„Wir sind noch nicht über den Berg“

Prince Boateng Styhn über Dersimspor, die Probleme zum Saisonstart und seine Karriere

09. November 2016, 15:17 Uhr

Nach dem missglückten Saisonauftakt geht es für Prince Boateng Styhn und Dersimspor langsam aufwärts: Foto: noveski.com

Er zählt zu den Leistungsträgern bei Dersimspor: Prince Boateng Styhn. Doch auch der 25-Jährige konnte nicht verhindern, dass das Team von der Baererstraße zu Beginn der laufenden Saison auf einmal schwächelte und sich in der Abstiegszone wiederfand. Im Gespräch mit den FussiFreunden begibt sich der Innenverteidiger auf die Suche nach den Gründen für den Fehlstart, erklärt, was ihn optimistisch für die Zukunft stimmt und berichtet über Höhen und Tiefen in seinem bisherigen Fußballer-Leben.

Es war nicht immer einfach in den vergangenen Monaten für Prince Boateng Styhn. Da waren die beiden Muskelfaserrisse in den Oberschenkeln, die dem 25-Jährigen unlängst zu schaffen machten. Ausgerechnet in der Phase, nachdem er gerade ein knappes halbes Jahr hinter sich hatte, in dem er nach einer vorherigen langen Pause wegen Kniebeschwerden („Der Meniskus war fast durch. Die Ärzte haben ihn wieder zusammengeflickt, aber auch gesagt, dass sie mir nicht versprechen können, dass immer alles hält. Ich hab einfach nur gehofft, dass ich wiederkomme und der Mannschaft helfen kann“) eine starke Leistung nach der anderen zeigte. Der Innenverteidiger war aus der Mannschaft von Dersimspor eigentlich nicht mehr wegzudenken. Und dann musste er eben doch aussetzen. Nicht nur das: Untätig musste er mitansehen, wie der Club von der Baererstraße in der aktuellen Serie in der Tabelle bis ins unterste Drittel abrutschte.

Der Sprung in den Profifußball schien greifbar nahe

„Der Kleine ist mein ein und alles“, sagt Prince Boateng Styhn (re.), der im vergangenen Jahr Vater wurde. Foto: noveski.com

Nur gut, dass Styhn zuhause eine willkommene Ablenkung hatte: Im Juli des vergangenen Jahres wurde er Vater eines Sohnes. „Der Kleine ist mein ein und alles. Man geht mit manchen Situationen ganz anders um, hat einen anderen Blick auf die Welt“, sagt der 25-Jährige, „dein ganzes Leben wird mit einem Kind auf den Kopf gestellt.“ Prince Boateng Styhn muss das wissen. Schließlich hat er in seinem Leben die eine oder andere Höhe und Tiefe schon miterlebt. Es lohnt sich, in die fußballerische Vita des 1,81 Meter großen Kickers zeitlich viel früher einzusteigen als bei seiner jetzigen Station beim Hansa-Landesligisten Dersinspor.

In der A-Jugendzeit zum Beispiel. Die verbrachte Styhn beim FC St. Pauli. „Ich war damals sogar Kapitän“, erzählt er. Ein Leadertyp, ausgestattet mit wichtigen fußballerischen Fähigkeiten – da schien der Sprung auf die nächste Ebene und der Gedanke an den Profifußball greifbar nahe. „Klar hatte ich den Traum, Profi zu werden“, sagt Styhn. Doch bei den Kiezkickern ließ sich dies nicht realisieren. „Ich würde nicht sagen, dass es sportlich nicht gereicht hat. Der Verein hatte damals einfach andere Prioritäten. Es haben gestandene Spieler aus der Profi-Mannschaft bei der Reserve gespielt. Es gab auf meiner Position in der Innenverteidigung fünf Spieler. Man hat mir gesagt: Du wirst in der Zweiten Mannschaft nicht spielen, such dir einen anderen Verein.“

Rückschläge auf dem Karriereweg: Erst Malaria, dann Herzmuskelentzündung

Der 25-Jährige erlebte in seiner Karriere bereits mehrere Rückschläge. Foto: noveski.com

Gesagt, getan. Die Wahl fiel auf Energie Cottbus, wo Styhn ein Probetraining absolvierte. „In der Zeit bin ich damals zu einem Lehrgang der ghanaischen U21-Nationalmannschaft gefahren“, erinnert er sich. Eigentlich ein Highlight in einer noch jungen Karriere, doch die Reise wurde zum großen Rückschlag. „Leider habe ich mir dort eine Malaria-Erkrankung eingefangen“, berichtet Styhn, „Cottbus hat, weil im Kader zwei weitere Innenverteidiger verletzt waren, neue Leute für diese Position geholt. Ich war außen vor, weil ich krank war.“ Wieder wurde ihm nahegelegt, sein Glück bei einem anderen Verein zu suchen. 


Der Weg führte Styhn zu Eintracht Norderstedt. Doch auch dort lief es nicht so, wie es hätte laufen sollen: „Ich war zunächst gesperrt, weil ich für Energie schon Spiele in der Vorbereitung gemacht hatte. In der Zeit habe ich dann einen eigenen Trainer bekommen, der mich fit machen und fit halten sollte.“ Doch wieder kam etwas dazwischen. „Ich bin nach einem Training einfach umgefallen“, blickt Styhn zurück. Die Diagnose: Herzmuskelentzündung.

Die Folge: eine erneute Pause – und schließlich der Neuanfang beim Oberligisten TSV Buchholz 08, wo „ich vier tolle Jahre in einer Top-Mannschaft hatte, Ich bin toll in die Buchholz 08-Familie aufgenommen worden“, sagt Styhn, der sich vom Traum, Profi zu werden verabschiedete: „Ich habe gemerkt, dass man schnell in diesen Bereich reinrutschen, aber auch genauso schnell wieder rausfallen kann. Ich musste realistisch sein und habe dann ein Studium begonnen, so wie ich das meinen Eltern für den Fall, dass es mit der Profikarriere nichts wird, versprochen habe.“ Seitdem studierte er: „Zunächst im Bereich Ingenieurwesen/Umwelttechnologie, inzwischen bin ich Psychologie-Student.“

„Thomas Titze hat mir die Lust und den Spaß am Fußball zurückgegeben“

Ex-Buchholz-Coach Thomas Tietze ist für Prince Boateng Styhn eine der prägenden Personen in seiner Karriere. Foto: noveski.com

Und noch eine Veränderung brachte die Entscheidung, nach Buchcholz zu wechseln, mit sich. „Thomas Titze hat mir nach der Herzmuskelentzündung den Spaß und die Lust am Fußball zurückgegeben. Er hat zudem immer einen Weg gefunden, mit mir zu reden, auch wenn ich – so wie jeder – meine Ecken und Kanten habe und kein einfacher Typ bin“, verdeutlicht Prince Boateng Styhn, der erklärt, dass neben dem „08-Urgestein“ Titze noch ein weiterer Coach für seine Entwicklung wichtig war: Theodore Fici, unter dem der Innenverteidiger bei Dersimspor spielte. „Ich habe noch nie einen Trainer erlebt, der so eng an der Mannschaft war, wie Fici. Er war nicht nur unser Coach, sondern auch unser Freund“.

Im ersten halben Jahr der Fici-Amtszeit lief nahezu alles super. Für den Coach, für den Verein, für Styhn. Doch mit Beginn der aktuellen Saison zeigte die Kurve bei Dersimspor nach unten. Auf einmal fand sich der selbsternannte Aufstiegskandidat im tiefen, trostlosen Tabellenkeller wieder. „Bei uns war anfangs einfach der Wurm drin, Es haben viele Faktoren eine Rolle gespielt. Nach der starken Rückrunde der vergangenen Saison hatten wir zum Start in die neue viele Verletzte. Ich bin selbst ausgefallen, auch Roberto D'Urso hat uns nach seiner Schulterverletzung, die er sich im letzten Spiel der Vorsaison zugezogen hat, gefehlt“ Mit Emre Tutak und Onur Bektas gingen wichtige Spieler. Rafat Waseq („Mit ihm hatte ich in der Innenverteidigung einen geilen Partner an meiner Seite“) zog es ins Auslandssemester nach Schottland.

„Die Stimmung war top, aber die Ergebnisse haben nicht gestimmt“

„Ich kann den Verein verstehen, dass er den Trainer gewechselt hat“, sagt der Innenverteidiger über die Ablösung von Theodore Fici durch Sven Siebert. Foto: noveski.com

„Das war zu viel auf einmal. Die jungen Leute, die wir als Ersatz geholt haben, hatten es schwer. Die Erwartungshaltung an diese Jungs war zu hoch. Damit haben wir uns keinen Gefallen getan“, analysiert Styhn und fügt hinzu: „Auf der Innenverteidiger-Position war das wie bei Deutschland sucht den Superstar; Wir haben immer nach einem neuen Partner neben mir gesucht. Und wenn Benjamin Thiel (Dersims Kapitän, Anm. d. Red.) da gespielt hat, hat er uns im Mittelfeld gefehlt.“ Auch wenn „die Stimmung im Team top war, haben die Ergebnisse einfach nicht gestimmt.“ Und so kam es, wie es kommen musste: Der Trainer war – trotz Rückendeckung durch die Mannschaft – wieder einmal das berühmte schwächste Glied in der Kette. Fici musste gehen. Sven Siebert, bis dahin Coach der „Zweiten“ übernahm. Und es ging bergauf. Inzwischen ist Dersim mit 20 Punkten Neunter.

„Ich denke, es war wichtig, dass wir die Ruhe bewahrt und uns nicht selbst zerfleischt haben. Ich kann den Verein verstehen, dass er den Trainer gewechselt hat“, konstatiert Styhn, „einen Trainer aus der eigenen Reserve hochzuziehen, ist immer mutig. Aber aus meiner Sicht war es eine logische Entscheidung: Sven hat gute Arbeit bei der Zweiten Mannschaft geleistet. Er kennt uns Spieler, er kennt den Verein und die Strukturen. Jemand Externes hätte sich erst zurecht finden müsse.“ Siebert habe zudem den Vorteil, „dass er ohne großen Druck von außen anfangen konnte. Sein Ziel war es, erstmal von Spiel zu Spiel zu gucken und Boden gutzumachen. Das ist besser, als sich wie Fici an der Zielsetzung Aufstieg messen lassen zu müssen.“ Allem Lob zum Trotz bleibt Prince Boateng Styhn aber dennoch auf dem Boden. Er weiß schließlich aus eigener Erfahrung, wie schnell auf Höhen wieder Tiefen folgen können. „Wir sind noch nicht über den Berg“, gibt er sich dementsprechend vorsichtig.

Jan Knötzsch