Kolumne

So wird statt des Balls der gesamte Amateurfußball mit Füßen getreten

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An dieser Stelle greifen wir regelmäßig die Themen des Hamburger Fußballs aus der Woche und vom Wochenende auf und kommentieren diese. Dieses Mal geht es dabei um die drei Spielabbrüche FC St. Pauli III – SC Poppenbüttel (Bezirksliga Nord), TSV Reinbek – FSV Geesthacht (Kreisliga 3), SV Curslack-Neuengamme IV – FSV Geesthacht (Kreisklasse B2) sowie das Bezirksliga Süd-Spiel SVS Mesopotamien – SC Vier- und Marschlande II und dessen Randerscheinungen.

Wer sich gestern Abend – wie man das eben so nach einem Amateur-Spieltag inzwischen so macht, um sich noch einmal einen Überblick zu verschaffen – ins soziale Netzwerk „Facebook“ klickte, der bekam wieder einmal das zu sehen, was man als Fan des Fußballs eigentlich gar nicht sehen möchte. Statements zu Spielabbrüchen – gleich drei verschiedene Partien betreffend. Das Ganze garniert mit Kommentaren unter dem Ursprungs-Post und den üblichen Diskussionen, die nach solchen Themen aufkommen und in denen sich im vermeintlichen Schutze des World Wide Web so mancher mehr als nur im Tonfall vergreift. Nun erzählt man beim Hamburger Fußball-Verband (HFV) ja seit jeher gerne, das der Prozentsatz an abgebrochenen Spielen in einer Saison nicht allzu hoch ist, sondern im offenbar tolerablen Bereich liegt – aber: Gefühlt nimmt die Zahl der Abbrüche inzwischen wieder einmal zu. Das ist irgendwie nicht von der Hand zu weisen. Und, um es einmal ganz offen und ehrlich zu sagen: Es nervt langsam aber sicher, dass man als Medium immer wieder über Vorfälle solcher Art berichten muss.

Es kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein, dass künftig Spiele unter Aufsicht stattfinden müssen

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Da haben wir zum einen den Fall vom vergangenen Freitag, als die Begegnung zwischen St. Pauli III und dem SC Poppenbüttel zwei Minuten vor dem Schlusspfiff ein vorzeitiges Ende fand. Ganz offenbar, so die ersten Informationen, weil dort mit Konfetti geschossen wurde, welches auch der Linienrichter abbekam. Schnell machte anschließend die Behauptung die Runde, dass auch ein harter Gegenstand geflogen worden sei. Wirklich zu verifizieren war dies bislang nicht, aber wenn Poppenbüttels Liga-Manager Timo Sorgenfrey in seinem Statement auf der „Facebook“-Seite des SCP dahingehend äußert, dass sich der Schiedsrichterassistent an der Linie „von den Zuschauern bedroht fühlte“ und sich der SC Poppenbüttel „in aller Form von diesen Zuschauern distanziert“ lässt das tief(er) blicken. Die „Konfetti-Aktion“, geplant und durchgeführt aus Anlass des 30. Geburtstags von SCP-Keeper Jan Haerting, sollte eine nett gemeinte Überraschung sein – am Ende ist es eine böse Überraschung geworden. Ob man wegen eines Konfettiregens ein Spiel abbrechen muss, lassen wir man dahingestellt. Es kann ja auch sein, dass der Assistent an der Linie durch den Knall einer Konfetti-Kanone in irgendeiner Art geschädigt wurde. Sollte wirklich ein Gegenstand geflogen sein, ist der Abbruch nachvollziehbar. Eindeutig sogar.

Damit weiter zu den Abbrüchen zwei und drei – beide in Spielen, an denen der FSV Geesthacht beteiligt war. Beim Spiel der „Ersten“ hatte sich ein Akteur von Gegner TSV Reinbek nicht so im Griff, wie er es wohl besser sollte. Bereits mit Gelb verwarnt, flog er nach einem Handspiel vom Platz und war anschließend derart aufgebracht, dass er, so die Schilderungen, kaum zu bändigen war, mehrfach auf den Unparteiischen zusteuerte, so dass sich der Referee bedroht sah und das Match abbrach. Bei der „Zweiten“ der Geesthachter soll, dies erklärte FSV-Vertreter Ismail Gök in seinem Statement am Sonntag via „Facebook“, die Schuld auf Geesthachter Seite liegen. Apropos Gök: Die Worte, die er fand, kann man nur unterschreiben und ihm dafür Respekt zollen: „Ich hoffe, dass die Spieler eine gerechte Strafe bekommen, denn es ist nur Fußball. Nächste Woche ist spielfrei, dann dürfen sich alle Beteiligten in den Amateurligen einmal ihre Gedanken machen. Ein Dank erstmal an alle Schiedsrichter, die sich für ein paar Euros beschimpfen und bedrohen lassen müssen. Ohne euch gibt es keinen Fußball.“ Dem ist wenig bis gar nichts hinzuzufügen.

Ein solches Verhalten auf Hamburgs Amateurplätzen kann, darf und muss nicht

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Eher wenig bis gar nichts – zumindest nichts, was positiver Natur ist – fällt einem zu den Schilderungen des SC Vier- und Marschlande II ein, die das Team am Sonntagabend ebenfalls per „Facebook“ öffentlich machten. Es ging darin um das, was sich im Auswärtsspiel beim SVS Mesopotamien ereignete. Erinnern wir uns: das Hinspiel wurde abgebrochen, es gab zahlreiche Platzverweise und anschließende Sperren. Dieses Mal dauerte das Spiel 90 Minuten, aus Sicht der Gäste aus Fünfhausen aber waren die Begleiterscheinungen erneut unschön. SCVM II-Akteur Luca Klingler musste nach einem bösen Foul mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus, anschließend sollen sich von „Nazi“ über „schwule Hurensöhne“ bis hin zu „Bastard“ reihenweise Beleidigungen über die Gästespiele ergossen haben, auch der Schiedsrichter bekam, so der SCVM II im Statement, „sämtliches Verbales an den Kopf geworfen“. Die SCVM II-Spieler sollen auf dem Weg in die Kabine bedroht worden sein, die Gäste attestierten in ihrer Stellungnahme ein „ekelhaftes Verhalten und so viel Hass für nichts“ – auch nach Spielschluss. Von Seiten der Hausherren gibt’s bislang keinerlei offizielles Statement.

Normalerweise, so der SCVM II, „äußern wir uns nicht, aber sie häufen sich und kotzen uns einfach nur noch an. Insgesamt macht das Verhalten fassungslos und hat mit Spaß am geilsten Sport der Welt nichts zu tun.“ Klare Worte. Worte, die berechtigt sind. Denn genau so, und nicht anders, ist es: Gewalt und Beleidigungen haben auf Fußballplätzen nichts zu suchen. Egal, wie oft das nun schon gesagt und auch an dieser Stelle in der Kolumne thematisiert wurde – man kann es offenbar nicht oft genug erwähnen und muss es immer wieder tun. Auch der Verband muss sich die Frage gefallen lassen, ob man mit der wiederholten Aussage, es gehe ja nur um einen geringen Prozentsatz an Spielen, die abgebrochen werden, einen Gefallen tut. Ismail Göks Hinweis, dass es ohne Schiris keinen Fußball geben würde und diesen ein Dank gebühren würde, ist richtig, schützt die Referees aber letztlich auch nicht vor solchen Vorfällen. Es kann aber auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein, dass künftig Spiele unter Aufsicht stattfinden müssen, um so etwas zu verhindern. Nicht nur ohne Schiedsrichter würde es keinen Fußball geben: Nein, wenn solche – nennen wir sie einfach mal so – Störenfriede nicht drastisch zur Räson gerufen werden und sie weiterhin, um es vorsichtig zu formulieren, Unruhe stiften, dann wird es bald auch keinen vernünftigen Fußball mehr mit ihnen geben. So wie es derzeit wiederholt auf den Amateurplätzen Hamburgs zugeht, wird nicht (nur) der Ball mit Füßen getreten, sondern ein ganzer Sport. Und das kann, darf und muss nicht sein!

Jan Knötzsch