ODDSET-Pokal

„Die Geschichte, die die Jungs geschrieben haben, ist eine, die man nicht besser schreiben kann“

Freudenschrei: Dasendorfs Trainer Jean-Pierre Richter lässt seinen Emotionen nach dem Finalsieg freien Lauf. Foto: KBS-Picture.de

Da saß er nun also. Einige Minuten bevor die Pressekonferenz begann. Jean-Pierre Richter hatte zum ersten Mal ein paar Augenblicke Ruhe, um das zu realisieren, was gerade passiert war. Das hellblaue T-Shirt, das der Trainer der TuS Dassendorf über seinem Trainingsanzug trug, gab Auskunft über genau das: „Ein Dorf. Ein Team. Ein Ziel. Hamburger Pokalsieger TuS Dassendorf“ prangte da in weißen Lettern. Zugegeben, ein bisschen derangiert sah das Shirt von „Jonny“ schon aus – das Ergebnis der ersten Feierlichkeiten, die die TuS auf dem Kunstrasen an der Hoheluft zelebriert hatte, nachdem sich das Team in der dritten Minute der Nachspielzeit gegen den FC Eintracht Norderstedt (Hier gibt’s den Spielbericht) den abermaligen Gewinn des ODDSET-Pokals gesichert hatte. 

„Mein Fazit fällt natürlich mega positiv aus. Nach dem Pausenrückstand und dem Ausgleich war das ein Spiel, wo wir mit der Verlängerung rechnen konnten. Am Ende können Kleinigkeiten in so einem Spiel entscheidend sein – das ist in der Nachspielzeit dann so gewesen. Wir belohnen uns mit dem zweiten Ball. Die Geschichte, die die Jungs heute geschrieben haben, ist eine, die man nicht besser schreiben kann. Der Gegner hatte keine Zeit mehr zum Antworten und der Spieler, der reingekommen ist, macht das Tor“, freute sich Richter schließlich und traf den berühmten sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf. Denn der Coach hatte quasi alles richtig damit gemacht, Kristof Kurczynski erst einmal draußen auf der Bank schmoren zu lassen. „Natürlich war ich sauer, ich wollte von Anfang an spielen. Jeder, der mich kennt, hat mir das auch angesehen. So ein Erlebnis wie das Pokalfinale hat man nur ein Mal im Jahr“, erzählte der Siegtorschütze nach dem Schlusspfiff.

Aust: „Dass der Treffer zum 2:1 so spät fällt, ist natürlich geil für uns“

Hochgestiegen: Dassendorfs Kapitän Amando Aust (Zweiter v. re.) setzt sich im Kopfballduell durch. Foto: KBS-Picture.de

„Aber es hat sich ja gelohnt, dass ich sauer war“, lachte „Kuczy“ und schilderte erst einmal, wie er den entscheidenden Moment erlebt hatte: „Ich war froh, dass ich nach 80 Minuten eingewechselt wurde. Bevor ich aufs Feld kam, haben mir Joe Warmbier und Finn Thomas (Kurczynskis Teamkollegen, Anm. d. Red.) noch gesagt, dass ich heute das Tor mache und wir nicht in die Verlängerung müssen. Zum Glück haben wir den Lucky Punch geschafft. Ich habe einfach aufs Tor geschossen und den Ball gut getroffen. Ich musste ein bisschen nach rechts im Strafraum, aber ich wusste, wo das Tor steht. Ich musste aus der Drehung schießen – das kann man nicht immer so gut kontrollieren. Aber es hat ja geklappt.“ Im Endeffekt, so Kurczynski, „haben wir verdient gewonnen. Nachdem wir erst geschlafen haben und Norderstedt dominant war, sind wir ab der 20, 30 Minute gut reingekommen und haben den Gegner gut angelaufen. Dadurch haben sie Probleme bekommen.“ Auf wen die TuS nun in der Ersten Runde des DFB-Pokals treffe, sei ihm „eigentlich völlig egal“, stellte der „Man of the match“ trocken fest, ehe die Festivitäten auf Dassendorfer Seite – natürlich nicht ganz so trocken – weitergingen.

„Es ist immer wieder einzigartig, was unsere Fans auf die Beine stellen“, freute sich Amando Aust, dass nicht nur auf, sondern auch neben dem Kunstrasen Partystimmung herrschte. „In der ersten Hälfte hatten wir Probleme, bekommen ein ärgerliches Gegentor. Am Ende ist unser Sieg verdient“, befand der „Dasse“-Kapitän und erklärte, dass er „nicht das Gefühl hatte, dass Norderstedt uns nochmal wehtut.“ Auch ein anderes Gefühl täuschte Aust nicht: „Wenn Sven Möller zur Ecke schreitet oder Pascal Nägele zum Einwurf, dann weißt du, das was passieren kann – und es ist ja dann auch was passiert. Unsere Standards sind eklig, der Gegner tut mir schon ein bisschen leid, weil sie leidenschaftlich gekämpft haben. Dass der Treffer zum 2:1 so spät fällt, ist natürlich geil für uns. Das nehmen wir gerne so mit“, sagte der 29-Jährige und schob hinterher: „Wir sind überglücklich, dass wir den Titel verteidigt haben. Beide Pokalsiege sind überragend. Heute das Ding eine Minute vor Schluss gedreht zu haben – das ist einer der drei emotionalsten Momente meiner Karriere. Jetzt lassen wir uns vom Los für den DFB-Pokal überraschen. Auf jeden Fall haben wir Bock auf ein geiles Erlebnis.“  

Lüneburg: „Es ist bitter, auf der Verliererseite zu stehen, wenn man so viel investiert“

Norderstedts Keeper Johannes Höcker musste zwei Mal hinter sich greifen und war am Ende enttäuscht. Foto: KBS-Picture.de

Und die Norderstedter? „Das ist sehr bitter, die Enttäuschung ist extrem. Letztlich sind wir bei zwei Situationen nicht da und bekommen die zweiten Bälle nicht. Das hat Dassendorf eiskalt ausgenutzt. Aus unserer Sicht ist das zum Kotzen, ich bin einfach nur traurig“, sagte Johannes Höcker, der Mann zwischen den Pfosten des Nord-Regionalligisten, der vor Kurczynskis Siegtreffer beim Schuss von Marcel Lenz den Ball erst noch mit einem sensationellen Reflex abgewehrt hatte, beim Nachschuss dann aber nichts mehr auszurichten vermochte. „Ich glaube das, was uns bei den beiden Pokalsiegen 2016 und 2017 gelungen ist, haben wir heute zurück bekommen. 2016 war der Sieg verdient, im Jahr danach sehr glücklich und strittig“, konstatierte derweil Jan Lüneburg. „Das ist brutal hart. Es ist bitter, jetzt auf der Verliererseite zu stehen, wenn man das ganze Jahr über viel investiert hat“, konstatierte der Stürmer, der erst in der Nachspielzeit eingewechselt wurde. „In der ersten Hälfte waren wir besser, in der zweiten Haben wir zu wenig investiert. Der Sieg für Dassendorf ist nicht unverdient“, befand „Lüne“ und ergänzte: „Wir machen das Abseitstor durch Sinisa Veselinovic. Das Spiel hätte auch in die andere Richtung ausgehen. Aber es ist nun, wie es ist. Dassendorf hat die Räume in der zweiten Hälfte besser zugemacht. Ich wünsche ihnen für den DFB-Pokal das bestmögliche Los.“

Eine Vorlage, die im Pressekonferenz-Raum später auch HFV-Präsident Dirk Fischer aufnahm: „Ich wünsche Dassendorf für die Erste Runde nun Bayern München“, grinste Fischer und hatte auch gleich eine Idee für den Spielort parat: „Im Billtal-Stadion in Bergstedt.“ Die Lacher waren dem HFV-Boss in diesem Moment sicher. Außer vielleicht von Jens Martens. „Mir fällt das Lachen nach acht Wochen mit der Mannschaft, die von großem Engagement und Wir-Gefühl geprägt waren, im Moment schwer. Unterm Strich müssen wir das akzeptieren. Unter dem untersten Strich bleibt, dass wir die Regionalliga erhalten haben. Das ist für die Mannschaft, mit dem, was sie in den letzten Wochen geleistet hat, ein großer Erfolg. Darauf kann Eintracht Norderstedt stolz sein“, bilanzierte der Übungsleiter der Eintracht und stellte mit Blick auf das Match fest: „Das war am Ende das Spiel auf Augenhöhe, das wir vorher schon vermutet hatten. Dassendorf ist der glückliche Sieger. Wir hatten uns schon auf die Verlängerung eingestellt und Gedanken gemacht, was wir verändern müssen, um dem Spiel in der Verlängerung die Wende zu geben. Das war uns nicht mehr gegönnt, weil der Gegentreffer fiel. Wir haben da überhaupt nicht auf den zweiten Ball geachtet und fangen uns dadurch so ein Traumtor. So ist dieser Sport.“

Jan Knötzsch