Abpfiff – Die FussiFreunde-Kolumne

Kiesbarg-Chaos: Wie sich ein Verein selbst zerlegt

Foto: KBS-Picture.de

In unserer Kolumne „Abpfiff“ greifen wir die wichtigsten Themen der vergangenen Woche im Hamburger Amateur-Fußball auf und kommentieren diese. In dieser Woche geht es um die momentanen Entwicklungen beim Oberligisten FC Süderelbe.

Paukenschlag, Knall, Krise, Chaos – man hätte wohl sämtliche Begrifflichkeiten am vergangenen Freitag aus der Kiste kramen können, sie alle wären dem, was da beim FC Süderelbe offenbar seit Monaten unter der Decke schwelt und jetzt in der fußballosen Zeit in die Öffentlichkeit schwappt, angemessen gewesen. Erinnern wir uns: Schon im Nobember 2019 (!) gab es, einige Tage nach der außerordentlichen Jahreshauptversammlung, die ersten Gerüchte, dass beim FC Süderelbe spätestens im Rahmen eben jener Veranstaltung etwas schiefgelaufen sei und es im Verein nicht mehr stimme. Der damalige Erste Vorsitzende Joachim Stoltzenberg wischte diese Gerüchte mit einem Statement am Rande des Oberliga-Auswärtsspiels beim USC Paloma später gekonnt vom Tisch. Erst einmal. Aus den Augen, aus dem Sinn. So schien es zumindest.

Der Haussegen hängt nicht nur schief, er ist herunter gefallen und völlig zerbrochen

FCS-Devensivmann Isaak Hoeling (re.). Foto: Both

Hinter den Kulissen aber soll es weiter hoch her gegangen sein – auf der Funtkionärs-Ebene ebenso wie zwischen Funktionären und Spielern. Alles in allem, so jedenfalls der Eindruck als Außenstehender, muss sich am Kiesbarg in den letzten Wochen und Monaten mächtig etwas angestaut haben. Wie sonst ist es zu erklären, dass nacheinander Leistungsträger und Trainer ihre Abschiede erklärten und nun Isaak Hoeling am vergangenen Freitag stellvertretend für das gesamte Team die Bombe platzen ließ und nicht nur seinen Abschied, sondern den des ganzen Teams ankündigte. Und dann ist da ja auch noch der Rücktritt von Joachim Stoltzenberg, bei dem dessen Nachfolger als Erster Vorsitzender, Matthias Nehls, nicht müde wird, zu betonen, dass „Joachim aus gesundheitlichen Gründen“ zurückgetreten sei. Insider wie Spieler und Trainer aber lasen etwas ganz anderes verlautbaren. Nämlich, dass Stoltzenberg mit gewissen Personen im Vorstand, die die Mitglieder ins Gremium wählten, partout nicht habe zusammenarbeiten wollen. Stoltzenberg selbst äußerte sich bislang nicht dazu. Vielleicht, weil es – so hört man es zumindest – Dinge und Äußerungen gibt, die weit über die Versammlung hinausgehen und inzwischen andere Instanzen beschäftigen?

Fakt jedenfalls ist: Der Haussegen am Kiesbarg hängt nicht nur schief, er ist herunter gefallen und völlig zerbrochen. Dass ein Spieler wie Hoeling so vorprescht, wie er es am Freitag getan hat, ist das beste Indiz dafür. Nun mögen die Worte des Defensivmannes zwar (etwas zu) hart gewesen sein. Aber wir kennen das ja alle: Wo Frust ist, bahnt er sich seinen Weg – im Falle von Hoeling nun eben auf diese recht emotionale Weise. Fraglos: Man hätte das Ganze auch auf die leise(re) Weise regeln können, womit letztlich dem Verein vielleicht mehr gedient gewesen wäre. Doch es passt ins Bild, dass die Geschichte nun so eskaliert ist. In ein Bild, in dem bereits seit Wochen davon gesprochen wird, dass der Verein entzweit sei. Gespalten: Die einen „pro Stfan Arlt“, die anderen „contra Stefan Arlt“. Der übrigens hat – wie auch immer man zu ihm stehen mag – am Freitag auf Nachfrage, was er denn zu all den Vorwürfen sagen würde, erwidert, er würde nicht sagen. Im Sinne des Vereins vielleicht sogar das Bestmögliche. Eine Schlammschlacht, die in der Öffentlichkeit über Wochen ausgetragen würde, würde am Ende dem Club schaden – und vermutlich nur Verlierer mit sich bringen.

Es scheint, als wüsste die rechte Hand nicht, was die linke tut – oder sie will's nicht wissen

Der Süderelbe-Vorsitzende Matthias Nehls. Foto: KBS-Picture.de

Unter den Teppich aber kehren kann und sollte man die ganze Thematik dennoch nicht. Geht auch nicht. Das Kind ist längst in den Brunnen gefallen. Weil es Personen gibt, die ganz offenbar nicht zusammen passen. Weil es Kommunikationsprobleme gibt – in vielerlei Hinsicht. Arlt soll nicht mit den jetzigen Spielern gesprochen haben. Von den Neuzugängen wiederum, die der künftige Coach holt, wollen die Spieler des aktuellen Kaders erst durch die Bald-Süderelbe-Kicker selbst erfahren haben. Teamchef Tobias Annuß erfuhr von der Entscheidung der Mannschaft, den Verein geschlossen verlassen zu wollen, erst via „facebook“. Es scheint, als wüssen im Kiesbarg-Chaos die rechte Hand nicht, was die linke tut – oder sie will es nicht wissen. Ungünstige Vorzeichen, um es nett zu formulieren. Kein Wunder, dass in den letzten Wochen und Monaten unkittbare Risse entstanden sind, wenn schon bei solchen doch vergleichsweise kleinen Dingen alles irgendwie aus dem Ruder läuft. Man wird den Eindruck nicht los, dass sie am Kiesbarg eines zumindest besser können als zwischenmenschlich normale Konkate und Umgangsformen zu wahren. Nämlich, sich als Verein selbst zu zerlegen. Das schöne, langjährige Bild vom netten Verein draußen im Süden vor den Toren Hamburgs ist jedenfalls hinüber, zumindest aber ganz arg ramponiert.

Und mittendrin steht einer, der versucht, auf Teufel komm raus Neutralität zu wahren und die ganze Sache irgendwie verbal zu besänftigen: Matthias Nehls, der seit dem „Aus“ von Stoltzenberg Erster Vorsitzender ist. Er gilt als enger Vetrauter seines Vorgängers. Er dementiert zerrütte Beziehungen und spricht davon, dass Entscheidungen demokratisch gefallen seien und man dann eben so arbeiten müsse. Er redet die Gräben, die es im Vorstand gibt, weg. Gründe für einen eigenen Rücktritt in dieser Krisenphase sieht Nehls nicht, sondern sagt, man müsse „die Lage in Zukunft immer neu bewerten.“ Klingt ein bisschen nach Angela Merkel. Was Nehls aber auch sagt – und zwar via „Hamburger Abendblatt“ – ist, dass Stefan Arlt „kein einfacher Typ“ sei, man ihm aber „die Möglichkeit geben sollte, jetzt seine Ideen umzusetzen.“ So weit, so gut – oder eben nicht gut. Ob er es gewollt hat oder nicht: Nehls gibt so zumindest zu, dass im Vorstand zum Thema Arlt eben doch geteilte Meinungen gibt. Und: Er zählt den künftigen Trainer mit dem Statement, dass er eben „kein einfacher Typ“ sei, an. Es gibt klügere Schachzüge in einem Verein, in dem es so oder so schon drunter und drüber geht. Aber vielleicht hat der „Neutralitäts-Nehls“ einfach nur in einem Nebensatz das verraten, was eh schon alle wissen: Der FC Süderelbe steht in der neuen Saison unter extremer Beobachtung. Und unter Druck. Selbst gemachtem Druck, Nicht auszuschließen, dass bald schon irgendwem anderes der Kragen so platzt, wie es beim Team jetzt der Fall war...