Oberliga Hamburg
2. Spieltag


SC Condor

0

:

1


FC Türkiye

Anpfiff

Fr - 04.08. 19:30 Uhr

Spielstätte

Berner Heerweg

Zuschauer

210

Schiedsrichter

Alexander Teuscher (Eilbek)

Trauer und Ärger in einer "emotional harten Woche" für den SC Condor

Der FC Türkiye entführte die drei Punkte nach einer sehr disziplinierten Leistung aus Farmsen nach Wilhelmsburg.

Für den SC Condor ist es eine verdammt harte Woche gewesen – und das nicht nur, weil die ersten beiden Saisonspiele äußerst unglücklich verloren gingen. Der Verein hat einen ganz anderen Verlust zu beklagen. Einen viel größeren – und zwar auf menschlicher Ebene. Denn der langjährige Liga-Betreuer und Ur-Condoraner Michael Vogt ist verstorben. Spieler und Offizielle würdigten „Voggi“ vor dem Heimspiel gegen den FC Türkiye nicht nur mit einer Schweigeminute, sondern auch mit eigens bedruckten T-Shirts. Trainer Christian Woike, der den „Pfundskerl“ schon viele Jahre kannte und eine Menge mit ihm erlebt und durchgemacht hat, musste während der Zeremonie kurz vor Anpfiff mit den Tränen kämpfen. Schwer war, in diesem Moment an ein Fußballspiel zu denken…

Und doch mussten beide Mannschaften schnell wieder hochfahren, was dem FC Türkiye zunächst deutlich besser gelang. Die Hausherren wirkten sehr fahrig, es fehlte die Körpersprache und fast immer kam man einen Schritt zu spät. Wie auch in der dikussionsreichen 22. Spielminute, als Sascha Kleinschmidt einen Distanzschuss von Sascha de la Cuesta, fungierte neben Serhat Yapici als Sechser, unglücklich nach vorne wegboxte und Ozan Gencel zur Gäste-Führung abstaubte! So weit, so gut. Oder auch nicht! Denn Gencel bugsierte den Ball aus mehr als nur stark abseitsverdächtiger Position ins Eckige. „Wenn du mal ein Abseits übersiehst, wo es knapp zugeht und wo der eine Trainer das so sieht und der andere so, das kann immer mal passieren. Aber das war schon kein Abseits mehr, das war fast ein Verbrechen“, lautete Woikes Urteil. Schon während jener Situation riss der am Spielfeldrand stehende und ungläubig drein blickende Neu-SCC-Sportchef Marco Krausz die Hände gestikulierend hoch. Ein Pfiff des Unparteiischen Alexander Teuscher (SC Eilbek) blieb jedoch aus. Auch die Fahne seines Assistenten blieb unten. Der Treffer zählte!

„Der steht einen halben Meter vor dem Torwart, als das Tor fällt. Es geht rein physikalisch ja schon gar nicht, dass das kein Abseits war“, so ein emotionaler Woike. „Und dann finde ich dieses Verhalten einfach unmöglich, da auch noch rüber zu grinsen und meinem Spieler etwas zuzurufen. Das macht mich wirklich wahnsinnig und bringt mich auf die Palme“, echauffierte er sich über den Assistenten, der die Situation hätte eigentlich sehen müssen, gab aber nach Spielende auch selbstkritisch zu: „Es ist sicherlich auch von mir nicht gut, ihm dann 15 Meter hinterherzulaufen. Aber man fühlt sich mit solchen Dingen einfach nicht wohl. Du stehst viermal in der Woche auf dem Acker und machst und tust – und entschieden wird es dadurch, dass jemand da draußen scheinbar keinen Bock hat oder warum auch immer.“ Türkiye-Coach Dennis Kreutzer befand derweil: „Wir sind beim zweiten Ball hellwach und machen das dann gut“, eher er ganz offen und ehrlich anfügte: „Es kann sein, dass es Abseits war. Das will und kann ich gar nicht beurteilen.“ Andersrum hätten es seine Mannen die Führung „in dieser Phase des Spiels hochverdient“ gehabt, wie er ausführte.

"Wir wollten es unbedingt, weil wir von uns selbst enttäuscht waren"

Auf dem Platz kam es immer wieder zu Diskussionen - wie hier links im Bild.

Dass es bis zum Schluss bei diesem 0:1 aus Sicht des Heimteams blieb, lag auch daran, dass der sehr unglücklich agierende Jannick Martens vor der Halbzeit das leere Tor nicht traf (38.) und kurz vor Ultimo aus sechs Metern nur ein harmloses Schüsschen zustande brachte (80.). Es passte irgendwie zum Abend der „Raubvögel“. Denn auch die von Julian Künkel getretenen Standards fanden nie einen Abnehmer. Türkiye wirkte gedanken- und handlungsschneller und sicherete sich nahezu jeden zweiten Ball. „Wir müssen uns im Spielerischen nach vorne verbessern“, resümierte Woike zutreffend. Das Fehlen von Stützen im Mittelfeldzentrum wie Till Daudert oder Gökhan Iscan machte sich bemerkbar. „Ich habe vor der Saison schon gesagt, dass die Liga eng und brutal wird. Es werden ganz viele Kleinigkeiten entscheiden. Letzte Woche gegen Teutonia hat eine Kleinigkeit das Spiel entschieden, da waren wir nicht die schlechtere Mannschaft. Auch heute waren wir nicht die schlechtere Mannschaft und verlieren – wobei wir heute auch nicht gut waren. Aber der Gegner war auch nicht gut. Und das ist eben auch eine Qualität, trotzdem drei Punkte mitzunehmen“, bilanzierte Woike.

Die Wilhelmsburger fuhren in einem hintenraus turbulenten Spiel, das eine achtminütige (!) Nachspielzeit nach sich zog und von einem alles andere als souverän leitenden Gespann durch etliche Diskussionen immer mehr in die Länge gezogen wurde, ihren ersten Saisonsieg ein. Dennoch musste man lange zittern – auch, weil Gencels Kopfball-Bogenlampe auf die Torlatte tropfte (47.), der stärkste Condoraner Ken Niederstadt einen de la Cuesta-Schuss vor dem Einschlag bewahrte (76.) und weil Michael Löw an Kleinschmidts starken Reflex scheiterte (86.). „Ein verdienter Sieg“, konstatierte Kreutzer. „Wir hatten in der Masse die klareren Chancen. Uns fehlte nur das zweite Tor, wodurch wir den Gegner am Leben gelassen haben. In den letzten zehn Minuten haben wir ein bisschen gewackelt – aber ansonsten war das ein vernünftiger Auftritt. Wir waren die Mannschaft, die fußballerisch die besseren Anlagen hatte.“ Nach der Auftaktpleite gegen Victoria (1:3) zeigten seine Spieler die richtige Reaktion. „Wir hatten uns im ersten Spiel sehr viel vorgenommen und verlieren, nicht etwa weil Vicky so stark war, sondern weil wir so schwach waren. Heute haben wir allgemein einen wacheren Eindruck gemacht und wollten es als Mannschaft auch unbedingt, weil wir von uns selbst enttäuscht waren. Deshalb sind wir jetzt sehr glücklich. Denn das war schon mal ein guter Ansatz.“

"Er wird sowohl auf als auch neben dem Platz eine große Lücke hinterlassen"

Die Ersatzspieler des SC Condor präsentierten vor Anpfiff das Shirt mit der Aufschrift "R.I.P Voggi - Never Forget!".

Abschließend richten wir den Blick aber noch einmal auf das, was wirklich wichtig ist im Leben: Die Gesundheit. Und die machte Michael Vogt vor einigen Tagen einen Strich durch die Rechnung. „Der ganze Tag und die ganze Woche waren emotional sehr anstrengend für mich persönlich“, gab Woike einen kleinen Einblick in sein Seelenleben und verriet, was „Voggi“ als Typ ausgemacht hat: „Er ist einer von den Leuten gewesen, die man nicht unbedingt immer gesehen hat. Er fiel natürlich durch seine körperliche Statur auf. Aber ich kenne ihn ja noch aus Zeiten, wo er top fidel und einer der lustigsten Menschen, die ich kenne, war. Er hatte immer gute Sprüche in der Kabine parat und war ein absoluter Vereinsmensch. Natürlich wird man selbst immer älter und die Spieler immer jünger, so dass die Diskrepanz immer größer wird. Dennoch war er so etwas wie die gute Seele, hatte das Herz immer am rechten Fleck und konnte einem keinen Wunsch abschlagen. Er selbst wollte nie im Vordergrund stehen, war immer sehr bescheiden und wird sowohl auf als auch neben dem Platz eine große Lücke hinterlassen!“ Ruhe in Frieden, Michael Vogt!