Landesliga Hansa

Über „drei Werte“ zurück zur Basis – und zur Nachhaltigkeit: Altenwerder schlägt den „anderen Weg ein“

01. April 2021, 08:47 Uhr

Das Triumvirat bei der Liga-Mannschaft des FTSV Altenwerder: Liga-Manager Tobias Annuß (li.), Co-Trainer Peter Lembke (Mi.) und Chefcoach Momo Tan. Foto: Kormanjos

Bahnhof Neuwiedenthal. Linie S3 – letzter Wagon. Dem Ausgang nach, der Hauptstraße circa zehn Minuten entlang – und bereits inmitten des Weges deutet ein übergroßer Banner auf das baldige Ziel hin. Und da ist es auch schon – das kleine, aber nicht minder feine Prachtstück des FTSV Altenwerder am Jägerhof. Dort, wo ein Trio bei der Liga-Mannschaft federführend die Geschicke leitet: Cheftrainer Muharrem „Momo“ Tan, Co-Trainer Peter Lembke und Liga-Manager Tobias Annuß.

Er war bereits zuvor vier Jahre als Übungsleiter beim FTSV Altenwerder tätig und kickte zu jener Zeit für die Alten Herren des Vereins, als ihn nach seiner Trainer-Tätigkeit beim Buxtehuder SV der Anruf ereilte, ob er sich vorstellen könne, auf die Bank am Jägerhof zurückzukehren. Und schon war es geschehen: Im vergangenen Sommer übernahm „Momo“ Tan die Nachfolge von Daniel Rossa und Florian Meier. An seiner Seite: Peter Lembke. „Uns gibt es nur im Doppelpack“, betonte Tan damals. Und tatsächlich: Bereits als zehnjährigen Jungspund hatte B-Lizenz-Inhaber Lembke den kleinen „Momo“ unter seinen Fittichen. Nun wollen sie zusammen mit Liga-Manager und Herren-Obmann Tobias Annuß „zurück zur Basis“, wie uns Tan im Gespräch erzählt.

"Fahren ein ganz anderes Schema als andere Vereine"

Im vergangenen Sommer kehrte Momo Tan auf die Trainerbank des FTSV Altenwerder zurück und will mit dem Verein nun einen nachhaltigen Weg einschlagen. Foto: Kormanjos

Das Besondere am FTSV? „Hier sind unheimlich viele ehrenamtliche Arbeiter und reichlich Manpower vorhanden. Die Leute können sich komplett mit dem Verein identifizieren. Das ist das, wonach man sich immer gesehnt hat“, erklärt Tan – und fügt an: „Von unserer Arbeit über das ganze Drumherum – vom Vorstand bis runter zur Jugendabteilung – ist eine ungeheure Identifikation gegeben.“ Obwohl andere Vereine innerhalb der Liga oft im Fokus stehen, habe man auch in Altenwerder „gewisse Möglichkeiten – und die sind nicht schlechter als bei anderen Vereinen“. Dennoch gibt es einen gravierenden Unterschied zu vielen anderen Clubs: „Wir fahren ein ganz anderes Schema. Bei uns steht der Verein im Fokus. Den gilt es, so gut wie möglich zu repräsentieren.“ Und weiter: „Das Ganze ist familiär und ehrlich. Wir haben für uns drei grundlegende Werte festgelegt: Disziplin, Teamfähigkeit und respektvoller Umgang miteinander.“

"Auch wenn wir das Nachsehen haben, können wir jedem Spieler in die Augen schauen"

Auch wenn der FTSV Altenwerder kein Verein sei, der in Armut lebt, steht das Mannschaftsgefüge über allem. „Wenn wir einen Topf haben, über den wir verfügen, dann verfügt die Mannschaft darüber – und nicht einzelne Spieler. Da haben wir uns ganz klar positioniert. Das ist ein Mannschaftssport – und den leben wir auch aus“, betont C-Lizenz-Inhaber Tan. „Auch wenn wir da immer wieder das Nachsehen haben, können wir ein absolut reines Gewissen haben und jedem einzelnen Spieler in der Kabine in die Augen schauen. Dafür stehen wir“, so der 42-Jährige. „Wir haben eine tolle Anlage, super Rahmenbedingungen, zwei Kunstrasenplätze, eine Laufbahn und ein Trainerteam, das auf junge Spieler und deren Entwicklung enorm viel Wert legt.“

Saad als Paradebeispiel: "Freuen uns riesig darüber"

Stets an der Seite von Momo Tan: Sein treuer Wegbegleiter und Co-Trainer Peter Lembke. Foto: Kormanjos

Bestes Beispiel: Elias Saad. Der „Flügelflitzer“, der gerade erst vom HSV Barmbek-Uhlenhorst zum Regionalligisten FC Eintracht Norderstedt gewechselt ist, schaffte einst unter Tan und Lembke den Sprung aus der „Zweiten“ in die Liga-Mannschaft des Buxtehuder SV. „Er hat sich bewährt – und dann den Weg eingeschlagen, den wir uns vorstellen“, sieht das Trainerduo auch im eigenen Kader „Spieler, die das Potenzial haben, aber noch Zeit brauchen“. Das Wichtigste: „Für uns steht die Entwicklung eines Spielers an erster Stelle. Wenn sie irgendwann den Sprung schaffen, freuen wir uns darüber riesig. Wir stehen den Jungs jederzeit mit Rat und Tat zur Seite.“ Genau das war auch bei Saad der Fall. „Das sind Spieler, die halten nicht die Hand auf, sondern gucken genau, was für sie der beste und richtige sportliche Weg ist.“

"Keinen Druck, sondern Fokus auf unsere Werte"

Unter Tan und Lembke hat Elias Saad (li.) einst den Sprung zu BU geschafft. Nun zieht ihn der Weg weiter in die Regionalliga zu Eintracht Norderstedt. Foto: noveski.com

Einen Weg, den man auch in Altenwerder weiter verfolgen will. Schon im vergangenen Sommer wurde ein Umbruch eingeleitet und auf viele junge, talentierte und hungrige Spieler aus insgesamt zehn Nationalitäten (Lembke: „Normalerweise müssten wir den Integrationspreis bekommen“) gesetzt. „Wir haben keinen Druck, sondern sind fokussiert auf unsere Werte“, so Tan. Man stehe nicht „unter Zugzwang wie andere Vereine, die ihre ‚Mäuse‘ raushauen und rechtfertigen müssen Wir bieten Ruhe, optimale Trainingsbedingungen und Entwicklungschancen in alle Richtungen an. Das können wir gewährleisten.“ In dieselbe Kerbe springt Lembke, der sagt: „Wir stehen unter keinerlei Druck oder Zwang, irgendeine Leistung vorweisen zu müssen. Das ist für die Arbeit, die wir leisten, natürlich eine optimale Basis.“

Manager Annuß "rudert mit allem, was er hat"

Tobias Annuß unterstützt das Trainerduo als Liga-Manager und Herren-Obmann - und hat auch seine Familie mit dem FTSV-Virus "infiziert". Foto: Kormanjos

Arbeit, zu der auch Tobias Annuß einen großen Teil beiträgt. Ein Mann, „der sein ganzes Leben auf dem Fußballplatz verbracht hat und mit allem rudert, was er hat“, lobt Tan den Mann im Hintergrund. Ein Beispiel: Annuß‘ Frau leistet bei der Liga-Mannschaft die medizinische Betreuung – während seine Tochter die Klamotten verwaltet. Er selbst habe „mit der Hilfe etlicher Sponsoren das große Glück“ gehabt, die Mannschaft komplett auszustatten. „Wir wollen als Einheit auftreten“, sowohl auf als auch neben dem Platz. „Der Mannschaft fehlt es an nichts“, kümmert man sich um das Wohl der Spieler, damit diese auf dem Platz abliefern können. 

"Wir reden immer noch von einem Hobby"

„Von Vorstandsseite wäre es schön, wenn wir eine Mannschaft aufbauen und zusammenstellen, mit der wir einen guten Mittelfeldplatz erreichen können. Eine Truppe, die nach dem Umbruch nichts mit dem Abstieg zu tun hat. Und natürlich auch eine Mannschaft, bei der einzelne Spieler, die eine gute Saison gespielt haben und bei denen Vereinen anklopfen werden, nicht gleich aufgrund von 20 Euro sagen: ‚Okay, dann wechsle ich jetzt den Verein.‘ Sie sollen sich hier wohlfühlen, Spaß und ein tolles Umfeld haben. Denn man muss ja eines festhalten: Wir reden hier immer noch von einem Hobby und nicht von einem Zweitberuf.“

"Würden nie einen Spieler in der Landesliga halten, der Oberliga-Qualität hat"

Vor seiner Rückkehr zum FTSV fungierte Tan bis zur Abmeldung als Chefcoach beim Buxtehuder SV. Foto: Brussolo

Als Verein müsse man versuchen, „etwas auf die Beine zu stellen, wo die Spieler sagen: Ich verzichte auf die 50 Euro und bleibe hier, weil es einfach Spaß bringt“, hofft Annuß darauf, dass auch „viele alt-eingesessene Altenwerderaner, die Jahrzehnte im Verein sind und jahrelang für den Verein gespielt haben“, einen positiven Einfluss auf genau diese Jungs haben. Denn: „Vom Vorstand ist es nicht das Ziel, in die Oberliga zu kommen. Da gibt es ja keinen Spieler mehr, der da ohne Geld spielt.“ Vielmehr müsse man „den Jungs die Augen öffnen“, weiß vor allem Tan um die Schwere der Aufgabe. 


„Früher musste ich losfahren und erstmal in Erfahrung bringen, wie der Spieler überhaupt heißt. Heute bist du ganz schnell an diesen Spielern dran. Die Jungs haben Flausen im Kopf, überschätzen sich ganz schnell selbst – da musst du als Trainer nah an deinen Jungs dran sein, die schützende Hand über sie legen und ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Den einen oder anderen Spieler werden wir sicher verlieren. Aber wir würden auch nie einen Spieler in der Landesliga halten, der Oberliga-Qualität hat, sondern immer dazu raten, den Schritt zu machen.“

Autor: Dennis Kormanjos

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