Regionalliga Nord
38. Spieltag


Bremer SV


FC Teutonia 05

Anpfiff

Sa - 27.05. 14:00 Uhr

Spielstätte

Stadion am Panzenberg

Zuschauer

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Schiedsrichter

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Regionalliga Nord

Schockstarre beim FC Teutonia 05 nach NFV-Urteil – Coffie wird emotional!

Geschlossen als Mannschaft verließ der FC Teutonia 05 am vergangenen Sonntag beim Bremer SV nach einem vermeintlichen Rassismus-Vorfall den Platz. Foto: Verein

Für den FC Teutonia 05 ging es sportlich um nichts mehr – außer um die Ehre. Der vierte Platz war sicher – ganz egal, wie das letzte Saisonspiel der „Kreuzkirchler“ beim noch gegen den Abstieg kämpfenden Bremer SV ausgehen würde. Früh gerieten die Mannen von Interimstrainer Richard Krohn in Rückstand, drehten die Partie aber – und führten bis kurz vor der Pause mit 2:1 am Panzenberg, als es zu einem folgeschweren Zwischenfall kam. Ein Gegenspieler soll Teutonen-Kapitän Marcus Coffie rassistisch beleidigt haben, woraufhin das Team des FC Teutonia 05 nach längerer Beratung geschlossen den Platz verließ. Spielabbruch (MEHR dazu hier)!

Lange diskutierte Marcus Coffie (li.) mit dem Unparteiischen, der jedoch keine rassistischen Äußerungen wahrnahm. Foto: Verein

Am Montagabend fällte das Sportgericht des Norddeutschen Fußball-Verbandes das Urteil (HIER): „Demnach wird das Spiel mit 0:5 Toren gegen den Verein FC Teutonia 05 Ottensen als verloren und mit 5:0 Toren als gewonnen für den Verein Bremer SV gewertet.“ Ein Schlag ins Gesicht im Kampf gegen den Rassismus! Und ein Urteil, dass Marcus Coffie dazu veranlasste, selbst noch einmal mit überaus emotionalen Worten Stellung zu beziehen: „Nach ein paar Tagen Abstand habe ich mich dazu entschieden, etwas zu dem Vorfall am Samstag in Bremen zu sagen. Die Entscheidung des Sportgerichts zeigt mir wieder auf, dass wir ein riesengroßes Problem in unserer Gesellschaft haben. Es ist ein Armutszeugnis, wenn mich Menschen als Lügner beschuldigen oder behaupten, ich hätte mich verhört oder sonstiges. Mir ist wichtig, zu sagen, dass ich nicht den Verein und deren Anhänger des Rassismus‘ beschuldige. Es geht ‚nur‘ um eine Person, die sich mir gegenüber rassistisch geäußert hat.“

"Werde mein Leben lang dafür einstehen, damit WIR als Sieger hervorgehen"

Und weiter: „Rassismus ist ein Thema was mich, sowie meine Brüder und Schwestern im tiefsten Inneren trifft und verletzt. Rassismus ist und bleibt eine Krankheit, die noch immer allgegenwärtig ist. Ja, auch beim Sport gibt es Rassismus. Es gibt so viele verschiedene Kampagnen gegen Rassismus, Banner gegen Rassismus, Werbespots gegen Rassismus. Ich selber trage bei den Spielen eine Kapitänsbinde mit den Worten ‚NO TO RACISM‘. Es reicht aber mit den leeren Worten. Es muss Zeichen geben und aufgezeigt werden, dass wir das nicht tolerieren. Dieses Zeichen gab es am Samstag von mir und meiner Mannschaft. Mit dem gemeinsamen Verlassen des Platzes haben WIR gezeigt, dass es für Rassismus keinen Platz gibt. Ich liebe den Fußball und ich verstehe auch die Wichtigkeit dieser besagten Partie – doch es gibt Wichtigeres im Leben und zwar das Leben selbst. Ich trage und repräsentiere meine Hautfarbe und Herkunft mit vollstem Stolz. Mir ist wichtig, zu sagen, dass ich kein Opfer bin.“

Er sei „ein Kämpfer, genauso wie viele andere, die tagtäglich mit diesem Thema zu tun haben. Das kleine schwarze Kind in der Schule, eine erwachsene Person bei der Arbeit oder ich beim Fußball. Dem Sport, der viele Menschen auf der Welt verbindet. Ich werde mein Leben lang dafür einstehen und mich dafür stark machen, damit eines Tages WIR als Sieger gegen Rassismus hervorgehen!“

Als Team diskutierte man den Vorfall - und entschloss sich, als Mannschaft gemeinsam den Platz zu verlassen. Foto: Verein

Ganz starke Worte von Marcus Coffie! Worte, die ganz klar aufzeigen, wie akut das Problem ist. Umso geschockter war auch der FC Teutonia 05 nach dem gefällten Urteil – und veröffentlichte eine Stellungnahme, die wir im Wortlaut aufgeführt haben:

NFV-URTEIL: EIN SCHLAG INS GESICHT

Der FC Teutonia 05 nimmt Stellung zu den Vorfällen in Bremen und dem heute getroffenen Urteil des Norddeutschen Fußballverbands.

Am vergangenen Samstag, den 27.05.2023, entschied sich unsere Mannschaft im Spiel gegen den Bremer SV, das Spielfeld im Anschluss an eine rassistische Äußerung gegenüber unserem Kapitän Marcus Coffie zu verlassen. Dabei handelte es sich um eine kollektiv getroffene Entscheidung aller anwesenden Spieler und der Verantwortlichen des FC Teutonia 05. Der betroffene Spieler Marcus Coffie ist ein Aushängeschild all derjenigen Werte, für die unser Verein steht. Das Engagement und die Persönlichkeit unseres Kapitäns gehen weit über diejenigen Dinge hinaus, die sich in seinem Dasein als Kapitän auf dem Platz erkennen lassen. So ist Marcus immer in erster Reihe, wenn es um Möglichkeiten der Vertiefung unseres sozialen Engagements innerhalb Ottensens geht. Sei es in dem Kinderheim St. Ansgar Stift, im Mercado bei der Veranstaltung von Gewinnspielen oder auch bei Anti-Rassismus Workshops. Geht es darum, Unterstützung und Fürsorge zu zeigen, ist Marcus immer präsent. Und so steht Marcus für Teutonia, genauso wie Teutonia für Marcus steht. Die Entscheidung, den Platz im Moment der rassistischen Äußerung gegenüber Marcus zu verlassen, war für alle Teutonen deshalb nicht diskutierbar. Abgesehen von den persönlichen Eigenschaften, die Marcus auszeichnen und der Wichtigkeit des hier behandelten, übergeordneten Problems, spricht auch der sportliche Moment, indem sich der Vorfall ereignete, für die Wahrhaftigkeit der von uns getätigten Aussagen. Bei einem Spielstand von 2:1 für uns und unter Betrachtung der mangelnden sportlichen Relevanz des Spieles für unser Saisonergebnis, scheint es doch recht wenig Motive für eine künstliche Erzeugung von solch schweren Vorwürfen gegeben zu haben.

"Stellt das nicht nur einen Angriff auf den Sport, sondern auch auf die Menschlichkeit dar"

Um die Vorfälle des Samstags nicht länger unter dem Status eines „Einzelfalles“ bestehen zu lassen, bedarf es einer Konfrontation des Problems, das diesen Vorfällen zugrunde liegt. Es handelt sich um ein Problem, was nicht sportlich ist. Ein Problem, welches über den Fußball hinaus geht. Und deshalb, war das Motiv, welches zu dem Verlassen des Platzes geführt hat, nicht die Abkehr vom Sportlichen, sondern die Konfrontation derjenigen Probleme, die sich schlicht nicht auf einem Sportplatz lösen lassen. Unsere Spieler, die diesen Sport betreiben, seit sie Kinder sind, die genau wissen, was es bedeutet, einen sportlichen Wettkampf auszutragen, zeigen durch den Abgang vom Platz auf, wo dieser Wettkampf aufhört, aber noch viel wichtiger, unter welchen Rahmenbedingungen er überhaupt erst möglich wird. Sport im Allgemeinen und insbesondere der Fußball ist von Natur aus eine verbindende Institution. Und werden die Grundlagen dieses verbindenden Elementes missachtet, dann stellt das nicht nur einen Angriff auf den Sport, sondern auch auf die Menschlichkeit der auf dem Platz stehenden Individuen dar.

Teutonia 05 reagiert "mit großem Unverständnis"

Geschockt hat man beim FC Teutonia 05 auf das Urteil des Norddeutschen Fußball-Verbandes nach dem Vorfall am Sonntag reagiert. Foto: Verein

Mit großem Unverständnis nahmen wir deshalb die Urteilsverkündung des Norddeutschen Fußballverbands zur Kenntnis. Dieses Urteil ist der Versuch einer Reduktion eines über die Grenzen des vergangenen Spieles hinausgehenden Problems auf die sportlichen Interessen des Bremer SV.

Als aktiv politisch positionierter Verband und als aktiv politisch positionierter Verein (im Falle Bremens), ein Thema wie den Rassismus leichtfertig unter dem Versuch der Wettbewerbsverzerrung zu verharmlosen, gleicht einem Angriff auf die Ernsthaftigkeit des Problems, um das es hier geht.

Teutonia hatte keinerlei sportliche Motive für den Abbruch dieses Spieles, im Gegenteil würde eine künstliche Erzeugung eines solchen Konfliktes vor dem Hintergrund des anstehenden Pokalfinales wohl kaum zu einer angemessenen, sportlichen Vorbereitung in unserem Interesse sein.

Darüber hinaus wurden, wie es scheint, die etwaigen, Zeugenaussagen, die den Vorfall mitbekamen, bei der Urteilsbildung außer Acht gelassen.

"Dieses Urteil zeigt eine tolerierende Haltung"

Marcus Coffie (li.) erklärt dem Schiedsrichter (Mi.), was vorgefallen ist. Im Anschluss an das Urteil verlor er sehr emotionale Worte. Foto: Verein

Dieses Urteil und die Art und Weise, wie es verfasst wurde, zeigt von der Sprache bis zu dem Inhalt eine tolerierende Haltung gegenüber dem, diesen Vorfall eigentlich unterliegendem Problem des Rassismus.

Auszug aus der Urteilsverkündung des Norddeutschen Fußballverbands: „Vorliegend stellt sich jedoch die Frage, ob ein solcher Vorwurf es rechtfertigt, ein Spiel abzubrechen oder dieses nicht fortzusetzen.“

Die Infragestellung, ob ein Vorfall dieser Art für ein Abbrechen des Spieles ausreichen könne, grenzt nicht nur an Ignoranz, sondern stellt alle bisher getätigten Schritte gegen den Rassismus in ein Licht, in dem diese aussehen wie Maßnahmen, die nur dann gern gesehen werden, wenn sie in die vorherrschenden Umstände von Vereinen oder Verband passen.

Diese Missachtung des Problems noch steigernd, stellt der Versuch eine rassistische Beleidigung mit einer körperlichen Tätlichkeit gleichzusetzen, die eben nicht dazu rechtfertige, das Feld zu verlassen, eine derartige Relativierung des Problems dar, dass diese nicht länger als einfache Fehleinschätzung der Situation verharmlost werden soll.

Im Gegenteil, böte ein Vorfall wie der hier behandelte die Möglichkeit, die allzu bekannten Slogans und Markenbilder auch tatsächlich anhand von aktiven Maßnahmen zu untermauern. Stattdessen wägt man sich lieber in dem Schutz der künstlichen Erzeugung von verharmlosenden und unpassenden Vergleichen wie der, den Rassismus mit einer sportlichen Tätlichkeit zu vergleichen.

Die Parallele zu einer Tätlichkeit ist schon deshalb als nicht stichhaltig zu bewerten, weil eine, von dem Schiedsrichter zunächst nicht gesehen Tätlichkeit im Nachhinein immer noch anhand von körperlichen Reaktionen wie dem Bluten nachweisbar gemacht werden kann.

"Entscheidung ist das neueste Element eines aktiven Wegschauens"

"Die Entscheidung ist nicht nur ein Exempel dessen, was in unserem Sport noch immer falsch läuft, sondern eine, die den Rassismus im Sport und dadurch in der Gesellschaft toleriert!" Foto: Verein

Dass es sich bei dem Rassismus um ein Phänomen, um einen Angriff handelt, der Schmerzen in den betroffenen Personen erzeugt, die sich eben nicht auf solche, die den Körper betreffen, reduzieren lassen, ist längst bekannt.

Die Bedeutung dieser Entscheidung reicht deshalb weit über die Grenzen unseres Spieles gegen den Bremer SV hinaus. Es signalisiert an alle auf dem Fußballplatz mit rassistischen Beleidigungen konfrontierten Spielerinnen und Spieler, dass sich ihre Möglichkeiten mit dem Problem umzugehen auf die Sichtbarkeit des Geschehens für das Schiedsrichtergespann beschränken. Es wertet eine Aktion der Spieler, die eine Reaktion auf den Angriff auf ihre Persönlichkeit symbolisiert, nicht nur herab, sondern stellt sie unter das Licht der „Wettbewerbsverzerrung“.

Aufgrund all der benannten Faktoren, ist die Entscheidung nicht nur ein Exempel dessen, was in dem Sport falsch läuft, was in unserer Gesellschaft noch immer falsch läuft, sondern es ist das neueste Element eines aktiven Wegschauens, das neueste Element einer Entscheidung, die den Rassismus im Sport und dadurch in der Gesellschaft toleriert.