Oberliga/Analyse

„Wir haben gute Qualität abgegeben, aber auch gute reinbekommen“

Wieder dabei: Joe Warmbier (re.) ist nach überstandener Zwangspause wegen seines Kreuzbandrisses nun wieder eine Alternative für TuS-Trainer Jean-PIerre Richter. Foto: Bode

Es waren, wenn man so will, die Regionalliga-Wochen für die TuS Dassendorf. Erst spielte der Tabellenführer der Oberliga gegen den HSC Hannover, dann gegen den FC St. Pauli II und zuletzt am Sonntag gegen Eintracht Norderstedt. Gegen den HSC und die „Kiezkickerchen“ gab es jeweils eine 2:4-Niederlage, gegen „EN“ ein 1:1. In allen drei Spielen präsentierte sich die TuS besser, als es das Ergebnis aussagt. Letztlich ist es dennoch eine überschaubare Ausbeute. Aber sind das zugleich auch Rückschläge für die TuS? Im Kampf um den Titel muss die Equipe von Jean-Pierre Richter zudem damit leben, dass Konkurrent FC Teutonia 05 mit Sinisa Veselinovic und Luis Hacker zwei gestandene Regionalliga-Spieler holte. Zudem kritisch: Der Dassendorfer Kader umfasst gerade mal 20 Mann – trotz zweier Zugänge. Wir analysieren die Lage und haben auch mit „JPR“ über den Status Quo gesprochen.

Sucht die TuS angesichts der Niederlagen und des Remis also noch nach ihrer Form?„Wenn wir jetzt schon so weit wären, dann hätten wir nicht diese Ergebnisse und die vielen Gegentore in der Vorbereitung bekommen“, sagte Jean-Pierre Richter am vergangenen Samstag nach dem Test bei St. Pauli II auf die Frage, wo seine Elf denn zwei Wochen vor dem Start in die Restsaison, stehe und erklärte vielsagend: „Ein Fußballspiel beginnt nicht mit dem Anpfiff des Schiedsrichters. Die Probleme hatten wir im Sommer schon. Jetzt sind sie nicht mehr ganz so eklatant. Ich glaube, in den zwei Wochen, bis wir zum Start gegen den SV Curslack-Neuengamme spielen, ist noch einiges zu tun – auf und neben dem Platz.“ An mangelnder Beteiligung im Training aber, so „JPR“, liege das nicht: „Die ist gut.“ Die Trainingsleistung aber, so darf man getrost vermuten, ist noch nicht auf dem absoluten Top-Level angekommen. Ein Problem? Oder im Rahmen der Vorbereitung normal?

„Neue Spieler zu integrieren – das geht nicht innerhalb von vier Wochen“

Max Rosseburg (li.) muss sich in Dassendorf erst an seine neuen Teamkollegen gewöhnen. Foto: Bode

Dass ein neuerlicher Meistertitel für die „Wendelwegler“ in der laufenden Spielzeit kein Selbstläufer ist, liegt auf der Hand. Mit „T05“ ist seit langem ein Konkurrent erwachsen, der in ähnliche Sphären wie die TuS und sogar noch darüber hinaus schielt. Schon vor der Saison rüstete man an der „Kreuze“ immens auf, auch im Winter legte man mehr als ordentlich nach. Auch „Dasse“ schlug zwei Mal auf dem Transfermarkt zu: Martin Schauer und Max Rosseburg kamen. Rosseburg machte gegen St. Pauli II bei zwei Gegentoren einen unglücklichen Eindruck. „Beim ersten Treffer wird er mit einem Doppelpass auf dem Flügel ausgehebelt, kriegt dann aber auch wenig Unterstützung“, sagte Richter, lobte seinen Zugang aber nach dem Norderstedt-Kick tags darauf: „Er war mit Abstand bester Mann auf dem Platz. Max ist vorweg gegangen und hatte immer eine spielerische Lösung.“ 


Und Schauer? „Er hat relativ lange nicht gespielt, aber in den Testspielen gute Ansätze gezeigt. Er muss schnell in seinen Entscheidungsfähigkeiten sein, soll unser 'Pass-Monster' sein“, sagt der TuS-Trainer, der weiß: „Neue Spieler zu integrieren – das geht nicht innerhalb von vier Wochen. Max zum Beispiel ist jetzt zweieinhalb Wochen bei uns. Dafür hat er es in Ballphasen zum Teil richtig gut gemacht.“ Schauer könne derweil die Rolle „als Sechser gut spielen. Noch ist es so, dass er den zweiten Zweikampf besser führt als den ersten. Wir müssen ihn noch ein bisschen aggressiver kriegen. Ich denke, dass uns beide Neuzugänge ordentlich verstärken“, konstatiert Richter, der insgesamt sagt: „Wir haben gute Qualität abgegeben, aber auch gute reinbekommen. Es braucht allerdings Zeit.“ 

So wie beispielsweise auch die Integration und die Verinnerlichung von Abläufen bei Co-Trainer Enrico Klüver, der nicht nur erstmals nach einem Jahr Pause wieder „werkelt“, sondern auch erstmals im Herrenbereich richtig mit an Bord ist. „Wir müssen schauen, wer sich final welche Plätze sichert“, sagt Richter in Bezug auf die Suche nach seiner Stammformation. Gegen St. Pauli II beispielsweise musste er auf auf die beiden beruflich verhinderten Mattia Maggio und Pascal Nägele verzichten. Keeper Christian Gruhne saß mit einer Erkältung auf der Bank. „Außer denen haben wir alle schon dabei gehabt. Mehr können wir nicht machen“, erläutert Richter. 

„Bis zum Start gegen Curslack-Neuengamme ist noch einiges zu tun“

Martin Schauer (li.) fehlte es zuletzt in Lüneburg an Spielpraxis, die er nun in Dassendorf benötigt. Foto: Bode

Und damit stößt der Coach auf einen Umstand, der zumindest risikoreich ist: Der TuS-Kader ist gerade mal 20 Mann groß – oder klein. Nun gut, auch vor der Saison hatten einige aufgrund des knapp bemessenen Personals schon Horrorszenarien an die Wand gemalt, doch nach dem durchwachsenen Start gegen Meiendorf und dem Aus im LOTTO-Pokal stehen insgesamt 18 Siege aus 21 Liga-Spielen für die Richter-Elf zu Buche. Aber: Nach dem Abschied von Mark Hinze (Richter: „Er hat viel gespielt, war aus meiner Sicht Stammspieler“) und Edin Tanovic (Richter: „Auch Dino hat seine Einsätze gekriegt“) stellt sich die Situation so da, dass bei Ausfällen in der Abwehr Joe Warmbier die Alternative ist und im defensiven Mittelfeld eben Neuzugang Schauer. Beide haben Qualität, doch: Schauer kam bei seinem Ex-Club Lüneburger SK kaum zum Zuge, Warmbier spielte nach seinem Kreuzbandriss eineinhalb Jahre nicht. Auch Finn Thomas und Muizz Saqib kommen jeweils aus einer langen Verletzungspause. 


Man sollte zwar den Teufel zwar nicht an die Wand malen, doch ein gewisses Restrisiko im Falle eines Ausfalls ist da – gerade auch, weil diverse Akteure vor der fünften „Gelben“ stehen. Kämen Sperren und neuerliche Verletzungen zusammen – der Kader wäre flugs nochmal enger bemessen als eh schon. Ein Nachteil im Titelkampf? Die Frage kann man auch an anderen Stellen stellen: Ist „Dasse“ vorne mit Maggio, Kristof Kurczynski und Marcel von Walsleben-Schied „T05“ und Neuzugang Veselinovic, mit dem die TuS selbst auch in Kontakt gestanden hatte, ebenbürtig? Fehlen nicht nach den Abgängen von Tanovic und Blohm Linksfüßler und somit Alternativen, wenn solche gebraucht werden würden? Im schlimmsten Fall könnte die Restserie zu einem Ritt auf der Rasierklinge werden. Andererseits: Es wäre nicht das erste Mal, dass sie TuS Kritiker oder Skeptiker Lügen straft, wenn „Dasse“ am Ende dann doch wieder die Nase vorn hat. Gegen Norderstedt zum Beispiel durfte Richter auch schon ein positives Fazit ziehen: „Es hat Vieles im Taktischen und von der Spielumsetzung her super geklappt – auch vom Laufverhalten und der Kommunikation.“

Jan Knötzsch