„Wenn ihr so spielt und doch verliert, küsse ich trotzdem jedem Spieler die Stirn“
Nächster Verletzungsschock für Meiendorf - aber „zu früh eingewechselter“ Sara schockt Sasel
Eigentlich sollte er gar nicht spielen - doch dann sorgte Michi Sara mit seinen beiden 20-Meter-Knallern für Meiendorfer Jubel. Foto: KBS-Picture.de
Gerade hatte Saglam – unmittelbar nach dem Schlusspfiff – im Mannschaftskreis einige Worte an seine Jungs gerichtet, da zückte er beim Verlassen des Platzes sein Handy aus der Tasche. „Ich habe gerade mit Mert telefoniert“, klärte er auf der anschließenden PK auf. „Er wurde eben gerade geröntgt, muss aber noch warten, bis er in die Röhre kann. Aber wir vermuten, dass es etwas Schlimmeres ist – denn er konnte kaum auftreten. Das sind solche Momente, die wir leider seit Beginn der Saison immer wieder durchleben müssen.“ Neben Kepceoglu, der verletzt ausschied, und Shirdel musste der MSV-Coach im Spiel gegen die in der Vorwoche erstmalig bezwungenen Saseler auch auf Dren Hoti, Collins Folarin, David Goncalves, Max Rosseburg, Leonel Varela Monteiro, Lucas Hallmann, Andrej Blum und Kalif Koura verzichten. Kevin Heitbrock und Lawrence Schön spielten angeschlagen – nicht minder fit waren Hamid Zazai und Michael Sara, die beide auf der Bank Platz nahmen. Letztgenannter musste sich seiner Trainingsklamotten jedoch schneller als gedacht entledigen und für Kepceoglu in die Bresche springen. „Ich war nur im Kader, weil wir so viele Verletzte haben“, gestand Sara.
„Die Jungs haben wieder Charakter bewiesen“
Nach dem Tor wurde das Trikot des verletzten Josef Shirdel mit der Nummer 10 hochgehalten. Foto: KBS-Picture.de
„Michi war zwei Wochen verletzungsbedingt nicht im Trainingsbetrieb. Er hat gestern das erste Mal mit der Mannschaft trainiert“, erklärte Saglam – und verriet: „Vor dem Spiel haben wir besprochen, dass wir ihn – je nach Bedarf – eigentlich nicht berücksichtigen wollen. Wenn, dann nur für ein paar Minuten, um wieder reinzufinden.“ Doch es kam, wie bereits erwähnt, ganz anders. Nach einer torlosen ersten Halbzeit (Sara: „Da haben wir viel zu viel Respekt gezeigt und nicht leidenschaftlich gespielt“) entwickelte sich vor 331 Zuschauern ein turbulenter zweiter Abschnitt, in dem Sara noch seine großem Auftritte haben sollte. Zunächst aber musste auch er mit ansehen, wie sein Team durch ein unglückliches Eigentor von Alex Tatsis, der die Kugel nach einer flachen Hereingabe von Tolga Celikten und einem verunglückten Rettungsversuch von Heitbrock letztendlich über die eigene Torlinie drückte, in Rückstand geriet (51.). „Ich weiß nicht, warum das so ist, aber wir bekommen immer einen Gegentreffer und finden erst dann ins Spiel“, rätselte Saglam. Allerdings befand er auch: „Wie wir dann ins Spiel gefunden haben – trotz des Verletzungsschocks, den wir wieder abgeschüttelt haben – das ist überragend von den Jungs. Sie haben Charakter bewiesen!“
„Hätte Meiendorf das Gaspedal weiter so gedrückt, weiß ich nicht, wie wir zurückgekommen wären“
Zunge raus, Ball rein: Per Doppelschlag binnen 60 Sekunden drehte Michi Sara die Partie. Foto: KBS-Picture.de
Und wie sie das haben. Selbst Sasel-Coach Danny Zankl meinte hinterher: „Nach der verdienten Führung hatten wir eine Viertelstunde, in der wir richtig schwimmen. Da hat Meiendorf uns kurz aufgezeigt, dass wir sehr instabil waren in der Phase.“ Sasels Jung-Keeper Lasse Erichsen, in der letzten Woche nach der 0:4-Pleite gegen Teutonia noch extrem gescholten, hielt seinem Team mit drei unfassbaren Reflexen gegen Ephrahim Asante (55.), Can Düzel (58.) und Sara (60.) die Führung fest. Doch dann war er binnen 60 Sekunden zweimal machtlos, weil Sara erst mit links, dann mit rechts aus nahezu identischer Position – rund 20 Meter vor dem Tor – das Spielgerät ins linke untere Toreck schweißte (61., 62.)! „Ich dachte, wir überstehen diese Phase vielleicht mit Glück“, so Zankl, der kurz darauf die Lacher auf seiner Seite hatte: „Man kennt die individuelle Klasse von Michi Sara. Von daher: Schade, dass er dann doch so früh eingewechselt wurde. Ich glaube, das war so nicht geplant.“ Saglam erwiderte: „Es ist ungünstig, dass sich Mert verletzt hat. Aber es spricht für Sara, dann auf dem Platz zu sein, Präsenz zu zeigen, Verantwortung zu übernehmen und auch aus der Distanz mal den Mut zu haben, aufs Tor zu schießen.“ Der „Gehuldigte“ selbst meinte: „Die Luft war schon an der Grenze. Aber ich habe alles gegeben. Ich schieße gerne aus der Distanz. Diesmal hat’s gepasst.“ Derweil musste Zankl anerkennen: „Das Gute ist: Hätte Meiendorf das Gaspedal so weiter gedrückt, dann weiß ich nicht, wie wir zurückgekommen wären. Aber das Gaspedal haben sie ein bisschen verlassen, so dass wir ins Spiel zurückkamen.“
„Wenn ihr so spielt und doch verliert, küsse ich trotzdem jedem Spieler die Stirn“
Denn: Nur wenige Augenblicke darauf köpfte Jan-Henrik Kaetow nach einem kurz ausgeführten Freistoß und anschließender Stafette über Nico Zankl und Celikten zum 2:2-Endstand ein (65.)! „Aufgrund dessen, dass wir eine richtig schwache Phase in der zweiten Halbzeit hatten, haben wir es nicht verdient, das Spiel zu gewinnen. Aber von der Arbeit und vom Auftreten her – vor allem in der ersten Halbzeit, die bis zur 37. Minute und 29 Sekunden richtig gut von uns war – sind wir sehr zufrieden. Wir hätten natürlich gerne mehr mitgenommen, weil‘s auch drin gewesen wäre. Aber dafür haben wir leider nicht konsequent und nicht gut genug in der Konstanz gespielt“, bilanzierte Zankl. Während Saglam weiter auf „den Tag X“ wartet, „wo wir mal aus dem Maximum schöpfen können. Es wäre wünschenswert, wenn wir auch mal alle Mann effektiv nutzen können.“ Umso bemerkenswerter war die zweite Halbzeit, in der seine Schützlinge mal wieder alle Tugenden abriefen und die pure Leidenschaft auf dem Platz ließen. Das sorgte beim Meiendorfer Dompteur dafür, dass er seine Zufriedenheit über die Darbietung im Teamkreis wie folgt in Worte fasste: „Wenn ihr so spielt wie in der zweiten Halbzeit und am Ende doch verliert, küsse ich trotzdem jedem Spieler die Stirn.“