Oberliga

„Bis auf die klassisch vergebenen Chancen war ich eigentlich ganz zufrieden“

Premieren-Auftritt: Nach 58 Minuten kam Martin Harnik beim Dassendorfer Auswärtsspiel am Kiesbarg in die Partie. Foto: Bode

Das Spiel gegen den FC Süderelbe war längst Geschichte und auch die Pressekonferenz hatte bereits ihr Ende gefunden. Jean-Pierre Richter stand noch in dem kleinen Raum des Vereinsheims, in dem er zuvor vor den anwesenden Journalisten seine Analyse der 90 Minuten zum Besten gegeben hatte, und sprach mit Süderelbes Coach Stefan Arlt. Dann jedoch musste Dassendorfs Trainer den Dialog kurzzeitig unterbrechen. Richters Telefon klingelte. Am anderen Ende der Leitung: Martin Harnik. Es folgten ein paar kurze Sätze des TuS-Coaches, eine Art Manöverkritik und Austausch mit dem Ex-Profi, der zuvor am Kiesbarg seine Premiere im Dassendorf-Trikot gefeiert hatte. Die hätte Harnik beinahe sogar mit einem Treffer gekrönt, doch zwei Mal war dem 33-Jährigen das Glück nicht hold.

Nach 75 Minuten wäre es beinahe zum „Schwager-Tor“ gekommen: Mattia Maggio brachte das Leder in die Box des FCS, sein Schwager Harnik legte das Spielgerät an Süderelbe-Schlussmann Mauro Alcaraz vorbei und schaute der Kugel hinterher. Diese trudelte Richtung Tor, landete aber nicht im Netz, sondern prallte an den Innenpfosten. Und auch, als Eyke Kleine vier Minuten vorm Ende per Kopf vor das FCS-Gehäuse ablegte und Harnik fand, fand der Ball nicht den Weg über die Linie. „Das hatte mit Nervosität nichts zu tun. Das ist die fehlende Praxis“, sagte der Stürmer, der zum Ende der Transferfrist am 5. Oktober vom Bundesligisten Werder Bremen an den Wendelweg gewechselt war. Dass er sich nach beiden vergebenen Chancen Sprüche vom FCS-Anhang gefallen lassen musste, störte Harnik derweil nicht. „Ich war auch in der Bundesliga schon ein Spieler, bei dem die Leute genau hingeschaut haben und sich immer auch über misslungene Dinge gefreut haben. Deswegen war das heute zu erwarten“, so der 33-Jährige, der lächelnd hinzufügte: „Fast hätte ich mich blamiert...“

„Es ging in erster Linie darum, wieder in den Wettkampfmodus zu finden“

In der 75. Minute traf der 33-Jährig den Pfosten des Süderelbe-Gehäuses. Foto: Bode

Nun, dem war letztlich nicht unbedingt so: Man sah Harnik zwar an, dass ihm ein wenig die Spielpraxis fehlte, doch in der einen oder anderen Szene ließ der Österreicher bei seinen knapp mehr als 20 Ballkontakten aufblitzen, was er kann – auch, wenn er nach gerade einmal zwei Wochen mit den neuen Teamkollegen natürlich noch nicht die richtige Bindung zu Spielart und Teamkollegen hat, wie er sie mit fortschreitender Zeit im TuS-Trikot zweifellos noch bekommen wird. „Nervös war ich nicht. Ich hatte eine gewisse Vorfreude, weil ich Lust habe, Fußball zu spielen. Es ging für mich persönlich in erster Linie darum, wieder reinzukommen und in den Wettampfmodus zu finden. Bis auf die klassisch vergebenen Chancen war ich eigentlich ganz zufrieden“, sagte Dassendorfs Mann mit der Nummer 20, der nach 58 Minuten für Len Aike Strömer in die Partie gekommen war und mit großem Applaus von den Rängen in der Oberliga begrüßt wurde. Kleiner Lacher am Rande: Der ausgewechselte Strömer kommentierte das Klatschen mit einem augenzwinkernden „Ist das jetzt der Applaus für mich und meine Leistung?“

„Ich möchte einfach ohne riesigen Druck Fußball spielen“

Bei seinem Auftritt über 32 Minuten Spielzeit hatte Harnik (re.) etwas mehr als 20 Ballkontakte – und nach der Chance aus der 75. Minute kurz vorm Ende eine weitere. Foto: Bode

Er habe „ehrlichen Amateurfußball“ erlebt, umschrieb unterdessen Harnik seinen Premierenauftritt. „Die Bedingungen waren schon etwas ungewohnt“, fügte der ehemalige Bundesligaspieler hinzu, „es war schon besonders anstrengend auf Kunstrasen zu spielen. Ich muss zugeben: Das habe ich jahrelang nicht gemacht. Mir geht’s nach dem Spiel aber jetzt eigentlich ganz gut, ich versuche natürlich noch, mich zu steigfern – aber mit 33 Jahren darf ich auch nichts übertreiben.“ Er sei „froh, noch ein bisschen kicken zu können. Ich möchte einfach ohne riesigen Druck Fußball spielen – und da habe ich in Dassendorf hervorragende Bedingungen direkt in der Umgebung gefunden. Ich hätte vieles Anderes machen können, aber das kam für mich nicht in Frage. Für mich war klar: entweder HSV oder Dassendorf“, so Harnik weiter. „Die Bedingungen sind aktuell natürlich sehr speziell. Wir mussten uns im Zelt umziehen, es dürfen nur zwei Leute gleicheztig duschen. Das ist schon kurios“, befand der TuS-Neuzugang, der mkt Blick auf die derzeitige Corona-Situation hinzufügte: „Das Wichtigste ist, dass wir weitermachen dürfen, Natürlich wäre es schön, wenn weiter Zuschauer dabei wären. Aber wichtiger ist, dass der Ball rollt.“

Richter: „Das eine oder ander wichtige Tor hat er sich halt noch aufbewahrt“

Aufgrund seines Trainingsrückstands hatte der Österreicher zunächst auf der Bank gesessen. Foto: Bode

„Das eine oder andere wichtige Tor hat er sich halt noch aufbewahrt“, erklärte Jean-Pierre Richter nach dem Match in Bezug auf Harnik grinsend. „Wir sind glücklich, dass Martin da ist. Er hat eine schwieirge Sommer-Phase gehabt, will einfach nur wieder Fußball spielen. Das hat er in den zurückliegenden zwei Wochen im Training gezeigt. Wir wollten vorsichtig sein, weil er viel Rückstand hatte. Man hat aber seine Qualität im Spiel schon gemerkt, auch wenn seine Entscheidungen nicht immer glücklich waren. Man sollte diesen Auftritt aber auch nicht zu hoch bewerten“, befand der Dassendorf-Übungsleiter. Vielmehr sei Harniks Rolle übergeordnet zu betrachten: „Martin ist ein feiner, bodenständiger Kerl. Ich hoffe, dass wir möglichst lange Spaß an und mit ihm haben werden. Für die Mannschaft ist er enorm wichtig, er redet im Training viel mit den jungen Spielern. Für den ganzen Amateurfußball ist er eine Bereicherung. Man merkt, dass die Leute da Bock drauf haben. Für mich als Freund und Trainer ist er eine super Hilfe“, sagte „JPR“ abschließend – und als hätte es noch eines Beweises bedurft, klingelte Augenblicke später Richters Telefon und es folgte der eingangs erwähnte kurze Austausch mit Harnik...