Oberliga

„Wir fangen immer wieder bei Null an – keine Saison baut auf der anderen auf“

14. März 2020, 14:20 Uhr

Marcel Rordigues wird den FC Süderelbe am Saisonende verlassen. Foto: KBS-Picture.de

Die Niederlage war deutlich – und sie tat weh: Mit 1:7 verlor der FC Süderelbe am vergangenen Spieltag sein Auswärtsspiel beim Hamburger SV III. Und das, wo die Mannschaft von Trainer Timucin Gürsan, der bei der Partie krankheitsbedingt fehlte, zur Pause doch „nur“ mit 0:1 zurücklag. Wir haben mit Marcel Rodrigues über die „Klatsche“ gegen die „Rothöschen“, den bisherigen Saisonverlauf sowie die Entwicklung und die Perspektiven des FCS gesprochen. Und: Im Interview verrät der 30-Jährige auch, warum für ihn im Sommer am Kiesbarg Schluss ist.

„Cello“, die vielleicht schmerzhafteste Frage direkt zu Beginn: Wie habt ihr die Pleite gegen den HSV III verdaut?

Rodrigues: Bei einem 1:7 ist es schwierig, das direkt abzuhaken und zu sagen: Es war alles scheiße und es muss alles besser werden. So eine Niederlage darf einfach nicht passieren. Und schon gar nicht gegen eine Mannschaft, die aus der gleichen Tabelenregion wie wir kommt und die wir im Hinspiel noch geschlagen haben. Der HSV III ist ein richtig guter Aufsteiger – das muss man schon sagen. Das Tor zum 1:0 machen sie richtig gut. Aber: Wir hatten auch unsere Chancen zum 1:1. Was in der zweiten Halbzeit passiert ist, kann nicht sein. Wir waren defensiv in der Umschaltbewegung einfach richtig schlecht. Drei oder vier Tore des HSV III sind nach unseren eigenen Kontern gefallen. Gefühlt war jeder davon am Ende ein Gegentreffer. Das darf nicht passieren.

Warum ist es trotzdem passiert?

Rodrigues (re.) will keinen weiteren Umbruch am Kiesbarg mitmachen. Foto: Bode

Rodrigues: Für diese Antwort muss man das Rad noch weiter zurückdrehen. Wir haben am Anfang der Saison wieder einmal einen großen Umbruch gehabt. Es ist dieses Jahr eine ganze Menge an jungen Spielern hinzu gekommen. Noch mehr als in den Jahren davor. Das ist der Weg, den Süderelbe eben geht. Unter den Jungs waren viele, die wenig oder gar keine Erfahrung im Herrenbereich gesammelt hatten. Man sieht, dass diese Spieler Potenzial haben, aber es ist auch klar, dass es ein bisschen dauert, bis sie im Herrenbereich auch richtig angekommen sind. Und das merkst du dann halt. Es passieren Fehler, weil es uns an Cleverness, Ruhe und Abgewichstheit fehlt, eben diese Fehler zu unterbinden. Wenn der HSV III noch ein bisschen mehr Bock gehabt hätte, dann hätten die uns auch noch drei oder vier Treffer mehr einschenken können. Abgesehen davon haben wir in dieser Saison sehr oft rotieren müssen, was die Aufstellung angeht. Es gibt viele Spiele, in denen wir aus Uncleverness Punkte und Tore liegengelassen haben. Jungen Spielern dürfen ein, zwei Jahre Fehler passieren. Das ist ein Reifeprozess. Wir haben eben nur eine Handvoll Spieler, die an die 100 Spiele im Herrenbereich haben. Das ist ein Weg, für den sich der FCS entschieden hat und den er aufgrund der Voraussetzungen auch gehen muss. Wie gesagt: Fehler dürfen passieren – aber irgendwann musst du auch anfangen, daraus zu lernen.

Du sprichst die fehlende Erfahrung ja schon an: Wie weh tut der Abgang von Yalcin Ceylani?

Rodrigues: Schon extrem. Nicht nur, was seine Position angeht. Er war auch menschlich einer, der die Mannschaft zusammengehalten hat. Egal ob auf dem Platz oder in der Kabine. Er ist ein Stimmungsmacher. Und für viele junge Spieler sicher auch ein Vorbild. Allein, wenn man auch an seine Erfolge mit den HSV-Panthers im Futsal denkt. Zu so einem schaut man als junger Spieler auf. „Yalle“ ist jemand, der Ordnung reimbringt. Aber ich kann seine Beweggründe, nicht mehr weiter für den FCS spielen, absolut nachvollziehen.

Aktuell seid ihr Elfter in der Tabelle. Wie beurteilst du diee Position und den bisherigen Saisonverlauf?

Rodrigues: Da bin ich zwiegespalten. Es gab Spiele, wo wir eigenlich gar nicht hätten punkten dürfen. Und es gab Spiele, wo man sich am Ende fragt, warum man nicht gepunktet hat. Ich würde sagen, dass die Tabellenregion zwischen dem neunten und elften Platz die ist, für die ich uns auch auf dem Zettel habe. Für die Plätze fünf bis sieben reicht es einfach nicht. In der vergangenen Saiosn hatten wir einige Spiele, wo wir die großen Teams geärgert haben. Aber da hatten wir auch noch mehr individuelle Klasse. Inzwischen ist es bei uns so, dass wir mehr über die Geschlossenheit kommen. Ein Platz im gesunden Mittelfeld ist für den FC Süderelbe realistisch.

Führt der Weg in der kommenden Saison auch wieder dorthin?

Wohin des den 30-Jährigen im Sommer verschlägt, ist noch offen. Foto: Heiden

Rodrigues: Ich glaube, dass der Umbruch vor dieser Saison noch ein bissche drastischer war als die vorherigen. Wir haben inzwischen ein im Kollektiv ein sehr junges Team. Das ist dem geschuldet, dass der Verein vielleicht nicht die finanziellen Mittel hat wie andere Clubs. Und der Tatsache, dass Süderelbe eben recht weit draußen im Süden liegt. Da wirst du für das Geld, das es hier gibt, nicht unbedingt einen Spieler aus dem Zentrum begeistern können, hier raus zu fahren. Daraus resultiert dann eben der Weg, auf Spieler aus der eigenen Jugend und Jungs aus dem Umfeld zu setzen. Das ist ein Weg, der Zeit braucht, bis etwas gereift ist und man die Früchte ernten kann. Das war damals, als Jean-Pierre Richter Trainer beim FCS war, nicht anders. Es hat gedauert. Ich hoffe natürlich, dass der eine oder andere Spieler aus dem jetzigen Kader den Weg einschlägt, dass er in der kommenden Saison richtig aufblüht. Aber ob es für Süderelbe in der kommenden Saison einfacher oder schwieriger wird, das kann ich nicht sagen.

Wie wird denn die nächste Saison für dich selbst?

Rodrigues: Ich spiele jetzt nach meiner Rückkehr von BU zum FCS die zweite Saison in Folge hier. Es war damals so, dass es mich beruflich bedingt in den Süden von Hamburg verschlagen hat. Ich arbeite im Hafen, bin nach Harburg gezogen. Damals habe ich mir gedacht: Ich weiß nicht, ob das nicht vielleicht alles passt und es meine letzte Station wird. Privat hat sich nichts verändert. Sportlich gesehen habe ich keine Kraft und Lust mehr, diese Umbrüche mitzumachen. Es ist Jahr für Jahr das Gleiche. Wir fangen immer wieder bei Null an, keine Saison baut auf der anderen auf. Ich will für mich einfach nochmal etwas Neues und vielleicht auch etwas komplett Anderes. Ich bin für alles offen. Es gibt noch nichts, was konkret ist. Ich lasse das auf mich zukommen, weil ich genügend Zeit habe. Immer wieder einen Umbruch mitzumachen, ist anstrengend. Es kostet Kraft, immer um die goldene Ananas zu spielen. Ich bin nicht mehr der Jüngste, aber mit 30 Jahren auch noch nicht so alt, dass bald Schluss ist. Ich habe noch ein paar Jahre, die ich spielen kann und will. Das möchte ich da, wo ich Lust und Spaß mit Aussicht auf Erfolg habe.

Interview: Jan Knötzsch