort präsent, hat die Bälle gefordert und die Mannschaft gestellt und dirigiert. Das sorgt bei mir für ein Strahlen.“ Strahlen durfte aber auch „Fußballgott“ Meyer, wie er von den Fans stets gelobhudelt wird, selbst. Denn nur wenige Zeigerumdrehungen, nachdem er das Feld betreten hatte, lag das Runde ein zweites Mal im Alsterbrüder-Eckigen. Torschütze: Linus Meyer! Nachdem Ermir Zekjiri das Spielgerät ganz leicht über den herauseilenden Kühn chipte, staubte Meyer mühelos ab – 2:0 Norderstedt (56.). Ob Meyer nun auch für das bevorstehende DFB-Pokalspiel am Sonntag gegen den VfL Wolfsburg eine Alternative ist, ließ Heyne offen. „Wir wollen ihn ja jetzt auch nicht gleich verheizen und müssen mal schauen.“

Traumhafter Spielzug lässt Alsterbrüder hoffen - bis zum Schluss

Die Alsterbrüder sind zurück und wittern nach dem Anschlusstreffer die Sensation. Foto: Heiden

Wer nun allerdings glaubte, das Spiel würde in der Folge seinen von Beginn an avisierten Verlauf nehmen, sah sich schnell eines Besseren belehrt. Der Siebtligist muckte weiter auf – und kam tatsächlich zum Anschlusstreffer. Und jenes Tor hätten auch die Gäste nicht schöner und sehenswerter herausspielen können. Patrick May bediente auf dem linken Flügel Dennis Rastetter, der dem völlig überforderten Jan Schrage einmal mehr nur die Rückansicht gab und mit dem ersten Kontakt wunderbar hinter die Abwehr flankte. Der kurz zuvor eingewechselte Luca Drude rückte aus dem Hinterhalt ein und schloss ganz trocken ins rechte Toreck ab. Huxsohl war geschlagen, der FCA witterte wieder Morgenluft (67.)! Dass es bei der Eintracht nicht wie gewünscht lief, machte Ante-Akira Kutschke deutlich, der nach seiner Auswechslung total bedient gen Bank stapfte und beim Vorbeigehen eine auf dem Boden stehende Trinkflasche wegkickte (74.). Sein Team tat weiterhin nur das Nötigste und musste aufpassen, dass die Partie nicht ein sensationsartiges Ende nehmen würde. „Natürlich hat man immer den Hintergedanken, dass da noch was passieren kann“, gestand auch Heyne, dessen Schützlinge keine Vorentscheidung herbeiführten. Und so fehlte schlussendlich tatsächlich nicht fiel, und das im vorwiege völlig ungleiche Duell wäre in die Verlängerung gegangen. Erst hatte Rastetter aus 20 Metern halblinker Position die Schusschance – zu unplatziert (84.). Dann, als der FCA wirklich alles nach vorne warf, fand ein langer Ball von Keeper Kühn den Kopf von „Captain“ Gunnar Hitscher – zu wenig Druck dahinter (90. +3). Schluss!

"Sie waren über die Außen zu knacken"

Konnte sehr stolz auf seine Jungs sein: Alsterbrüder-Coach Ulrich Brüning. Foto: Heiden

Ein bärenstarker Auftritt der Brüning-Elf, der auch dem Kontrahenten Respekt abnötigte: „Ich habe sie ja auch gegen unsere Zweite gesehen und da sind sie auch schon als Mannschaft aufgetreten. Das sind ‚Freizeitfußballer’, denen man ansieht, dass sie mit vollem Spaß dabei sind. Das haben sie heute gezeigt und ich habe es auch nicht anders erwartet. Deshalb bin ich froh, dass wir weiter sind“, so ein erleichterter Heyne, dessen Elf zwar als Sieger vom Platz ging. Der heimliche Sieger war aber der FC Alsterbrüder. „Das kann man schon so sagen, dass wir der gefühlte Sieger sind“, befand auch Brüning und fügte an: „Wir haben ein ganz großartiges Spiel abgeliefert und letztendlich waren wir ja sogar noch ganz kurz davor, den Ausgleich zu machen. Wir feiern uns für die Leistung – aber letzten Endes sind wir natürlich ausgeschieden. Trotzdem bin ich sehr angetan.“ Ob’s an der eigenen starken Vorstellung oder der eher an dürftigen Performance der Eintracht lag, dass es bis zum Schluss relativ spannend blieb, beantwortete der einstige ETV-Coach wie folgt: „Da kommt natürlich immer beides zusammen. Wir sind an unsere Grenzen gegangen und haben das sehr diszipliniert gemacht. Der Gegner hat uns ein bisschen unterschätzt und ist hier ja auch ein Stück weit mit der B-Elf aufgelaufen. Das muss man auch sehen. Und dann wirkt es an der einen oder anderen Stelle vielleicht etwas pomadig. Trotzdem hat es gereicht. Vielleicht wäre mehr drin gewesen. Aber wir sind natürlich auch nicht bei 100 Prozent. Wir haben viele Verletzte, einige gehen auf dem Zahnfleisch oder sind im Urlaub. Aber ich glaube, dass man sie gerade über die Außen hätte knacken können.“ Knacken möchte Eintracht Norderstedt am kommenden Sonntag im DFB-Pokal auch Bundesligist VfL Wolfsburg. Die Pflicht ist jedenfalls erfüllt. Nun kann die Kür folgen...


Die Nachspielzeit - inklusive der letzten Alsterbrüder-Chance - im Video


Autor: Dennis Kormanjos