Oberliga

"Waren dem Verein zu erfolgreich!" - Stier bestätigt Rücktritt und packt aus!

19. März 2020, 20:55 Uhr

Marco Stier (re.) wird BU am Saisonende verlassen und packt im Interview über die Gründe aus. Foto: KBS-Picture.de

Am Mittwochabend verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer: Marco Stier steht unmittelbar vor dem Rücktritt als Cheftrainer des HSV Barmbek-Uhlenhorst! Doch warum eigentlich? Schließlich war Stier mit BU in den vergangenen Wochen vor der Spielpause das Team der Stunde in der Oberliga, katapultierte den Traditionsverein auf den dritten Tabellenplatz und strebt sogar nach der Vize-Meisterschaft. Allerdings schien das Verhältnis zwischen dem Ex-Profi und dem Vorstand nicht nur angeschlagen, sondern gar ein Stück weit zerrüttet. Nun bestätigt uns Marco Stier im Interview gegenüber seinen Rückzug und packt so richtig aus...

FussiFreunde: Marco die letzten Wochen und Monate waren extrem erfolgreich. Ihr habt euch auf den dritten Platz vorkatapultiert und inzwischen sogar beste Chancen auf die Vize-Meisterschaft dennoch machen aktuell Gerüchte die Runde, dass du den Verein verlassen möchtest. Was ist da dran?

Marco Stier: "Sportlich gesehen läuft es ja schon seitdem ich da bin sehr gut. Dass es jetzt die letzten Wochen so extrem gut läuft, ist für mich keine Überraschung. Das haben wir uns durch brutal harte Arbeit, viel Leidenschaft und Zusammenhalt untereinander im Team erarbeitet. Wie wir im Team zusammenhalten und meiner Meinung nach den attraktivsten Fußball der Liga präsentieren, da muss ich vor meiner Mannschaft und Fans schon den Hut ziehen. Leider wird es diese leidenschaftliche Arbeit, diesen attraktiven Fußball und die unfassbar gute Stimmung durch unsere tollen Fans in dieser Form bei Barmbek-Uhlenhorst wohl nicht mehr geben. Dies ist vom Vorstand, vor allem von Frank Meyer und Volker Brumm, anscheinend nicht mehr erwünscht. Es ist für uns einfach unfassbar und macht die Mannschaft und mich unglaublich traurig. Deswegen musste ich die Reißleine ziehen und werde Abschied nehmen, ich kann das aber erhobenen Hauptes tun."

Dann erläutere uns doch mal die Gründe, die dich zu diesem Schritt zwingen...

Das Verhältnis zwischen dem Vorstand und Stier ist derart angespannt, dass für den Trainer eine weitere Zusammenarbeit nicht in Frage kommt. Foto: KBS-Picture.de

Stier: "Wenn ich alle Gründe jetzt detailliert erläutern würde, dann müsste ich ein Buch schreiben. Die Leute die mich kennen, wissen, dass ich letztendlich ein Typ bin, der immer ehrlich ist und zu seinem Wort steht. Leider beruhte das nicht auf Gegenseitigkeit. Es fing mit meiner Verpflichtung an..."

Wie genau meinst du das?

Stier: "Aus Bayern wurde ich geholt, habe Frank Meyer und Volker Brumm mit meinen ambitionierten Zielen und meinem Drei-Jahres-Konzept, BU am Ende in die Regionalliga zu führen, überzeugt. Ich wollte, dass BU wieder als starker Traditionsverein in Hamburg sportlich wahrgenommen wird. Diesen Weg haben wir am Anfang in der ersten Saison auch noch gemeinsam verfolgt und den großen Umbruch mit 25 neuen Spielern begonnen. Ich hatte dann aber das Gefühl, dass während unser sportlichen Erfolgsserie der Vorstand bereits sehr zögerlich mit dem Thema Aufstieg umgegangen ist, da es keinerlei Kommunikation mehr gab. Mein Co-Trainer und ich mussten zum Beispiel ein Meeting einberufen, um herauszufinden, wie man zu dem Thema steht."

Und wie ist dieses einberufene Meeting dann verlaufen?

Stier: "Wir hatten vor dem Dassendorf-Spiel und zur Winterpause bereits einen sehr guten Tabellenplatz, wo man sich mit dem Thema Aufstieg schon hätte intensiv beschäftigen müssen. Das einberufene Meeting verlief aber in einem Desaster. Als wir gefragt haben, wie es weitergeht, wurden wir knallhart abserviert und von Seiten des Vorstands wurde ein Versprechen mir gegenüber gebrochen. Man versprach mir, bei sportlichem Erfolg würde der Verein BU zu 100 Prozent den Aufstieg in die Regionalliga unterstützen. Hiervon wollte man aber nichts mehr wissen. Deswegen haben mein Co-Trainer und ich das Meeting vorzeitig verlassen. Zum Thema Aufstieg folgte darauf ein langes internes hin und her seitens des Vorstands mir gegenüber, so dass ein gewisser Bruch in unserer Beziehung bereits vorhanden war."

Was hättest du dir an dieser Stelle gewünscht?

Wollte den Verein in die Regionalliga führen, was von Vorstandsseite kurzfristig abgelehnt wurde, so Stier. Foto: KBS-Picture.de

Stier: "Leider stand mir auch kein Sportlicher Leiter zur Verfügung, mit dem man sich Austauschen hätte können und der auch mal kontroverse Meinungen vor dem Vorstand vertreten hätte. Der selbsternannte Sportliche Leiter Volker Brumm war dazu leider nicht in der Lage. Erschütternd und erschwerend kommt hinzu, dass der Vorstand durch seine berufliche Auslastung und fehlende Motivation leider nicht genug Aufwand betreibt, den Verein in irgendeiner Weise voranzubringen."

Wie genau meinst du das?

Stier: "Ein Beispiel hierfür wäre folgende Geschichte: Nachdem zum zweiten Mal aus unerklärlichen Gründe ein Betreuer plötzlich entlassen wurde, gab es seitens des Vorstands keinerlei Bemühungen, für Ersatz zu sorgen. Noch schlimmer, es wurde nicht einmal mit mir oder meinem Co-Trainer kommuniziert. Wenn meine Frau, meine Mutter und ich nun nicht die Wäsche der Spieler gewaschen und die Umkleidekabinen gereinigt hätten, hätten Trainingseinheiten oder gar Spiele der Jugend oder der Herren nur unter erschwerten und nicht BU-gerechten Bedingungen stattfinden können. Dies haben wir neben unserer beruflichen Tätigkeit und mit unseren drei Kindern managen müssen. Ein Dank dafür habe ich heute noch nicht erhalten."

Was hat dann konkret zum großen "Bruch" geführt?

Stier: "Das Fass zum Überlaufen brachte zum einen die seit Monaten fehlende Kommunikation, dass ich zum Beispiel Informationen ständig hinterherlaufen musste und zum anderen wurde ganz offensichtlich versucht, unsere extreme Erfolgsserie so schnell wie möglich kaputt zu machen. Aus heiterem Himmel sollte außerdem angeblich ein Geldproblem im Verein vorhanden sein. Deshalb wurden vogelwilde Aussagen getätigt, ich solle drei, vier Leistungsträger, die für den sportlichen Erfolg stehen, aussortieren, da das Preis-Leistungsverhältnis angeblich nicht stimmte. Zudem wurde mir zwischen Tür und Angel gesagt, dass ab der nächsten Saison Spieler drastische Gehaltskürzungen hinnehmen müssen, ohne dies vorher vernünftig mit mir oder der Mannschaft zu besprechen. Meiner Meinung nach ist es ein Unding, Spieler für extrem starke Leistungen mit einer Friss- oder Stirb-Mentalität zu behandeln. Ich stehe immer hinter meiner Mannschaft und werde das niemals akzeptieren, weil sie es nicht verdient hat. So wurde offensichtlich unser sportlich erfolgreicher Weg in die Regionalliga bewusst zerstört."

Das sind relativ harte Vorwürfe...

Stier: "Diese Entwicklung und die vorhandenen Tatsachen haben auch nichts mit der derzeitigen Corona-Krise und dem Aussetzten des Spielbetriebes zu tun, da sich alles zeitlich vorher ereignet hat. Ich durfte am Montag, den 16.03.2020, wiederum auf eigenständige Nachfrage, um an Informationen zu kommen, an einem Corona-Meeting teilnehmen. Ich wollte bei diesem Meeting natürlich auch zum wiederholten Male herausbekommen, ob endlich die Kaderplanung von Vereinsseite aus für die neue Saison vorangeht, da bisher in den letzten vier Monaten nur mit zwei Spielern Gespräche geführt wurden. Mit Erschrecken wurde mir im Meeting mitgeteilt, dass alle Spielergespräche bis Ende April ausgesetzt sind, weil der Verein keine Planungssicherheit geben kann. Aus Gründen der derzeitigen Corona-Krise verstehe ich das zum Teil. Jedoch wurde meine einfache Hoffnung, dass unser Unterschiedsspieler Hathat ein verbessertes Vertragsangebot (welches eine Gehaltskürzung beinhaltete) als das vorherige bekommt, zunichtegemacht. Ihm wurde gesagt, dass er sich andere Angebote von anderen Vereinen einholen sollte, was für mich der absolute Super-GAU war."

Inwiefern hätte man da, aus deiner Sicht, als Verein anders reagieren müssen?

Stier: "Es hätte schon lange ein Gespräch stattfinden müssen, da unsere Konkurrenten, im Gegensatz zu unserem Vorstand, sicherlich ihre Hausaufgaben bereits in den letzten Monaten gemacht haben. Doch auch dieses Gespräch wurde vom Vorstand abgelehnt. Da mir auch ein positiver Umgang mit den Fans wichtig ist und ich aktiv Fanpflege betreibe, besuche ich regelmäßig in meiner privaten Zeit Fangruppentreffen. Dies tue ich am Ende auch für den Verein, obwohl es wohl eher deren Aufgabe ist. Wir haben dort einige Projekte ins Leben rufen wollen, wie zum Beispiel angesichts der angeblich finanziellen schlechten Lage des Vereins mit 100 Mitgliedern entgegenzuwirken, um den Verein finanziell zu unterstützen und das somit meinen Spielern angesichts ihrer tollen Leistung keine Gehaltskürzungen bevorstehen. Leider wurde auch diese Idee vom Präsidenten mit sehr unschönen Worten abgelehnt. All diese Gründe in der Summe haben mich dazu gebracht, die Reißleine zu ziehen."

Heißt das, dass du per sofort von deinem Amt zurücktreten wirst oder erst zum Ende der Saison?

Stier: "Definitiv werde ich die Saison mit meinen Jungs und mit den tollen Fans zu Ende bringen. Denn es sind noch 27 Punkte zu vergeben, die wir uns mit aller Macht holen wollen, um am Ende mit über 80 Punkten ins Ziel einzulaufen. Dies wäre eine sensationelle Leistung und wohl einmalig in der BU-Geschichte."

Du hast vor dem Jahreswechsel gesagt, dass du nach dem höchsten strebst und den Anspruch hast, den Verein in die Regionalliga zu führen. Das ist vom Verein allerdings derzeit nicht gewollt. Inwieweit kannst du die Entscheidung denn nachvollziehen?

Wie es für Stier nun weitergeht, steht noch in den Sternen. Foto: KBS-Picture.de

Stier: "Ich denke, dass es in dieser Saison sportlich noch zu früh ist, weil ich der Meinung bin, dass wir uns noch ein Jahr stabilisieren müssten. Mein Plan wäre gewesen, dass wir nächstes Jahr die Meisterschaft an die Dieselstraße holen, da dies die dritte Saison meines Drei-Jahres-Plans gewesen wäre und im dritten Jahr geerntet wird. Da sind wir uns mit der Mannschaft und den Fans sicher, dass wir das auch erreicht hätten, da sprechen wir alle eine Sprache. Sind wir mal ganz ehrlich, wenn ein Sportler nicht nach dem höchsten strebt, hat er für mich hauch den falschen Beruf gewählt. Sogar der Unterbau mit der tollen Entwicklung der Zweiten Mannschaft und der A-Jugend, worauf ich immer ein Auge hatte und was mit sehr wichtig war, passte perfekt ins Bild 'Regionalliga'. Die Entscheidung
vom Vorstand, diese Entwicklung und diese Perspektiven mit Füßen zu treten, ist für mich absolut nicht nachvollziehbar."

Wenn es um die Planung für die kommende Saison ging, wie sah es da mit den Ambitionen von dir und dem Verein aus oder anders gefragt hattest du das Gefühl, dass du dem Verein zu erfolgreich bist und man gar nicht in die Regionalliga will?

Stier: "Dies habe ich ja schon gerade ausführlich berichtet. Ja, ihr habt recht, definitiv sind wir zu erfolgreich und zu gut, was meiner Meinung nach für den Vorstand ein Dorn im Auge ist. Die Ironie an der Sache ist, dass ich ja, wie bereits erwähnt, mit den Ambitionen in die Regionalliga aufzusteigen, verpflichtet wurde."

Warum war das Verhältnis zwischen dir und dem Vorstand nicht mehr zum Positiven zu wenden?

Stier: "Auch das habe ich in der Antwort auf die Frage nach meinen Gründen ja schon deutlich gemacht. Es gab und gibt einfach zu viele Ungereimtheiten, Unklarheiten und Enttäuschungen zwischen mir und dem Vorstand. Das war und ist leider nicht mehr zum Positiven zu wenden."

Wie geht es jetzt für dich persönlich weiter?

Stier: "Ich denke, ich habe mir hier in Hamburg und Umgebung einen guten Namen als Trainer gemacht. Es wird mit Sicherheit ambitionierte Vereine geben, die meine Arbeit und mein Engagement wertschätzen. Ich denke, jeder Verein, der Ambitionen hat, weiß, was für gute Spieler ich geformt habe, die auch sehr gerne weiter mit mir zusammengearbeitet hätten. Dementsprechend gehe ich gelassen in die Zukunft und warte, was auf mich zukommt."

Autor: Dennis Kormanjos