Do - 31.10. 14:00 Uhr
Sachsenweg
348
Daniel Gawron (TuS Osdorf)
Oberliga
Neun-Tore-Spektakel mit eklatanten Fehlern: „Mir fehlen die Worte!“
Heißes Luftduell: Marko Augustinovic (re.) hat gegen Niendorfs Marvin Karow das Nachsehen. Foto: Kormanjos
Mit leicht erschrockener Miene marschierte Marcus Rabenhorst auf die anwesenden Pressevertreter am Sachsenweg zu. „Ich muss ganz ehrlich sagen, dass mir ein bisschen die Worte fehlen“, konnte der Coach der HSV-Dritten selbst kaum glauben, was sich in den vorangegangenen 90 Minuten auf dem Grün abspielte. „Wenn ich sehe, wie Niendorf – mit der Ambition, unter die ersten Sechs zu kommen – Fußball gespielt hat, nur mit langem Hafer und nichts für Spiel tuend, und wir denen sechs Geschenke hinlegen, dann tut das schon echt weh!“ Die Defensivleistung seiner Equipe erschütterte ihn zutiefst. So sehr, dass Rabenhorst die (traurige) Erkenntnis zog: „Am Ende muss man ganz einfach sagen: Wenn ich so verteidige, dann ist das ganz klar fehlende Qualität!“ Einige seiner Spieler würden ihm „wirklich leidtun“, wie er sagte. „Die investieren, wollen Fußball spielen, Tore erzielen – und dann verteidigen wir hinten so schlecht und katastrophal.“ Einen Akteur Anm Rabenhorst dabei komplett aus der Schussbahn: Youssef Mountassir. Da Tino Dehmelt beruflich in Paris weilt und Yannick Heuer mit Rückenbeschwerden (Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall) ebenfalls nicht zur Verfügung stand, musste die eigentliche Nummer drei zwischen die Pfosten. „Er ist der Letzte, dem ich heute einen Vorwurf machen würde. Er hat ein ordentliches Spiel gemacht und war einer der wenigen, die Normal-Leistung gebracht haben“, so Rabenhorst.
„Ich bin froh, dass unsere ‚alten Hasen‘ wissen, wo die Bälle hinkommen“
Zwei Ex-Nationalspieler im Austausch: Trainer Christian Rahn (li.) gab Marcell Jansen noch ein paar Instruktionen mit auf den Weg. Foto: Kormanjos
Stattdessen wirkte die Viererkette maßlos überfordert. Jerry Sampaney wurde bereits nach 39 Minuten „erlöst“. Kapitän Torben Wacker spielte zwar durch, leistete sich aber nicht minder viele Aussetzer. Ganz im Gegenteil. „Wir verteidigen nicht konsequent genug, sind nicht bereit, in den wichtigen Zonen miteinander zu kommunizieren – gerade hinten in der Box. Der Gegner hat es einfach viel zu leicht, gegen uns Tore zu schießen.“ Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Gefühlt ging es immer wieder nach dem selben Schema: Bälle auf den zweiten Pfosten – ob Flanken oder verlängerte Einwürfe – und schon stand ein Niendorfer völlig blank. „Ich bin ja froh, dass wir so ‚alte Hasen‘ wie Marin (Mandic, Anm. d. Red.) und ‚Bohne‘ (Daniel Brückner) haben, die wissen, wo diese Bälle hinkommen“, so Farhadi. Letztgenannter eröffnete den Torreigen nach einer Hereingabe von Lennart Merkle, die Oliver Doege am zweiten Pfosten ablegte (16.). Auch am zweiten Treffer war Brückner mit einem weiten Einwurf, den Doege mit den Haarspitzen verlängerte und Ilyas Afsin über die Linie drückte, beteiligt (33.). Beim zwischenzeitlichen 3:1 hatte Mandic nach einer Ecke von Lennard Speck am langen Pfosten ebenso wenig Gegenwehr (52.), wie Merkle, der nach einer Afsin-Flanke lediglich von Mountassir abgeräumt wurde, beim 4:1 (63.), oder Brückner bei seinem Kopfball unter die Latte zum Schlusspunkt (90. +1). Vorbereiter war Leon Meyer, der nur „4,85 Sekunden“ nach seiner Einwechslung, so der Stadionsprecher, einen Querpass vom omnipräsenten Brückner seelenruhig einschießen durfte (78.).
„Es ist mir unbegreiflich, wie du hier sechs Tore fangen kannst“
„Wenn mir einer sagen kann, wie man individuelle Aussetzer trainieren kann, dann würde ich es Woche für Woche ins Training einbauen“, rätselte Rabenhorst, der zusammen mit Christian Rahn die Geschicke beim Aufsteiger leitet. Auch der ehemalige Nationalspieler zeigte sich von der Abwehrleistung erschrocken und machte Mountassir noch die wenigsten Vorwürfe. Wenngleich sein Gegenüber befand: „Ich glaube, es war auch dem geschuldet, dass der HSV heute personell nicht das auf der Felge hatte, was sie sonst drauf haben. Da muss man ehrlich sein. Ohne dem Torwart zu nahe zu treten: Aber unter anderen Bedingungen hätten wir diese Tore mit Sicherheit nicht geschossen. Man hat schon gemerkt, dass ihm Spielpraxis fehlt.“ Derweil war Rabenhorst noch immer mit der (Nicht-)Leistung in der Hintermannschaft beschäftigt: „Es ist mir unbegreiflich, dass du gegen eine Mannschaft, die sich gefühlt kein Tor so richtig herausgespielt hat, sechs Tore fängst!“
Auch Niendorf mit eklatanten Aussetzern
Lawrence Schön (li.) und Marcell Jansen, der zwei dicke Chancen vergab, gehen zum Kopfball hoch. Foto: Kormanjos
Dabei hätte die Partie auch in eine ganz andere Richtung ausschlagen können. Denn die „Sachsenwegler“ agierten ebenfalls alles andere als fehlerfrei. Vor dem 1:2-Anschlusstreffer schenkte Lawrence Schön den Ball gegen Sepehr Nikroo her (43.), ehe Niendorf-Keeper Marcel Kindler den Top-Torjäger der „Rothosen“ im eigenen Sechzehner regelwidrig zu Fall brachte und Dominik Jordan den fälligen Strafstoß zum 2:4 verwandelte (72.). Dem 3:5 ging unterdessen ein haarsträubender Querpass am eigenen Strafraum von Speck voraus. Wieder profitierte Nikroo, der eiskalt abschloss (83.). „Solche Fehler dürfen uns einfach nicht passieren. Eine andere Mannschaft mit einer anderen Qualität, würde so etwas schnell nutzen“, ärgerte sich auch Farhadi über die Schnitzer in seiner Truppe – und konstatierte in Richtung des Gegners: „Sie haben es phasenweise gar nicht so schlecht gemacht.“ Wenn da nicht diese eklatante Defensiv-Darbietung gewesen wäre. „Unterm Strich steht ein Sieg – und man muss sich eigentlich freuen. Aber es war ein komisches und merkwürdiges Spiel. Wir haben echt nicht gut gespielt, aber trotzdem sechs Tore geschossen“, lautete Farhadis Fazit.