Abpfiff – Die FussiFreunde-Kolumne

Eine erzwungene Entscheidung, bei der Alternativen ausgesperrt wurden

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In unserer Kolumne „Abpfiff“ greifen wir die wichtigsten Themen der zurückliegenden Woche im Hamburger Amateur-Fußball auf und kommentieren diese. In dieser Woche geht es einmal mehr um das leidige Thema Corona und dabei im Speziellen um die am gestrigen Sonntagabend vom Hamburger Fußball-Verband (HFV) verkündete Unterbrechung der Saison 2020/2021.

Mal ehrlich, liebe Leser: Wussten Sie bis zum zurückliegenden Wochenende von der Existenz des Kreisportverbandes Pinneberg? Und vor allem von der Macht, die dieses Gremium anscheinend zu haben scheint? Selbst dann, wenn es nur ausführendes, respektive weitergebendes, Organ auf Grundlage von Landes- und Kreis-Entscheidungen ist. Nein!? Nun gut, damit dürften Sie nicht alleine dastehen. Zumindest bis gestern nicht. Seit Sonntagabend aber wissen wir jetzt: Dieser Kreissportverband, der kann in letzter Konsequenz schon einiges! Einen ganzen Spielbetrieb zum Erliegen bringen, zum Beispiel. Oder aber einen kompletten Fußball-Verband in die Knie zwingen. Dem Senat der Stadt Hamburg und Studien widersprechen. Und vor allem auch: sich den Unmut von (fast) all denjenigen zuziehen, die in der Hansestadt irgendwas mit Fußball zu tun haben oder selbst vor den Ball treten. Pardon: getreten haben – denn vorerst darf dies ja zumindest im Plichtspiel-Betrieb in Hamburg keiner mehr.

Warum hat man es nicht ohne Zuschauer versucht und Studien nicht mit einbezogen?

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Genau das hat bekanntlich der HFV am Sonntagabend vermeldet – und damit ein unfassbar großes Echo an der Basis ausgelöst. Viel erklären muss man nicht, das Ganze lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Weil die Vereine im Kreis Pinneberg dank der Anordnung von eben jenem Kreissportverband nicht mehr spielen und trainieren dürfen, darf nun mal gleich gar keiner mehr spielen. Zumindest nicht um Punkte in der Meisterschaft oder ein Weiterkommen im Pokal. Aber warum ist's nun eigentlich so, wie es ist? Erinnern wir uns mal an die vergangene Woche zurück: Da hatte der Senat der Stadt Hamburg doch noch lang und in epischer Breite erklärt, dass der Fußball – zumal unter freiem Himmel stattfindend – ganz gewiss kein Infektionstreiber sei. Es gibt zudem diverse Studien die belegen, dass die Gefahr einer Corona-Ansteckung auf dem Platz ziemlich gering ist – man kann davon sogar auf der Internetseite des HFV nachlesen.

So weit, so gut, so klar – aber eben nicht klar genug. Der Kreisportverband Pinneberg schätzt die Lage anders ein – warum auch immer. Und stürzt damit Hamburgs Fußball und den Verband in ein Dilemma. Denn was soll der HFV tun? Dass in Jenfeld gehandelt werden musste, sollte uns allen, die wir mit dem Amateurfußball in irgendeiner Verbindung stehen, klar gewesen sein. Dass dabei aber ein Kreissportverband einen kompletten Verband und den kompletten Amateurfußball einer Millionenstadt am Nasenring durch die Manege führt wie ein Torero einen müde gewordenen Stier – nun, es gibt sicher Dinge, deren Sinnhaftigkeit man eher versteht. Man hätte – diese Diskussion oder aber zumindest das Themenfeld gab es – für die nahe Zukunft eine gewisse Zeit lang auf Zuschauer verzichten können – es wäre angesichts der steigenden Inzidenzwerte eine gewiss nicht unbedingt schöne, vielleicht aber nachvollziehbare Entscheidung gewesen. Die jetzige Entscheidung aber ist eine erzwungene, bei der man über den Sinn trefflich streiten und selbigen zumindest in Frage stellen kann. Auch über die Kommunikation des HFV wird wieder diskutiert.

Der föderale Flickenteppich, in dem jeder machen kann, was es will, lässt leider grüßen...

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Aber selbst, wenn man darauf (s)eine Antwort findet, ist es, wie so oft: Es bleiben weitere Fragen – die nach Gerechtigkeit und Alternativen zum Beispiel. Warum sollen die Hamburger Vereine jetzt diejenigen sein, die Rücksicht auf die Clubs aus dem Kreis Pinneberg nehmen müssen, wenn die Vereine aus eben jenem Kreis im Sommer, als sie längst schon wieder normal trainieren durften, an diesem Punkt nicht unbedingt nach Wohl und Wehe ihrer Wettbewerber aus Hamburg gefragt haben? Warum versucht man es nicht im Rahmen einer Solidargemeinschaft – der Hamburger Amateurfußball rühmt sich schließlich immer, eine große Familie zu sein – damit, das Heimrecht zu tauschen? Die Argumentation, dass dies ein Höllenaufwand ist, wird sicher kommen – aber warum von vornherein eine Idee ausschließen, wenn man es nichtmal probiert hat? Sicher: Je weiter man in den Ligen herunter geht, desto größer ist die Anzahl der Teams aus dem Kreis Pinneberg in den einzelnen Staffeln. Aber nehmen wir als Beispiel die Ober- oder die Landesliga Hammonia: Warum können die „Kreis Pinneberg-Clubs“ nicht einfach aussetzen, wie es andernorts Mannschaften mit Corona-(Verdachts-)Fällen auch tun müssen?

Zudem: Warum dürfen Testspiele stattfinden, wenn aber Punktspiele innerhalb der Hamburger Stadtgrenzen nicht erlaubt sind? Überspitzt formuliert: Fragt das Corona-Virus neuerdings an der Kasse etwa nach, ob es ein Pflicht- oder ein Freundschaftsspiel ist? Ist die Tatsache, dass es Freundschaftsspiele gibt, vielleicht ein Stückweit auch ein Zugeständnis des Verbandes, der sich selbst mit der Komplett-Unterbrechung schwergetan hat und weiß, dass die Entscheidung erzwungen war? Oder ist es am Ende leichter, im Falle von Corona-Infektionen, die durch Freundschafts-Spiele ausgelöst werden könnten, zu sagen: Es waren ja eure eigenen Testspiele auf eigene Verantwortung und keine Spiele, die wir euch als Verband in Meisterschaft und Pokal von oben vorgegeben haben? Auch die Diskussion, warum denn Vereine aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen am Spielbetrieb des HFV teilnehmen, wird wieder aufgekocht werden – da kann man sich sicher sein. Die „Beliebtheit“ dieser Vereine wird nicht gerade steigen. Kurzum: Es gibt mit der jetzigen Entscheidung nur Verlierer. Weil Alternativen ausgeschlossen wurden. Das Kind ist in den Brunnen gefallen. Die Verantwortung dabei liegt nicht zwingend nur beim Verband. Der föderale Flickenteppich, in dem jeder machen kann, was es will, lässt leider grüßen...


Jan Knötzsch