Landesliga 03

Auf der Autobahn und mit „Gänsehaut am ganzen Körper“ zur Meisterschaft!

Nach 17-jähriger Abstinenz kehrt der Eimsbütteler TV ins Hamburger Fußball-Oberhaus zurück. Glückwunsch! Foto: noveski.com

Das, was sich über Wochen und Monate angedeutet hat, war am vergangenen Samstagabend gegen 19:15 Uhr Gewissheit: Der Eimsbütteler TV ist nach 17-jähriger Abstinenz zurück in Hamburgs Fußball-Beletage! Das absolute Ausnahmeteam der Landesliga-Staffel 3 konnte die Meisterschaft aber nicht auf dem Platz, sondern musste den Titelgewinn auf dem Sofa feiern. Grund war die 1:3-Niederlage von Verfolger Eintracht Lokstedt beim Ahrensburger TSV. Wir haben uns mit ETV-Coach Khalid Atamimi zum Gespräch getroffen, mit ihm die Saison und seine Arbeit Revue passieren lassen, aber auch schon einen Blick in die (Oberliga-)Zukunft geworfen…

FussiFreunde: Khalid, zunächst einmal die herzlichsten Glückwünsche aus der Redaktion zum Oberliga-Aufstieg! Euer Spiel bei Sternschanze ist aufgrund von Corona-Fällen beim Gegner ja ausgefallen. Heißt: Ihr seid quasi auf dem Sofa Meister geworden. Wie und wo hast du letztendlich davon erfahren?

Der Erfolgsmacher: ETV-Coach Khalid Atamimi. Foto: noveski.com

Khalid Atamimi: „Erst einmal vielen Dank für die Glückwünsche! Erfahren habe ich davon, dass wir final aufgestiegen sind, als ich von Berlin nach Rostock gefahren bin. Ich habe mir an dem Tag das Spiel unserer U19 bei Hertha BSC angeguckt und bin dann nach Rostock gefahren, um ‚Fabi‘ (ETV-Spieler und FC St. Pauli-Co-Trainer Fabian Hürzeler; Anm. d. Red.) zu unterstützen. Während der Fahrt habe ich dann mitbekommen, dass Ahrensburg gegen Lokstedt mit 3:1 führt – und habe mich dann bei euch vergewissert, ob das Ergebnis auch stimmt.“

Wie groß war denn die Freude? Es ist ja schon ein ganz anderes Gefühl, als würde man solch einen Titel auf dem Platz nach einem eigenen Sieg feiern...

Atamimi: „Zunächst einmal bin ich natürlich froh und dankbar, dass wir das überhaupt erreicht haben und Meister geworden sind. Mein Dank gilt allen Spielern, allen Beteiligten und Mitarbeitern, die ihren Teil dazu beigetragen haben und mitgeholfen haben, dass wir dieses große Ziel gemeinsam erreichen konnten! Da wären für mich Vorstand Michael Richter und das gesamte Team ums Team, wie Natascha, Brigitte, Vanessa, Nikolai, Oguz und Tjorben zu nennen. Das ist für mich der allerwichtigste Punkt. Und natürlich war die Freude da. Ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper – und habe es auch immer noch, wenn ich daran denke oder darüber spreche. Aber ich glaube schon, wenn wir auf dem Platz gewesen wären, dann wäre das Gefühl schöner und die Freude intensiver gewesen. Nichtsdestotrotz ist es natürlich ein einmaliges Gefühl gewesen. Sowas erlebt man ja nicht jeden Tag.“

Wenn wir mal einige Monate zurückblicken: Du bist ja eigentlich als Spieler zurückgekehrt und hast das Amt im Sommer eigentlich erstmal nur interimsweise übernommen. Inwieweit hättest du es damals für möglich gehalten oder annähernd gedacht, dass das so erfolgreich wird?

Fabian Hürzeler ist Taktgeber im ETV-Spiel und zugleich Co-Trainer bei den Profis des FC St. Pauli. Foto: noveski.com

Atamimi: „Daran habe ich zu Beginn überhaupt nicht gedacht. Zu dem Zeitpunkt war mir einfach nur wichtig, dass wir unser gemeinsames erstes Spiel gegen Eintracht Lokstedt (4:0) gewinnen. Das war ein schöner und erfolgreicher Start. An mehr habe ich damals wirklich noch nicht gedacht. Das fing erst so ein bisschen nach dem Rahlstedt-Spiel (2:1) an, als man gemerkt hat, dass es jetzt ernst werden könnte mit der Oberliga. Vorher haben wir uns darüber keine Gedanken gemacht, weil wir einfach jedes Spiel für sich angegangen sind und gewinnen wollten.“

Wenn man 15 von 16 Spielen gewonnen hat, sagt das ja schon alles über die Qualität aus. Aber was hat euch in deinen Augen konkret so stark gemacht?

Atamimi: „Was uns einfach so unfassbar stark gemacht hat, war dieser Wille, immer weiterzumachen und immer gierig zu sein – egal wie es steht. Und: Immer gewinnen und auf höchstem Niveau Fußball spielen zu wollen. Denn die Mannschaft ist extrem jung und kann noch viel dazulernen – insbesondere im Herrenbereich. Da gibt es schon ein, zwei Punkte, wo wir uns definitiv verbessern müssen – zum Beispiel was die Cleverness angeht. Aber im Großen und Ganzen sind die Jungs unheimlich wissbegierig und lernwillig. Wenn man etwas sagt, setzen sie das sofort um. Und das war der allergrößte Erfolg, diese Mischung aus Spaß am Fußball, Taktik und individueller Klasse. All das hat uns dort hingebracht.“

Im 15. Saisonspiel habt ihr ausgerechnet im Derby gegen Vicky II die erste und bis dato einzige Niederlage kassiert. Ansonsten habt ihr sämtliche Spiele gewonnen. Inwiefern ist diese Pleite ein kleiner Makel auf der sonst so unbefleckten Weste?

Ruhig und bedacht: Khalid Atamimi (li.) gibt Jon Pauli taktische Anweisungen. Foto: noveski.com

Atamimi: „Ich weiß, dass es die Mannschaft sehr nervt (lacht). Die Jungs hatten das große Ziel, alle Spiele zu gewinnen. Wenn ich aber an meine aktive Zeit zurückdenke – und an Spiele gegen Mannschaften, die tabellarisch oder generell besser waren, wir aber gewonnen haben, dann war die Freude immer besonders groß. Das sind besondere Momente als Spieler. Und ich glaube, Vicky wird sich häufiger an diesen Moment erinnern. Unser Ziel war es, aufzusteigen. Das haben wir jetzt geschafft. Wenn wir alle Spiele gewonnen hätten, wäre das das i-Tüpfelchen gewesen. Aber in einem oder in zwei Jahren fragt da keiner mehr danach, ob wir damals alle Spiele gewonnen haben oder nicht.“

Was bedeutet es dir als jungem Trainer bei deiner allerersten Herren-Station, diesen Traditionsverein in die Oberliga zurückgeführt zu haben?

Atamimi: „Für mich ist das eher sekundär. Denn am Ende geht es immer um den Verein und um die Mannschaft. Die Jungs spielen Fußball. Wir versuchen unter der Woche gemeinsam als Trainerteam, die Mannschaft nach vorne zu bringen. Und ich hoffe, dass das auch weiterhin der Fall sein wird. Wir haben noch vier Spiele – und die sind extrem wichtig für uns.“

Und dann geht es in die Oberliga – mit dir als Trainer? Denn man darf ja nicht vergessen, dass du das Amt zunächst nur interimsweise übernommen hast…

Er kann aber auch mal lauter werden: Khalid Atamimi wird den ETV auch in der Oberliga als Chefcoach anführen. Foto: noveski.com

Atamimi: „Eigentlich war schon im Winter klar, dass ich weitermachen werde, weil’s mir einfach sehr viel Spaß gemacht hat, die Jungs Fußball spielen zu sehen und wie sie den Weg komplett mitgehen. Es war für mich etwas komplett anderes, im Herrenbereich als Trainer tätig zu sein, als zum Beispiel in der Jugend, wo ich das schon zuvor jahrelang gemacht habe. Die Mannschaft macht einfach Spaß. Ich freue mich auf jedes Training und Spiel. Es ist immer ein gewisses Adrenalin dabei – egal, ob wir trainieren oder spielen. Das ist für mich der Hauptgrund, warum ich darauf Lust habe und den Weg weitergehen werde.“

Nun seid ihr ja nicht ohne Grund durch die Landesliga marschiert. Ihr habt seit Jahren einen qualitativ unheimlich starken Unterbau – und viele sehen euch sicher nicht als „klassischen“ Aufsteiger, für den es nur darum geht, die Klasse zu halten. Mit welcher Zielsetzung geht ihr in die Oberliga?

Atamimi: „Das hängt davon ab, wie sich die Jungs in der Oberliga adaptieren können. Denn die Oberliga an sich ist nochmal etwas komplett anderes. Nichts gegen die Landesliga oder das Niveau dort – aber in der kommenden Saison spielen wir gegen gestandene Oberliga-Spieler. Da ist die Frage, wie die Jungs damit umgehen werden und können? Es wird viel darauf ankommen, wie wir lange Bälle und Standards verteidigen. Von der Bereitschaft und der technischen Qualität halten wir zu 100 Prozent mit! Ich bin selbst gespannt. Nach fünf Spielen wird man in etwa sehen und sagen können, wo die Reise hingeht. Aber aktuell ist das schwierig zu sagen.“