Oberliga Hamburg
14. Spieltag


FC Türkiye

1

:

1


Concordia Hamburg

Anpfiff

Sa - 28.10. 14:00 Uhr

Spielstätte

Georg-Wilhelm-Straße

Zuschauer

63

Schiedsrichter

Adrian Höhns (Dassendorf)

„Dela“ mit Frust-Urschrei – Türkiye „verschenkt zwei Punkte!“

Türkiyes Torschütze Sascha de la Cuesta im Duell mit Cordi-Kapitän Timo Stegmann (li.). Nach dem Spiel erhielt "Dela" von Interimscoach Klaus Klock ein Sonderlob.

120 Sekunden waren noch zu gehen, als es aus Sascha de la Cuesta herausplatzte. An der Außenlinie gab der „Stratege“ des FC Türkiye einen lautstarken Urschrei von sich. Ein Ausbruch, der von purem Frust und totaler Ungläubigkeit geprägt war. Denn gerade hatte der Gegner den Ausgleichstreffer an der Landesgrenze erzielt. Ein Tor, das im wahrsten Sinne aus dem absoluten Nichts fiel! Bis zu jener 86. Spielminute nahmen die Gäste – bis auf eine Ausnahme – fast überhaupt nicht am Spiel teil und wirkten in ihrer Art und Weise gänzlich uninspiriert und phasenweise sogar leidenschaftslos. Doch um ein Haar wäre Concordia nicht nur mit einem, sondern mit drei Punkten im Gepäck nach Hause gefahren, wenn Jan Kämpfer seinem starken Fuß vertraut hätte. Allerdings wäre das dem Guten wohl auch ein großes Stückchen zu viel gewesen…

„Die Mannschaft hat ganz klar gezeigt, dass sie bereit ist, alles rauszuhauen“, bilanzierte Klaus Klock, der nach dem Rücktritt des Trainerduos Kreutzer/Acar vorübergehend die Geschicke beim FC Türkiye übernommen hat – zumindest rein formell. Sein Dank galt nach dem Spiel nämlich zwei anderen Leuten: „Man muss der Mannschaft, aber allen voran Sascha de la Cuesta und Bilyal Mustafov, ein riesengroßes Lob aussprechen! Ich habe es aus gesundheitlichen Gründen von außen verfolgt. Die beiden haben das Programm ausgearbeitet, sich mit der Mannschaft – ohne Trainer und Vorstand – noch einmal zusammengesetzt, intensiv gearbeitet und das Training unter der Woche geleitet. Und die Mannschaft hat zu 100 Prozent mitgezogen“, befand Klock, der selbst mit einer ganz simplen Marschroute ins Spiel ging – und auch im Anschluss an die Partie nicht ein negatives Wort über seine Vorgänger verlor: „Man wird von mir überhaupt nix hören! Es ist einfach eine andere Philosophie. Dennis steht für die Fraktion Attacke. Ich sage, wenn man verunsichert ist, muss erstmal die Null stehen und vorne hilft der liebe Gott.“

Abou Khalil verfehlt leeres Tor

Klaus Klock (li.) im Austausch mit seinen "Leadern" Sascha de la Cuesta und Bilyal Mustafov.

Beistand von oben hatten die Wilhelmsburger aber lange Zeit gar nicht nötig. Denn trotz aller Verunsicherung und trotz des fehlenden Selbstbewusstseins spielte an der Landesgrenze eigentlich nur eine Mannschaft Fußball – während die andere eher mit sich selbst beschäftigt war. Eine Ausnahme gab es aber – und zwar in Minute 32: Der allererste Vorstoß der Gäste war auf Anhieb brandgefährlich und hätte eigentlich die Führung zur Folge haben müssen. Doch Abdel Abou Khalil schob den Ball – nach einem langen Pass von Ronny Buchholz und uneigennützigem quer legen von Kevin Zschimmer – rechts am leeren Tor vorbei. Es sollte die bis zur 86. Minute einzige Offensivaktion der Jenfelder bleiben. „Ich glaube, dass wir mit den Platzverhältnissen nicht klarkamen. Wir sind eine Kunstrasen-Mannschaft und es war schwierig, auf dem Platz zu spielen“, konstatierte Cordi-Coach Florian Gossow. Wenngleich Türkiye immer wieder zeigte, wie es gehen kann. Der früh für den verletzten Michael Löw in die Begegnung gekommene Ozan Gencel sorgte für mächtig Alarm in der Concordia-Defensive. Auch Serhat Yapici war ständig in Bewegung. Und Sascha de la Cuesta? Der fungierte als richtiger „Leader“. Einen ruhenden Ball von „DLC“ verlängerte Yapici, sodass Gencel links im Strafraum auf einmal freie Schussbahn hatte – doch Tim Burgemeister, der in den Anfangsminuten bei den Standards von „Dela“ noch etwas unsicher wirkte, bewahrte sein Team vor einem Rückstand (19.).

Nur Türkiye spielt - "Dela" erlöst Wilhelmsburger vom Punkt

Kurz vor der Pause hatten die Hausherren gleich zweimal den Elfmeterschrei auf den Lippen. Erst, als Gencel von Ronny Buchholz leicht zu Boden gedrückt wurde (44.). Dann nach einem vermeintlichen Handspiel von Andreas Goldgraebe nach einem Seitfallzieher von Yapici (45. +2). Beide Male blieb die Pfeife von Adrian Höhns (TuS Dassendorf) stumm. Zumindest die erste Situation war durchaus diskussionswürdig. Aber der FCT ließ sich davon nicht beirren und knüpfte im zweiten Abschnitt an die Leistung an. Serhat Yapici zirkelte einen 22-Meter-Freistoß zunächst an den Querbalken (49.), ehe der heute in deutlich offensiverer Position agierende Yapici von de la Cuesta traumhaft bedient wurde und Tim Burgemeister umkurvte. Allerdings wurde er etwas zu weit abgedrängt, sodass der Cordi-Fänger, der nun immer stärker wurde, seine Fingerspitzen noch an den Ball bekam (54.). Von Concordia war nichts, aber auch wirklich gar nichts zu sehen. Zahlreiche einfache Ballverluste und Abspielfehler bestimmten das Spiel der „Bekkampler“ – und dann kamen auch noch unnötige Aussetzer in der Defensive dazu. So auch nach 63 Zeigerumdrehungen, als Ozan Gencel auf Höhe der Mittellinie gleich drei Gegenspieler düpierte, einen überlupfte und dann auf rechts Boris Shtarbev in Szene setzte. Dieser zündete den Turbo, entwischte Ronny Buchholz und wurde von diesem zu Boden gerissen. Elfmeter! Sascha de la Cuesta übernahm die Verantwortung und verwandelte ganz cool zur hochverdienten Türkiye-Führung – 1:0 (64.)!

"Unsichtbarer" Bambur egalisiert aus dem totalen Nichts

Der eingewechselte Medeni Kaya (re.) hatte den Siegtreffer auf dem Fuß.

Wer nun auf eine Reaktion oder auf ein Aufbäumen der Gäste wartete, wurde lange Zeit enttäuscht. Stattdessen spielten weiter nur die Wilhelmsburger, die dem zweiten Treffer deutlich näher waren als Concordia dem Ausgleich. Doch dann: Nachdem gefühlt jeder zweite Pass beim Gegner landete, brachte die Gossow-Elf eine Stafette tatsächlich zum Abschluss – und das aus dem absoluten Nichts! Der eingewechselte Jeremy Baur spielte den Ball aus dem rechten Halbfeld diagonal auf den Kopf von Maurizio d’Urso, der ohne Umschweife per Kopf auf den durchstartenden Benjamin Bambur weiterleitete. Und der bis dato völlig unsichtbare Torjäger (Gossow: „Benni ist ein sehr mannschaftsdienlicher Spieler und reißt viele Lücken. Er spielt unauffällig, ist aber sehr wichtig“) überwand den herausstürzenden Tobias Braun mit einem leichten Lop zum 1:1 (86.). Wahnsinn! „Du darfst so kurz vor Schluss bei einer Führung nicht Drei gegen Fünf spielen – das geht nicht! Das ist Oberliga-Fußball. Deshalb sage ich den Jungs auch, dass wir nicht mehr in der Landesliga spielen und immer nur Attacke spielen können. Da musst du darauf bedacht sein, hinten dicht zu halten“, ärgerte sich Klock über den unnötigen Gegentreffer. Es begann eine turbulente Schlussphase, in der Türkiye erst durch Medeni Kaya, nach Pass von Shtarbev (90. +1), dann durch de la Cuesta, von Abdulah Beckmann angespielt (90. +2), die Gelegenheiten zum Luckypunch hatte. Beide Male verhinderte Burgemeister den Einschlag. Es folgte die allerletzte Szene des Spiels, in der d’Urso links im Sechzehner den nahezu freistehenden Jan Kämpfer sah. Dessen starker Fuß ist eigentlich der linke, aber er nahm den rechten – und verzog aus zehn Metern kläglich (90. +3.).

"Erschrocken war ich nicht, aber ich habe spielerisch mehr erwartet"

Klaus Klock versuchte mit positiven Worten die Mannschaft zu pushen.

„Wir haben kein gutes Spiel gemacht“, resümierte auch Gossow, „aber zum Schluss können wir noch das 2:1 machen. Trotzdem war es über die gesamten 90 Minuten nicht überzeugend.“ Das war es tatsächlich nicht. Vor allem, wenn man über die geäußerten Ambitionen des Vereins weiß. „Wir spielen eigentlich kurz und flach, aber das kannst du auf diesen Platz nicht. Also mussten wir uns umstellen und was anderes machen. Aber das ist nicht so einfach, wenn man dreimal die Woche auf Kunstrasen eine ganz andere Spielweise trainiert“, so Gossow, der angesichts der Gesamtsituation zugab: „Wir sind nicht zufrieden. Ganz klar! Das kann man auch nicht schönreden. Aber wir arbeiten weiter ganz konzentriert und wissen, wo wir den Hebel ansetzen müssen. Es wäre auch mal eine Initialzündung gewesen, dass man mal so ein dreckiges Spiel gewinnt und in so einem Kackspiel den Turnaround schafft. Aber der kommt leider nicht. Es ist richtig, dass viele Dinge nicht klappen, aber dann hast du auch nicht das nötige Glück.“ Nimmt man nur die letzte Situation, fehlte Cordi zwar das Glück. Nimmt man aber das gesamte Spiel, war der eine Zähler mehr als nur glücklich.

Unterdessen bilanzierte Klaus Klock, der auch am Dienstag im Nachholspiel beim VfL Pinneberg, sollte die Partie denn stattfinden, auf der Bank sitzen wird: „Wir haben die ganze Woche über auf Grand trainiert mit einer hervorragenden Einstellung. Die Mannschaft ist körperlich in einer sehr guten Verfassung. Aber man sieht, wie verunsichert sie ist. Wir haben die Angriffe teilweise schlecht zu Ende gespielt, obwohl wir eine klare Überzahl an Torchancen hatten. Trotzdem und vor allem angesichts dessen war es schon sehr, sehr gut anzusehen. Einzig und allein der Ballbesitz-Fußball ist nicht das, was Türkiye kann.“ Denn den Gegner hatte man klar im Griff. „Erschrocken war ich nicht, aber ich habe spielerisch von Concordia mehr erwartet. Aber vielleicht lag es auch daran, dass sie sich gedacht haben: Bei Türkiye läuft eh nix und die haben keinen Trainer. Vielleicht wollten sie nur Fußball spielen und meine Mannschaft hat gezeigt, wenn du hier was reißen willst, musst du die Zweikämpfe gewonnen. Deshalb haben wir einen Punkt geholt und zwei verschenkt!“


Türkiyes Führungstreffer durch Sascha de la Cuesta im Video