Oberliga

„Ohne meinen Bruder würde ich jetzt wahrscheinlich nicht in der Oberliga spielen – sondern Schach“

Volle Konzentration auf den Ball: Julian Schmid, der jüngst seinen Vertrag beim SC Victoria verlängert hat. Foto: Bode

Bereits seit 2015 trägt er das Trikot des SC Victoria und hat sich im Laufe der Zeit zu einem echten Leistungsträger beim Oberligisten von der Hoheluft entwickelt – und das, obwohl Julian Schmid vor fünf Jahren, als er zum SCV kam, bei seinem Wechsel aus der Bezirksliga in Hamburgs höchste Amateur-Liga gleich mal eine ganze Spielklasse übersprang. Wir haben mit dem dienstältesten Vicky-Akteur nicht nur über diesen Sprung damals, sondern auch über Förderer, Wegbegleiter, seine Rolle in der Mannschaft, die Corona-Pause, seine Vertragsverlängerung sowie die Ziele und Perspektiven für die Zukunft gesprochen.

Julian, am 22. Juni habt ihr erstmals wieder trainiert. Wie war das Gefühl, endlich wieder auf dem Platz stehen zu dürfen?

Julian Schmid: Großartig! Vor allem natürlich das Wiedersehen mit den anderen.  Klar, es gibt die Sommer- und die Winterpause, aber eine solch lange fußballfreie Zeit wie jetzt erlebt man sonst ja – Gott sei Dank – nicht. Das war wie früher nach den Sommerferien in der Schule, wenn man alle wiedergesehen hat. Nur, dass wir jetzt halt nicht eine Doppelstunde Mathe, sondern endlich wieder die Kugel am Fuß hatten und zusammen kicken durften. Herrlich!

Wie hast du die durch Corona entstandene Pause erlebt und wahrgenommen? Die hat ja quasi jeden Amateurfußballer innerhalb kürzester Zeit von 100 auf null runter gebremst…

Schon seit 2015 trägt Schmid (re.) das Trikot des SC Victoria. Foto: KBS-Picture.de

Schmid: Ja, das war wirklich eine Vollbremsung, die zu dem Zeitpunkt aber wohl unumgänglich und von daher richtig und wichtig war. Kontaktbeschränkung, Ausgangssperre –da wird man irgendwann kreativ und probiert sich aus. Auch ich bin auf den einen oder anderen Social-Media-Trend-Zug aufgesprungen, weiß aber natürlich auch, dass es ein absolutes Privileg ist, wenn man sich während einer solchen Krise nicht mit Existenzängsten befassen muss, sondern sich an der Stay-at-home- oder Klopapier-Challenges versuchen kann.  Ansonsten habe ich meinen Bewegungsdrang mit ein paar Alsterläufen oder Waldspaziergängen mit meiner Freundin gestillt. In der Stadt konnte man ohne Maske ja nicht mehr das Haus verlassen, aber wäre ich die ganze Zeit drinnen geblieben, wäre ich spätestens nach fünf Tagen die Wände hochgegangen. Im Prinzip wie Spiderman, bloß dass ich im Wald nicht einmal Netz hatte (lacht). Das tat aber auch mal ganz gut.

In der Zwischenzeit hast du deinen Vertrag bei Vicky verlängert. Was waren die ausschlaggebenden Gründe dafür?

Schmid: Der Trainer, die Mannschaft und somit das vielzitierte Gesamtpaket. Marius Ebbers und Martin Spreitz machen einen wirklich guten Job und man merkt in jedem Training, wieviel Bock sie auf Fußball haben. Das ist in der Mannschaft nicht anders und ich fühle mich auf dem Platz, genau wie in der Kabine, pudelwohl mit den Jungs. Und dann sorgt noch das traditionsreiche Stadion, zu dem ich bei jedem Training und Spiel mit dem Rad kommen kann – ein echt hoher Wohlfühlfaktor.

Du bist seit 2015 beim SCV, kamst damals aus der Bezirksliga vom ETV. In wie weit hast du seinerzeit erwartet, dass du dich so schnell zum Leistungsträger entwickelst und bei Vicky nicht mehr wegzudenken bist?

Schmid: Erwarten kann man sowas nicht, das wäre ziemlich vermessen gewesen. Denn für mich war der Wechsel damals ja nicht nur ein zweifacher Klassenunterschied von der Bezirks- in die Oberliga, sondern gleichzeitig der beginnende Konkurrenzkampf mit Spielern, die größtenteils Regionalliga-Erfahrung hatten. Da versuchst du erstmal so viel wie möglich mitzunehmen und zu lernen und denkst nicht etwa: Warum stellt er jetzt diesen Marius Ebbers auf und nicht mich? Umso schöner, dass es für solche Gedanken dann ohnehin gar keinen Grund gab, da wir meistens beide ran durften, sodass ich tatsächlich von Anfang an viele Einsatzminuten bei Vicky bekommen habe.  Das hatte ich so zwar nicht unbedingt erwartet, mir aber natürlich trotzdem irgendwo erhofft.

Ein wichtiger Bestandteil, der den Transfer damals mit eingeläutet hat, war damals Eugen Igel. Wie wichtig war er für deine Karriere?

Im Interview spricht der 25-Jährige nicht nur über seine persönlich Entwicklung, sondern auch über die der Mannschaft. Foto: Bode

Schmid: Das stimmt. Ich war damals Praktikant bei ELBKICK.TV, für die Eugen ja regelmäßig als Experte vor die Kamera getreten ist. Wir waren mir der Redaktion in einer Soccerhalle kicken und Eugen hat zugeschaut. Mein Auftritt damals hat ihm so gut gefallen, dass er kurze Zeit später in seiner Kolumne „Eugen Igel hakt nach" über mich schrieb, er hätte mich als Trainer einer Oberliga-Mannschaft sofort verpflichtet. Sowas von einem wie ihm zu hören schmeichelt natürlich, zumal dahinter mehr als nur ein wenig Bauchpinselei steckte. Das waren bei ihm niemals bloß leere Worte und so fragte er mich kurz darauf, für welchen Oberligisten ich denn am liebsten spielen würde. Für einen Jungen aus Eimsbüttel war Vicky nicht nur geografisch die naheliegendste Anlaufstelle, sondern auch aus sportlicher und traditioneller Sicht ein absoluter Traumverein.  Eugen stellte den Kontakt her und zwei Probeeinheiten später war das Ding durch und ich konnte mir diesen Traum Dank seiner Unterstützung erfüllen. Er hat mich damals ermutigt diesen Schritt zu gehen und den Wechsel vorangetrieben. Das werde ich ihm nie vergessen. Möge er in Frieden ruhen.


Auf der zweiten Seite spricht Julian Schmid über weitere Förderer und Wegbegleiter seiner Karriere, die Entwicklung des SCV in den letzten fünf Jahren sowie das Ziel in der kommenden Saison und seine eigenen Pläne

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