Abpfiff – Die FussiFreunde-Kolumne

Ein paragraphentreues Urteil, aber ein verpasstes Zeichen

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In unserer Kolumne „Abpfiff“ greifen wir die wichtigsten Themen der vergangenen Woche im Hamburger Fußball auf und kommentieren diese. Dieses Mal geht es um das Urteil, das das Sportgericht des Hamburger Fußball-Verbandes (HFV) nach dem abgebrochenen Spiel zwischen der Reserve des Harburger TB und der Vereinigung Tunesien in der Kreisliga 1 gefällt hat. 

Erinnern wir uns: Die Partie war seinerzeit am 1. Dezember 2019 vorzeitig abgebrochen worden. Die Kicker der HTB-Reserve hatten nach wiederholten Affengeräuschen aus dem Gästeblock gegenüber einem HTB II-Spieler beschlossen, das Spiel nicht weiter zu bestreiten und waren komplett vom Feld gegangen. Am vergangenen Wochenende wurde das Thema nun wieder akut, weil es medial noch einmal beleuchtet wurde: Die „Hamburger Morgenpost“ berichtete über das Urteil des HFV-Sportgerichts aus dem Dezember vergangenen Jahres. Das Gremium hat dazu folgendes entschieden: Die Begegnung wurde mit 3:0 zugunsten der Vereinigung Tunesien gewertet, der HTB bekam zudem eine Geldstrafe aufgebrummt. Die Begründung des Urteils laut der „Mopo“: Nur der Schiedsrichter kann ein Spiel abbrechen, dem sei die Mannschaft des HTB II mit dem Verlassen des Platzes zuvorgekommen. Für die Vereinigung Tunesien, deren Anhang die HTB II-Kicker am Spieltag als Quelle der Affengeräusche ausgemacht hatten, gab es keine Strafe.

BU wurde einst wegen rassistischer Äußerungen auf der Tribüne bestraft

Der HSV Barmbek-Uhlenhorst wurde im 2019 für rassistische Äußerungen von der Tribüne bestraft. Archivfoto: Balle

Vorm Sportgericht wurden – logischer Weise – beide Seiten gehört. Wie die „Mopo“ berichtet, habe ein Sprecher der Vereinigung Tunesien laut HTB-Angaben gesagt, dass man einem anderen Kulturkreis angehöre und seine Freude über den Spielverlauf anders äußere. Abgestritten offenbar wurden die Laute also nicht. Frank Borstelmann als Fußball-Abteilungsleiter des HTB erklärte gegenüber der „Mopo“: „Es ist zwar zu akzeptieren, dass wir für das Verlassen des Spielfeldes ohne Abpfiff bestraft werden, doch nicht die Einstellung des des Verfahrens wegen der rassistischen Äußerungen. Hier ist ein falsches Zeichen gesetzt worden.“ Recht hat er, der Mann. Das HFV-Sportgericht hat in einer Sache richtig entschieden. Die Paragraphen geben nun einmal die Strafe her, dass ein Team, das den Platz eigenmächtig verlässt und dadurch einen Spielabbruch herbeiführt, dieses Match gegen sich gewertet bekommt. So weit, so gut. Denn so sehr die Paragraphen das Handeln des Sportgerichts rechtfertigen, so sehr bleibt mit der Nicht-Bestrafung der Vereinigung Tunesien die Frage nach der moralisch angebrachten Strafe vor der Tür.

Erinnern wir uns an einen anderen Fall, in dem es zu rassistischen Äußerungen kam. Richtig, den aus dem Spiel zwischen dem HSV Barmbek-Uhlenhorst und dem Meiendorfer SV in der Oberliga. Da hatte es bekanntlich im Februar 2019 einen Zwischenruf von der Tribüne aus dem BU-Block gegeben, den die Meiendorfer als rassistische Äußerung auffassten und in Folge dessen kollektiv den Platz verließen. Ebenso also, wie es nun die Kicker des HTB II in ihrem Spiel taten, als sie die Affenlaute von den Rängen vernahmen. Blicken wir nicht nur auf das Oberliga-Spiel, das im Februar 2019 eine riesige mediale Debatte im Hamburger Amateurfußball auslöste, sondern auch auf das Urteil zurück, welches das HFV-Sportgericht damals im Nachgang fällte: Das Spiel wurde mit einem 3:0-Sieg „pro“ BU gewertet, Meiendorf wurde wegen eines schuldhaft verursachten Spielabbruchs zu 150 Euro Geldstrafe verurteilt. So weit, so gut, so wie im jetzigen Fall auch – doch jetzt kommt es: BU wurde mit einer Strafe in Höhe von 1000 Euro belegt. Wegen der rassistischen Äußerung auf der Tribüne.

Für den Laien ist das Ausbleiben einer Strafe gegen die Gäste nicht nachvollziehbar

Sie merken, liebe Leser: Die Fälle ähneln sich. Nicht aber die Bestrafung. Zumindest nicht im entscheidenden Punkt. Ob nun Affengeräusche oder ein Ausspruch, den man rassistisch werten kann: Beides hat nichts auf irgendeinem Sportplatz in der Hansestadt zu suchen. Nein, eigentlich sogar auf keinem Sportplatz dieser Welt. Egal, ob in Barmbek, Harburg oder sonstwo. Das Zeichen sollte klar sein: Nein zu Rassismus jeglicher Art. Egal, von wem er auf welche Weise gegenüber wem auch immer geäußert wird. Die Chance, wie schon beim „BU-Meiendorf-Urteil“ ein Zeichen gegen eben diesen Rassismus zu setzen, hat das HFV-Sportgericht diesmal ungenutzt gelassen. 


Warum? Das wissen diejenigen, die das „HTB II-Tunesien-Urteil“ gesprochen haben. Nach außen hin jedenfalls ist es für den Laien nicht nachvollziehbar, dass das Urteil in einem entscheidenden Punkt anders lautet als nach dem Spiel zwischen BU und Meiendorf. Selbst, wenn man vielleicht – anders als bei BU – diesmal den einzelnen Übeltäter an sich nicht ausmachen konnte: Verbände schrecken doch auch sonst vor Kollektivstrafen nicht zurück. Siehe der DFB, der einst für das Vergehen Einzelner bei Borussia Dortmund die komplette Südtribüne für den BVB-Annang ein Spiel lang sperrte...

Jan Knötzsch