Vicky überrascht mit Gastspieler, EN mit treffsicherem Testspieler

Trotz Niederlage: Richter hat seinen „MVP“ gefunden

30. Juni 2018, 11:35 Uhr

„Prominenter Überraschungsgast“ beim SC Victoria: Nils Brüning (re.) - hier gegen Philipp Koch - mischt während seines dreiwöchigen Deutschland-Aufenthalts beim Richter-Team mit. Foto: KBS-Picture.de

Die Überraschung war durchaus groß, als beim SC Victoria in den ersten 45 Minuten des Testspiels gegen Eintracht Norderstedt ein „neuer“ Stürmer für mächtig Belebung sorgte. Groß, schnell, gute Ballbehandlung, geschmeidige Bewegungen – nur ein Torerfolg sollte ihm verwehrt bleiben. Doch wer war eigentlich dieser „Überraschungsgast“ im Vicky-Angriff? Die Antwort: Nils Brüning! Der 23-Jährige absolvierte sein erstes Herrenjahr bei Victoria, ehe es ihn über den HSV II in die USA aufs renommierte College der North Carolina Tar Heels zog. 

„Nils ist drei Wochen in Deutschland und hält sich nur bei uns fit. Mehr gibt es dazu eigentlich gar nicht zu sagen“, erklärte Victoria-Coach Jean Pierre Richter im Anschluss an die 90 Minuten auf Nachfrage, präzisierte dann aber doch: „Er ist ein herausragender Fußballer und es ist cool, dass er sich bei uns fit hält, weil er hier auch ein Stück weit seine Wurzeln hat. Er passt hier gut rein, wird aber in drei Wochen wieder nach Amerika gehen, um dort sein Studium abzuschließen“, nahm Richter jeglichen Spekulationen um einen Wechsel des Angreifers sofort den Wind aus den Segeln. Derweil verriet uns Brüning, der sich vor zehn Monaten in den Staaten das Kreuzband riss: „Gerade deshalb muss ich mich natürlich fit halten. Ich kann nicht den Sommer über in Hamburg sein und nichts machen. Deswegen bin ich froh, dass man mich hier aufgenommen hat. Ich wohne 200 Meter Luftlinie von hier entfernt, war früher bei Vicky und habe hier angefangen. Deshalb ist es für mich perfekt, um sich fit zu halten.“ Und weiter: „Ich habe in den USA noch ein Semester vor mir und mache meinen Abschluss im Dezember. Aber die Saison geht dort schon im August wieder los.“

Der Traum von der MLS - „Es kann auf jeden Fall klappen“

Nick Brisevac (li.) debütierte für die Eintracht, blieb aber ohne Torerfolg. Foto: KBS-Picture.de

In den Vereinigten Staaten verfolgt Brüning ehrgeizige Ziele. „Ich versuche natürlich, in die MLS (Major League Soccer, die höchste Spielklasse im US-amerikanischen und kanadischen Fußball; Anm. d. Red.) zu kommen!“ Sollte es nicht gelingen, „würde ich auch nicht länger dort bleiben und es weiter versuchen. Entweder ich schaffe direkt den Sprung oder ich komme zurück.“ Allerdings stünden die Chancen gar nicht schlecht, wie er meint: „Es kann auf jeden Fall klappen“, wenngleich auch einige Hindernisse im Weg stehen: „Für mich ist es deshalb nicht so leicht, weil ich schon ein bisschen älter bin, mir gerade das Kreuzband gerissen habe und es bei den MLS-Teams nicht so viele ‚international spots‘ gibt. Aber wenn man da richtig durchstarten sollte, ist die Möglichkeit natürlich da.“ Wie bereits erwähnt, sollte ihm im Test gegen den Regionalligisten aus Norderstedt kein Torerfolg gelingen. Dafür traf ein „Testspieler“ auf der anderen Seite: Habib Zagre, der in den vergangenen Jahren diverse Teams in der Ober- und zuletzt vor allem Landesliga durchlief (HR, Buxtehude, Kosova, Juventude), sorgte für das zwischenzeitliche 3:0 des Favoriten, als er eine Flanke von Neuzugang Tayfun Can am zweiten Pfosten ins kurze Eck nickte.

Zuvor brachte mit Rico Bork (Eutin 08) eine weitere Neuerwerbung die Eintracht in sehenswerter Art und Weise auf die Siegerstraße, als er in einem bis dato weitestgehend ausgeglichenen Spiel – in der ersten halben Stunde sogar mit leichten Vorteilen für den Oberligisten – einen 17-Meter-Freistoß aus halbrechter Position mit Wucht und Präzision über die Mauer hinweg in den rechten Giebel zirkelte (47.). Wenig später erhöhte Marlon Leon Stannis, als die Victoria-Defensive einen Eckball nur unzureichend klärte und der „Flügelflitzer“ vom Sechzehner per Direktabnahme vollstreckte (53.). Überraschend bei den Garstedtern: Marin Mandic führte das Team nicht als Kapitän aufs Feld. Der Innenverteidiger stellte das Amt intern zur Verfügung. Im heutigen Test schlüpfte Jordan Brown in die Rolle, die nach der Vorbereitung neu vergeben werden soll.

Strömer feiert gelungenes Comeback

André Monteiro Branco (li.) brachte Vicky mit einem wunderschönen Tor zurück ins Spiel. Foto: KBS-Picture.de

Auf dem Platz kämpfte sich derweil der Oberliga-Vize-Meister der Vorsaison noch einmal zurück – und das nicht zuletzt dank eines Langzeitverletzten. „Der Moment des Tages: Len Strömer, der nach so langer Pause sein Comeback gegeben und gleich ein Tor eingeleitet und einen Treffer direkt vorbereitet hat. Ein tolles Comeback. Das ist das, was über allem steht. Deshalb ist er auch unser MVP“, freute sich Richter über die Rückkehr von Strömer, der seit Herbst 2017 aufgrund einer Schambeinentzündung ausfiel. „Auch wenn er noch weit weg ist von dem, was er kann, gibt er der Mannschaft eine gewisse Stabilität. Er hat darauf hingefiebert, hingearbeitet – und jetzt geht er die ersten kleinen Treppenstufen nach oben.“ Erst leitete der Linksfuß den traumhaften Treffer von André Monteiro Branco, der aus 16 Metern halbrechter Position mit Power in den linken Winkel einschweißte (78.) ein, dann legte er freistehend uneigennützig für Furkan Aydin quer, der daraufhin keine Mühe mehr hatte und zum 2:3-Endstand aus Victoria-Sicht einschob. „Von der Laufleistung und der Intensität her hätte ich jetzt nicht gedacht, dass wir hintenraus nochmal so viele Räume kriegen. Für mich ist wichtig, dass die Jungs auf ihre Minuten gekommen sind und sich gut bewegt haben“, so Richter, der anfügte: „Nach neun Tagen Belastung am Stück und nur einem Tag Pause, hat man aber auch gemerkt, dass ein bisschen die Kreativität und Frische weg ist.“

Brüning: „Gerade in der ersten Halbzeit haben wir sehr gut mitgehalten“

Im Kampf um den Ball: Vickys Nil von Appen (li.) vs. Norderstedts Deran Toksöz. Foto: KBS-Picture.de

Das abschließende Fazit von „Gastspieler“ Nils Brüning, der in der „Wir-Form“ sprach, auch wenn ein Wechsel in diesem Sommer an die Hoheluft aus den genannten Gründen nicht zustande kommen wird: „Spielerisch haben wir gezeigt, dass wir stark sind. Wir können den Ball halten – auch gegen ein Team wie Norderstedt. Gerade in der ersten Halbzeit haben wir sehr gut mithalten können. Auch wenn ich noch nicht so viel gesehen, ist der erste Eindruck auf jeden Fall gut.“ Und wie geht es für ihn persönlich weiter, wenn es am Ende nicht mit dem großen Sprung zum Profi in den USA hinhauen sollte? „Dann würde ich schon versuchen, hier noch so hoch wie möglich zu spielen. Aber ich weiß auch, dass es nicht die allerbeste Reputation hat, wenn man von einem College-Team kommt – zumindest mit Blick auf einen Profi-Verein. Aber wenn man aus der MLS kommen würde, dann würde es schon etwas anders aussehen. Deshalb versuche ich jetzt, mich dort durchzusetzen.“

Autor: Dennis Kormanjos

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