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„Man muss schon ein bisschen verrückt sein, sonst würde man das nicht machen“

Fabian Lucassen kann auch nach dem Ende seiner aktiven Karriere nicht ohne Fußball – und ohne das Torhüterdasein im Speziellen. Foto: Bode

Er ist Torwart-Trainer beim HSV Barmbek-Uhlenhorst und beim SC Victoria, wo er unlängst jeweils für eine weitere Saison zugesagt hat. Zudem coacht Fabian Lucassen auch noch die Torhüterinnen des Walddörfer SV und die Keeper beim SSC Hagen Ahrensburg. Obendrein hat der 33-Jährige eine Torwart-Schule. Und er ist national wie international unterwegs – mit seinem Projekt „JustUsGoalkeepers“, das er vor etwas mehr als einem Jahr aus der Taufe hob und „in den vergangenen 15, 16 Monaten seit der Gründung“ (O-Ton Lucassen) kräftig weiterentwickelt hat. Wir haben mit dem Ex-„Goalie“ über all diese Aufgaben gesprochen und die Frage geklärt, warum er einfach nicht ohne Tor und Torhüter kann.

Dabei muss auch Lucassen im Moment ein bisschen kürzer treten. Das leidige Thema Corona-Virus lässt grüßen. „Das ist schon ein komischer Zustand“, sagt der 33-Jährige, der derzeit nicht mehr so regelmäßig zum Einsatz kommt wie in Zeiten, als die Welt noch in Ordnung war. Auch für „JustUsGoalkeepers“ muss er sich jetzt etwas einfallen lassen. „Ich habe viele Torhüter aus dem Profibereich, mit denen ich schon gearbeitet habe oder noch arbeiten will, gefragt, ob sie nicht torhüterspezifische Workouts machen und diese filmen könnten. Die Rückmeldungen waren überragend. Ich bekomme richtig viele Videos geschickt – zum Beispiel von Torhütern, die bei Sampdoria Genua oder Rayo Vallecano spielen. Der Zusammenhalt unter uns Torhütern ist genial. Wir sind zwar in Vereinen alle Teile einer Mannschaft, aber irgendwie sind wir doch so etwas wie Einzelkämpfer. Und das merkt man. Torhüter sind untereinander wie eine große Familie“, erzählt uns Lucassen, der – vor Corona – „sechs von sieben Wochentagen mit Torwarttraining“ verbracht hat.

„Ich habe bislang keinen Profi-Torhüter erlebt, der nein sagt“

Der 33-Jährige arbeitet nicht nur bei Hamburger Vereinen als Torwart-Trainer, sondern hat auch noch ein ganz besonderes Projekt. Foto: Bode

„Man muss schon ein bisschen verrückt sein, sonst würde man das nicht machen“, lacht der 33-Jährige und bestätigt ein bisschen das Klischee, dass Torhüter und Linksaußen – salopp gesagt – etwas anders ticken. Und entsprechend reichten Lucassen eben irgendwann die normalen Einheiten als Torwart-Trainer und in seiner Torwart-Schule nicht mehr. „Ich mache das schon sehr lange und habe – auch durch die Zeit, als ich noch selbst gespielt habe – im Laufe der ganzen Jahre auch Kontakt zu vielen Profi-Torhütern geknüpft“, erzählt er, „manchmal hörst du dann von Amateuren, wenn sie Profis spielen sehen, irgendwelche Kommentare, was die Jungs da machen und dass sie selbst diesen oder jenen Ball ja gehalten hätten und einiges anders machen würden. Das ging mir irgendwann auf den Wecker, weil das dem Aufwand und der Arbeit, die Profi-Keeper haben, nicht gerecht wird.“ Genau daraus entstand dann die Idee, „dass es doch ganz cool wäre, wenn Amateure mit Profis trainieren könnten.“ Gesagt, getan – die Geburtsstunde von „JustUsGoalkeepers“. „Die Amateure sollen das genießen und wir stellen ihnen anschließend dann Videomaterial zur Verfügung. Sie sollen sehen, dass man da nicht so locker ran kommt an das, was die Profis täglich machen müssen, um in dem Bereich erfolgreich zu sein“, umreißt Lucassen den damaligen Grundgedanken.

Die beiden Welten zusammenzubringen, „war kaum problematisch. Die Torhüter in den Profivereinen sind mega cool drauf. Ich habe bislang keinen erlebt, der nein gesagt und ein Training mit Amateur-Keepern abgelehnt hat. Die sagen alle sofort ja – wenn, dann machen höchstens vielleicht mal die Vereine ein paar Probleme.“ Aber Fabian Lucassen wäre nicht Fabian Lucassen, wenn er nicht auch das in den Griff bekommen würde und sich nicht im Laufe der Zeit ein enges und gutes Netzwerk aufgebaut hätte. Und so durften die Amateur-Torsteher, die in den Genuss kamen, mit „JustUsGoalkeepers“ zu arbeiten, in der Vergangenheit schon mit klangvollen Namen wie Lars Unnerstall (früher Schalke 04, jetzt PSV Eindhoven), Timon Wellenreuther (früher Schalke, jetzt Willen II Tilburg), Ex-Karlsruhe-Schlussmann Dirk Orlishausen, Sebastian Mielitz (früher Werder Bemen, jetzt SönderjyskE/Dänemark), dem kompletten Torwart-Team von Holstein Kiel oder aber der brasilianischen Nationaltorhüterin auf dem Platz und zwischen den Pfosten stehen. „Ich erinnere mich noch gut an eine der ersten Wochen im November 2018, als wir nacheinander in Dänemark, Rostock und bei Holstein Kiel waren“, so Lucassen, der inzwischen längst auch andere Länder mit Keepern bereist und dort Kontakte geknüpft hat – sei es in Österreich, Spanien oder Italien.

„Es kann auch mal sein, dass wir zwei oder drei Stunden auf dem Platz sind“

In seiner aktiven Karriere stand Fabian Lucassen unter anderem für den SV Eichede in der Regionalliga zwischen den Pfosten. Foto: KBS-Picture.de

„Das Schöne ist, dass die Kontakte nicht abbrechen. Viele von den Profis laden uns nach dem Training noch zum Essen ein, man tauscht die Telefonnummern und bleibt miteinander verbunden“, sagt Lucassen und plaudert aus dem Nähkästchen: „Auch viele Torwarthandschuh-Hersteller sind nach und nach auf uns aufmerksam geworden, nachdem wir anfangs selbst die Kontakte geknüpft haben, und fragen jetzt bei uns an.“ Dort, wo Lucassen sich mit Amateuren und Profis zu gemeinsamen Trainingseinheiten zusammenfindet, „dauert das Training dann nicht nur normal 90 Minuten. Es kann auch mal sein, dass wir zwei oder drei Stunden auf dem Platz sind. Das ist alles zusammen schon außergewöhnlich. Es geht damit los, dass sich die Amateure auch in den Profikabinen umziehen dürfen, die Profi-Torhüter erzählen in den Einheiten viel von ihren Karrieren und Erlebnissen, sie geben viele Tipps weiter“, berichtet der 33-Jährige, der die Einheiten von einem Kameramann begleiten und filmen lässt und mit „JustUsGoalkeepers“ fleißig auf Instagram und bei Facebook unterwegs ist.

„Die Amateurkeeper bekommen von uns das Videomaterial. Auch das von den Profis. So haben sie eine schöne Erinnerung, können sich angucken, wie sie im Training waren und wie die entsprechenden Profis das machen“, sagt Lucassen. Seit er das Projekt ins Leben gerufen habe, „haben wir ein sehr schnelles Wachstum – gerade dank der ganzen Online-Medien und Sozialen Netzwerke.“ Und nicht nur den aktiven Torhütern aus den unteren Klassen bringt das Training mit den „Goalies“ aus dem bezahlten Fußball etwas, weiß der 33-Jährige zu berichten. Auch er selbst profitiert davon, wie uns Lucassen, der unter anderem beim Hamburger SV II, dem FC St. Pauli II, dem SC Victoria, dem SV Eichede, dem TSV Havelse und dem SV Curslack-Neuengamme zwischen den Pfosten stand, verrät. „Das ist unheimlich spannend für mich. Ich nehme aus den Einheiten vieles für mein eigenes Dasein als Torwart-Trainer mit. In Italien zum Beispiel wird mit Torhütern ganz anders trainiert als es bei uns in Deutschland der Fall ist“, sagt der Mann für den das Zwischen-den-Pfosten-stehen so etwas wie ein Lebenselixier ist...