Kreisklasse B5

Polzins Pilot-Projekt: Inklusions-Mannschaft mischt den Herren-Spielbetrieb auf

14. Dezember 2020, 13:08 Uhr

Die Inklusions-Mannschaft von Robin Polzin nimmt in dieser Saison als Fünfte Herren des Bramfelder SV am Liga-Spielbetrieb teil. Foto: privat

Von seinen Anfängen bei Concordia Hamburg, den zwei Spielzeiten beim HSV Barmbek-Uhlenhorst – oder aber den nun schon viereinhalb Jahren beim Bramfelder SV: Robin Polzin ist alles andere als ein unbeschriebenes Blatt im Hamburger Amateurfußball. Doch der gerade erst 27 Jahre jung gewordene Torjäger des Oberligisten von der Ellernreihe geht auch noch einer ganz anderen „Berufung“ nach – und das inzwischen schon seit über neun Jahren. „Gerade im Sport können wir ein großes Ausrufezeichen setzen, dass jeder Mensch zur Gesellschaft dazugehört“, betont Polzin – und nimmt sich das im wahrsten Sinne des Wortes zu Herzen…

„Von außen betrachtet, würde niemand die Besonderheit der Mannschaft erkennen“, sagt Robin Polzin, der eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass der Fußball verbindet. Denn: Seit dieser Saison geht der Bramfelder SV mit einer Fünften Herren im Spielbetrieb des Hamburger Fußball-Verbandes an den Start. Die Besonderheit: Bei der Mannschaft handelt es sich um ein Inklusions-Team. Um eine Truppe, in der weder physische noch psychische Beeinträchtigungen, das Alter oder auch Nationalität und Herkunft eine Rolle spielen. Trainer der Equipe: Robin Polzin. Zusammen mit seiner Partnerin und Co-Trainerin Jacqueline Bleser leitet er die Geschicke bei der „Fünften“ des BSV – und konnte mit der Elf in der Kreisklasse B5 nach zwei herben Pleiten zum Auftakt die letzten beiden Spiele vor der Corona-Unterbrechung siegreich gestalten. 


Für Polzin ist die ganze Sache aber mehr als nur ein Projekt. Vielmehr ist es für ihn nach so vielen Jahren eine echte Herzensangelegenheit geworden. „Ich wurde damals von den Verantwortlichen von Concordia angesprochen, ob ich mir vorstellen könnte, einmal in der Woche einigen Bewohnern der Lebenshilfe grundlegende Dinge im Fußball beizubringen“, erinnert er sich. „Die Herzlichkeit und der Spaß am Sport, den alle gezeigt haben, haben mich beeindruckt, sodass ich gar nicht mehr aufhören konnte. Bis heute denke ich, dass alle die Chance haben sollten, ihrer Leidenschaft nachzugehen und wenn es in diesem Fall der Fußball ist und ich meinen Teil dazu beitragen kann, dann mache ich das gerne.“

"Das Projekt ist eine Nummer größer geworden und sucht in Deutschland seinesgleichen"

Polzin selbst hat nun seit gut viereinhalb Jahren sein sportliches Zuhause an der Ellernreihe beim BSV gefunden. Foto: Kruber

Nach einigen Jahren bei Concordia geht die Inklusions-Mannschaft von Polzin nun für den Bramfelder SV, für den der Angreifer seit nun schon viereinhalb Jahren selbst die Buffer schnürt, an den Start. Der Grund: „Bei Bramfeld haben wir die Möglichkeit bekommen, den nächsten großen Schritt zu gehen: die Teilnahme am Regelbetrieb des Herrenfußballs“, klärt er auf – und meint: „Das Projekt ist also eine Nummer größer geworden und sucht, soweit ich weiß, in Deutschland seinesgleichen.“ Man sei Concordia „sehr dankbar, dass sie den langen Weg mit bestritten haben, aber für die Truppe und die Entwicklung der Sportler war dieser Schritt ideal“, begründet Polzin – und betont, dass ihm und dem Team „wichtig war, dass weiterhin mit der Lebenshilfe Hamburg kooperiert wird und wir damit die Verbindung für Menschen mit Handicap mit dem Sport schnellstmöglich herstellen können“.

Neue Liga, neue Regeln

In der Kreisklasse B5 hat der BSV V zwei Niederlagen und zwei Siege nach den ersten vier Spielen zu verbuchen. Foto: privat

Man werde „häufiger angesprochen“, so Polzin, „was genau die Sportler für ein Handicap haben, weil sie auf dem Platz Fußball spielen und das Handicap dadurch zweitrangig ist“, macht er selbst überhaupt keine Unterschiede, mit welcher Beeinträchtigung die Spieler zu ihm kommen. Groß waren die Umstellung und die damit verbundenen Unterschiede jedoch vor dieser Saison. „Wir haben bis dahin ausschließlich auf Siebener-Feld gespielt und mussten uns somit auch erstmal an das ‚große‘ Feld gewöhnen.“ Und weiter: „Wir sind bei den Inklusions-Turnieren oft an Regeln gebunden gewesen, dass wir maximal drei Spieler ohne Einschränkung aufstellen durften und vier mit Handicap dabei haben mussten. Derzeit haben wir uns selbst einige Regeln aufgesetzt, so dass das Projekt immer noch weiter getragen wird und wir auch weiterhin auf jeden Spieler zurückgreifen – ob mit oder ohne Handicap.“ So gehört beispielsweise der ehemalige Rahlstedter und Bramfelder Liga-Spieler Philipp Hecht dem Kader an. Auch die Oberliga-Akteure Christian Westphal, Steven Pagenkop oder eben Polzin selbst gaben in dieser Spielzeit ihre Erfahrungen bereits auf und auch abseits des Rasens weiter.

"Wir sind nicht nur Trainer, sondern auch Ansprechpartner für jegliche Situation"

Das sei auch von Nöten – denn: „Das Sportliche Niveau ist ausbaufähig“, schmunzelt Polzin, „aber genau deshalb machen wir es! Bei den meisten Jungs sind die Erfolge bei kontinuierlichem Training schnell sichtbar.“ Doch „gerade bezogen auf das taktische Verständnis, die Fitness und auch die technischen Voraussetzungen haben die Spieler noch großes Verbesserungspotenzial“. Da man im Inklusions-Bereich – nach Teilnahmen bei den Special Olympics und sogar bei der Deutschen Meisterschaft – allerdings „kaum noch Herausforderungen“ hatte, habe man sich „ganz bewusst für diesen Schritt entschieden“, am Herren-Spielbetrieb teilzunehmen. Und einige seiner Jungs „bringen auch schon einiges an Talent mit, so dass man sie auch in höherklassigen Teams einsetzten könnte“, befindet er – und fügt an: „Im Einzelfall sind viele bereit für diesen Schritt, als Verbund benötigen wir aber noch Zeit, um uns an das Niveau des Herrenfußballs anzupassen.“ Und obwohl die Anstrengungen was das Training betrifft nicht so hoch seien wie in der Oberliga, ist es im Drumherum „alles ein wenig aufwändiger“. Denn Polzin und seine Co-Trainerin Jacqueline Bleser „sind nicht nur Trainer, sondern auch Ansprechpartner für jegliche Situationen. Wir müssen das Training an eine große Spanne von Fähigkeiten der Spieler anpassen und trotzdem jeden fordern. Trainingsinhalte sind punktuell entschiedener zu setzen und benötigen oftmals mehr Zeit, um Verständnis zu bewirken.“ Im Spielbetrieb sei „alles noch sehr aufregend und besonders, was natürlich aber auch den Aufwand für uns Verantwortliche erhöht“, so Polzin.

"Die Mannschaft vermittelt Spaß, Ehrgeiz und Teamgeist als Grundtugenden"

Für Polzin (re.), der schon vor einigen Jahren während eines FSJ erste Kontakte zur Lebenshilfe knüpfte, ist das Projekt mittlerweile eine Herzensangelegenheit. Foto: Bode

Mit der Teilnahme am Regel-Spielbetrieb habe er für sich „das wirklich erste große Ziel“ mit der Mannschaft erreicht. „Aber ob Handicap oder nicht – natürlich wollen wir das Bestmögliche erreichen, uns entwickeln und auch Spiele bestreiten, um sie zu gewinnen.“ Trotz aller sportlichen Ziele steht jedoch die Tatsache, „jedem Sportler die Chance zu geben, am Wettbewerb teilzunehmen und möglichst viel Spaß zu haben“, an oberster Stelle. „Des Weiteren ist uns wichtig, dass wir ein wenig Aufmerksamkeit erregen, um den Zugang für alle zu schaffen, das Integration und Inklusion im Sport kein Ende haben sollte. Und falls es bald wieder losgeht mit der schönsten Nebenbeschäftigung der Welt, kann sich jeder gerne mal selbst überzeugen von dem Spaß, Ehrgeiz und auch Teamgeist, den diese Mannschaft als Grundtugenden vermittelt“, hat Robin Polzin mit seiner Inklusions-Mannschaft noch jede Menge vor.

Autor: Dennis Kormanjos