LL Hammonia

„Ich mache dem Vorstand einen großen Vorwurf“

Nach Rücktritt als Tesla-Trainer: Elvir Demirovic spricht Klartext

25. September 2019, 14:00 Uhr

Zog in der vergangenen Woche die Reißleine und trat von seinem Trainerposten beim FK Nikola Tesla zurück: Elvir Demirovic. Archivfoto: noveski.com

Seine dritte und vermutlich letzte Amtszeit beim FK Nikola Tesla ging in der vergangenen Woche zu Ende. Im Streit gingen Elvir Demirovic und Teslas Vorstand auseinander. Die bescheidene Ausbeute von sechs Punkten aus den letzten acht Spielen sei einer von genug Gründen für seine Entscheidung. „Man könnte ein ganzes Buch schreiben“, so Demirovic zynisch. Die Auswärtsniederlage vor neun Tagen beim Harburger TB war zwar der endgültige Auslöser für seinen Entschluss, jedoch nicht nur wegen des Endergebnisses (1:5). Es war der Höhepunkt eines über Monate andauernden Konflikts zwischen Demirovic und dem Vorstand, seinem Co-Trainer und sogar vereinzelten Spielern. 

Begonnen hatte es mit seiner Rückkehr vor der Saison – die er heute bereut: „Das war überhaupt schon ein Fehler“, gesteht er ganz offen. Wie sich seine Situation bei Tesla entwickeln sollte, ahnte der 48-Jährige damals aber noch nicht, stattdessen war er überzeugt von den Versprechen, die ihm der Vorstand machte: „Gestandene Landesliga-Spieler“ sollten auf jeden Fall gehalten werden, hieß es. Letzten Endes waren „die Säulen der Mannschaft aber alle weg“, so Demirovic, der damit unter anderem auf die Leistungsträger wie Sebastiao Mankumbani (Hamm United), Cem Müller (FC Türkiye), Berkant Aydin oder auch Top-Torjäger Michel Netzbandt (beide Concordia) anspricht. Nicht nur ohne die ehemaligen Führungsspieler ging es schließlich in die Vorbereitung für die aktuelle Spielzeit: Auch der Vorstand ließ sich kaum blicken, zum Ärger von Demirovic: „Ich mache dem Vorstand einen großen Vorwurf“, lässt er tief blicken.

„Das kann nicht die Aufgabe des Trainers sein“

Die Enttäuschung über die Vereinsführung war für Demirovic vorerst jedoch noch kein Grund, die Brocken vorzeitig wieder hinzuschmeißen, zumal „ich den Spielern schon zugesagt hatte“. Zunächst schien sich seine charakterstarke Entscheidung auch als richtig zu erweisen: Das Auftaktspiel beim SC Nienstedten wurde mit 7:2 gewonnen. Doch der Schein trügt, findet zumindest Demirovic: „Ich habe vor dem Spiel einen Spieler zum Elbe-Einkaufszentrum geschickt, um blaue Stutzen zu besorgen. Das kann doch nicht die Aufgabe eines Trainers sein, sich darum zu kümmern.“ Schlechte Vorbereitung sei aber keine Seltenheit gewesen, wie er verrät: Neben passenden Stutzen habe man sich auf Vereinsseite nie wirklich um ein Mannschaftsfoto oder Material für Neulinge gekümmert – kleine, jedoch nicht unbedeutende Tatsachen, die seine Entscheidung schließlich untermauerten. Nach der „Nienstedten-Blende“ folgte dann die sich angedeutete erste Enttäuschung bei der Heimpremiere: 1:4 lautete das Endergebnis gegen die SV Halstenbek-Rellingen. Weitere Pleiten sollten folgen – sowie die Erkenntnis, dass der Kader, teilweise mit Neuzugängen aus der Bezirks- und Kreisliga aufgestockt, eventuell nicht Landesliga-tauglich sei. Aus Sicht von Demirovic hätte man handeln und vor der Saison etwas tun müssen und auch können: „Genug Zeit wäre gewesen.“ 

„Wann wird es wieder explodieren?“

Nach seinem Abschied fand Demirocic deutliche Worte und sah seine Autorität als Trainer untergraben. Archivfoto: noveski.com

Zwar gelang der Vereinsführung mit der Verpflichtung von Nikola Kosanic, der in der Jugend beim HSV kickte und zuletzt in der ersten serbischen Liga aktiv war, ein echter Coup – jedoch „gewinnt ein einzelner Spieler keine Spiele“, erklärt Demirovic. Immer wiederkehrende Vorkommnisse innerhalb des Gefüges sorgten für ein sehr angespanntes Verhältnis. Die Situation verschärfte sich, als während der Halbzeitpause des Spiels gegen TuRa Harksheide die Emotionen innerhalb der Mannschaft überkochten. Gefrustet von einer Trainerentscheidung und der sich anbahnenden vierten Niederlage in Folge kam es zu internen Streitigkeiten zweier Spieler. „Wann wird es wieder explodieren?“, stellte sich Demirovic damals bereits die Frage.

„Da hast du als Trainer verloren“

Die Antwort bekam er im Auswärtsspiel beim Harburger TB, als das Ergebnis diesmal völlig nebensächlich war. „Da ging’s in der Kabine richtig zur Sache, ich habe lieber draußen gewartet“, verrät er. Unter anderem habe ein Akteur „der Mannschaft gegenüber in der Kabine angekündigt, den Verein zu verlassen“, was Demirovic aufgrund diverser Vergehen gerne schon früher gesehen hätte und dem Vorstand deshalb ein Ultimatum stellte: „Ich bat den Verein, sich von dem Spieler zu trennen. Entweder schützen wir das Team oder lassen eine One-Man-Show zu.“ Der Vorstand sah mit der Suspendierung des Leistungsträgers den sportlichen Erfolg gefährdet und entschied sich für die „One-Man-Show“. Demirovic sah seine Autorität untergraben: „Da hast du als Trainer verloren, du kannst nicht einen Spieler haben, der machen kann, was er will.“ Und weiter: „Das Mannschaftsgefüge ging kaputt, die Stimmung passte nicht mehr“. Außerdem kam es zur „Bildung von Lagern“ innerhalb des Vereins. Auf der einen Seite war Demirovic, der sich als Trainer gezwungen sah, Entscheidungen zu treffen, auf der anderen Seite standen Vereinsführung, Teile der Mannschaft und vor allem sein eigener Co-Trainer Krsta Raducic. Ein gemeinsames Miteinander war kaum mehr gegeben. Für Demirovic der endgültige Grund, „die Reißleine zu ziehen“, was er bedauere, nicht schon früher getan zu haben. 

„Das schlimmste Trainer-Jahr“

Nun blickt er zurück auf „das schlimmste Jahr als Trainer“, wie er ohne Umschweife zugibt. Dass die Mannschaft sportlich noch die Kurve kriegt, erscheint für Demirovic unwahrscheinlich – aber: „Vielleicht sind wieder mal drei Teams schlechter.“


Jacob Nieswandt